Islands Meerforellen – Springerfischen am Húseyjarkvísl
Ein Reisebericht von Carsten Dogs
Blick über die Meerforellenbeats des Húseyjarkvísl
Als Reiseanbieter für individuelle, authentische Fliegenfischerreisen nach Island habe ich mindestens zwei Hüte, die ich auf einer Reise nach Island tragen kann. Der eine ist der des Anbieters, der seit seinem erstem Islandtrip die faszinierende Fischerei in diesem Land auch anderen Fliegenfischern ermöglichen möchte. Der andere Hut ist der eines passionierten Fliegenfischers, dessen Herz bei Gedanken an die freundlichen, zuvorkommenden Isländer, die isländische, rauhe Natur und schlussendlich die unglaubliche Gewässervielfalt mit ihrer einzigartigen Fischerei höher schlägt. 
Island nimmt mich mit jeder Reise mehr gefangen, so auch zuletzt Ende April diesen Jahres, als ich spontan die Möglichkeit bekam, auf Meerforellen am Húseyjarkvísl im Nordosten Islands zu fischen. Meerforellen auf Island? Die Meerforellenfischerei auf Island ist im Ausland noch relativ unbekannt und die meisten Fliegenfischer denken bei diesen Wandersalmoniden sicher eher an die heimische Ostseeküste, Skandinavien oder aber - wen es in die Ferne zieht – Tierra Del Fuego in Argentinien. Kaum jemand hat die Atlantikinsel als mögliches Reiseziel im Kopf. Dabei sind die Isländer selber begeisterte Meerforellenfischer, viele von ihnen fischen lieber auf Meerforelle als auf Lachs. Im Süden der Insel befinden sich die meisten Meerforellenflüsse. Viele der dortigen Gewässer werden aus Quellen gespeist oder beziehen ihre Wasserzufuhr von den großen Gletschern, deren Wasser durch Lavafelder gefiltert - und dadurch glasklar wird. Außerdem typisch für diese Flüsse ist der Untergrund aus schwarzem Vulkansand  - die Meerforellen scheinen dies zu mögen. Diese schwarze Sand fällt auch an den Meerforellenbeats des Húseyjarkvísl auf. Dieser Fluss liegt allerdings nicht im Süden, sondern im Nordwesten der Insel und ist dadurch eine Besonderheit.
Ende April starteten wir zu dritt unsere Reise Richtung Island. Über Reykavík führte uns die Ringstraße entlang Richtung Norden in das Städtchen Varmahlid, wo man den Fluss zum ersten Mal passiert. Der Huso mäandert hier durch ein weites Tal, welches sich uns mit schneebedeckten Bergen und in strahlendem Sonnenschein präsentierte. Ende April kann es hier noch empfindlich kalt sein und sogar schneien. Wir sollten allerdings auch die nächsten Tage vom Wetter verwöhnt werden (und sogar ein wenig Farbe bekommen, womit man Ende April in diesem Land eher weniger rechnet...). 
Gegen Mittag kommen wir in der Lodge mit Selbstverpflegung an. Wir verlieren keine Zeit, in die Wathosen zu schlüpfen und uns fischbereit zu machen. Die Lizenzen werden hier in Dreitagespaketen vergeben, d.h. die Fischerei beginnt und endet mit einem halben Tag. Erstes Ziel ist einer der unzähligen Pools, in dem zwei Tage zuvor noch eine Meerforelle über 80cm gefangen wurde. Diese Pools sind im Grunde tiefe Rinnen am gegenüberliegenden Ufer, in denen man kleine, dunkle Fliegen an Sinktips mit 90 Grad Würfen präsentiert. 
An den Ufern mit Abbruchkanten verlaufen die tiefen Rinnen
Nach dem Wurf lässt man die Fliege kurz absinken und führt sie dann mit langsamen Strips zurück. Sind aggressive Fische im Pool, erfolgen die vehementen Bisse meist nach den ersten Strips. Genauso ist es auch an diesem ersten Pool – mein isländischer Freund kann bereits nach zehn Minuten die erste Meerforelle haken – ein schöner Fisch von knapp 60cm Länge. Leider bringen weitere präzise Würfe bis auf eine Bachforelle keine weiteren Kontakte, so dass wir beschließen, weiter stromauf zu fahren. 
Der erste Fisch des Trips auf eine typisch isländische Meerforellenfliege
In einer tiefen Rinne im Oberlauf des Flusses nahe einer Brücke komme ich dann auch zu meinem ersten Fisch. Bei der ersten Drift spüre ich einen vorsichtigen Biss, und beim zweiten Wurf nimmt der Fisch die Fliege und flüchtet 30 Meter flussab. Das muss einer der großen Frühjahrsspringer sein. Nach und nach ermüdet der Fisch und ich bekomme ihn herangedrillt. Beim Stranden sehe ich, dass der Fisch relativ lang und schlank ist, eher untypisch für die Meerforellen dieses Flusses. Die Aufsteiger sind eigentlich wohlgenährt und sehr kräftig...schließlich lande ich den Fisch und sehe, warum er so schlank ist – es ist ein Lachsweibchen, welches im Fluss überwintert hat. Nach schnellen Fotos darf sie ihre Weiterreise Richtung Meer antreten.
Lachskelt aus den Meerforellenbeats des Húseyjarkvísl
Auch wenn es ein Absteiger ist, beschließe ich mich den restlichen Stunden dieses Tages der Fotografie zu widmen. Ein paar Fische verlieren meine zwei Freunde noch, werden aber durch einen traumhaften Sonnenuntergang entschädigt, bevor es zum Abendessen in die Lodge geht.
Sonnenuntergang auf Island im April
Der zweite Tag begrüßt uns wieder mit strahlender Sonne und wir befischen den ganzen Tag viele Pools im Unterlauf des Flusses. Bis auf ein paar Bachforellen und drei kleine Meerforellen haben wir wenig Kontakte und wundern uns, wo die großen Fische sind. Sie müssen da sein, aber warum nehmen sie nichts? Vielleicht liegt es am Sonnenschein und der Windstille? Laut Tidenkalender ist morgen High Tide, das könnte ebenfalls das Beissverhalten der Fische beeinflussen. Außerdem sind Meerforellen scheu und mit einer Teeny T-300 ist an eine feine Präsentation nicht zu denken... es sind keinerlei Wellen auf dem Wasser zu sehen und wahrscheinlich verscheuchen wir die Fische sobald wir unsere Fliegen präsentieren. 
Also experimentieren wir am Folgetag mit längeren, feineren Vorfächern, und auch ein wenig Wind kommt uns zu Gute. Einer der Gruppe fischt einen uns weniger bekannten Zug und fängt innerhalb einer Stunde zwei Bach- und drei Meerforellen.
Blitzeblanke Huso-Meerforelle
Haben wir den Code geknackt? Sind es vielleicht die kleinen, eher unscheinbaren Pools, in denen die Fische stehen? Ich laufe am hohen Ufer nahe des Wassers um die nächste Kurve und sehe plötzlich einen tiefen Pool. Vorsichtig laufe ich einige Meter zurück, wate in den Fluss und fange an, diese Rinne zu befischen. Nach dem dritten Wurf hake ich eine blitzeblanke, feiste Meerforelle, die ich vorsichtig zurücksetze. Zurück an der Stelle, bringt der nächste Wurf den nächsten Biss. Der Fisch fühlt sich nicht groß an - erst denke ich an eine Bachforelle - beim ersten Sprung sehe ich aber, dass dieser Fisch über 70cm lang sein muss. Leider verliere ich ihn bei der nächsten Flucht. Fliege geprüft und weiter gefischt! Und wieder hake ich eine Meerforelle, die ich dieses Mal landen kann. Etwas über 60cm lang, silber und in beeindruckenden Zustand – nach einigen Fotos darf sie weiterschwimmen. 
Der beschriebene Fisch
Nach diesem Fisch fange ich hier keine weiteren, aber dies ist so typisch am Húseyjarkvísl – findet man die Fische, fängt man oft mehrere in kurzer Zeit.
Um die Mittagszeit bekommen wir Besuch vom Pächter dieses Flusses. Auch Fliegenfischer und Guide auf Island, fahren wir mit ihm an den Oberlauf des Huso an die Lachsbeats. Diese dürfen vor dem 25. Juni nicht befischt werden. Der Charakter des Flusses verändert sich hier deutlich: der Huso ist nicht mehr so breit und schwarzen Vulkansand gibt es hier nicht mehr. Stattdessen kiesigen Untergrund und perfekte Strömungsverhältnisse, um eine Lachsfliege oder kleine Hitchtube ‚swingen’ zu lassen.
An den Lachsbeats des Húseyjarkvísl
Obere Grenze des Huso und der Lachsbeats ist ein ca. 20 Meter hoher Wasserfall, den die Wandersalmoniden nicht mehr passieren können. 
Der Wasserfall zwischen Huso und Svartá
Oberhalb des Wasserfalls nennt sich der Fluss Svartá und fließt aus den Bergen entspringend abwechslungsreich durch Felsencanyons über Wiesen mit tiefen Pools bis zu eben diesem Wasserfall. Hier gibt es natürlich keine Lachse und Meerforellen mehr, dafür aber Bachforellen. 
Der Pächter erzählt uns, dass der Huso vor zehn Jahren durch übermäßige Fischentnahme ziemlich heruntergewirtschaftet war. Durch die Einführung von konsequentem Catch & Release hat sich der Fischbestand deutlich erholt. Wurden an den Lachsbeats mit den zwei bis drei Ruten vor zehn Jahren nur noch 30 Lachse pro Saison gefangen, stiegen die Zahlen in den letzen Jahren bis auf knapp 300 Fische an. Vergleicht man dies mit den weltbekannten, „glamourösen“ Lachsflüsses Islands, wird man feststellen, dass dies auf die Rute gerechnet ähnlichen Fangzahlen entspricht. Die Entwicklung des Meerforellenbestandes ist ähnlich: vor zehn Jahren wurden mit den drei verfügbaren Ruten kaum noch Meerforellen gefangen, nun sind es mehrere hundert im Jahr. Fänge mehrerer Fische am Tag sind nichts Außergewöhnliches (s.o.), und jedes Jahr werden im April sowie im September große, silberblanke Meerforellen bis zehn Kilogramm Gewicht gefangen. Außerdem gibt es Bachforellen, die man hier ab Mai mit Nymphe und Trockener befischen kann.
Nach diesem Ausflug fahren wir wieder zurück an die Meerforellenbeats. Gerade der Nachmittag ist eine gute Zeit laut Aussage des Pächters, also geht’s aufgeregt zum nächsten Pool. Mit ein paar Tipps auf dem Weg steuern wir den Unterlauf des Flusses an, um einige uns unbekannte Pools auszuprobieren. Beim Waten durch den Fluss entdecken wir durch Zufall eine kleine Rinne, die es in sich hat. In der nächsten Stunde haken wir sechs Fische, von denen wir vier landen können. Alles schöne Fische bis über 70cm.
Kurz vor der Landung an besagtem Pool
Einer der vier gelandeten Fische
C&R ist Pflicht!
Großer Frühjahrsspringer
 
 

Mein Freund verliert einen Fisch nach zwanzigminütigem Drill, ohne ihn einmal gesehen zu haben... Meerforellenfischen ist seine Leidenschaft und ihm stehen die Tränen in den Augen. Wie groß mag dieser Fisch gewesen sein? 
Auffällig bei den Huso-Meerforellen ist ihr enormer Konditionsfaktor. Die Aufsteiger kommen dick und rund gefressen in den Fluss und große Fische sind kaum zu bändigen. Die Fische bleiben nicht in ihren Pools, sondern flüchten weit stromab bis ins Backing. Viele Isländer ziehen die Meerforellenfischerei der auf Lachs vor, sicher wegen dieses Umstands und der knallharten Attacken der Fliege. 
Ich bekomme dies an einem weiteren Pool im Unterlauf an unserem letzten Tag zu spüren; Wurf um Wurf an  einem langen, tiefen Pool vergeht ohne einen Kontakt. In den vergangenen Tagen hatten wir hier nur einen Fisch gefangen, und mein Plan ist diesen Teil schnell durchzufischen. Kurz bevor ich die Rinne abgefischt habe, spüre ich einen vorsichtigen Biss und Sekunden später explodiert das Wasser – eine große, blanke Meerforelle springt und wälzt sich an der Oberfläche. Hoffentlich hält der Haken... Der Fisch stürmt sofort flussab und ich kann ihn vom höhergelegenen Ufer recht gut kontrollieren...


Weiterer Fisch aus dem Pool
Der einzige gefärbte Fisch des Trips, eine tolle Meerforelle von 68cm Länge
Drill des großen Fisches am höhergelegenen Ufer
Meine Freunde sind auf der anderen Uferseite und der Kescher liegt in der Lodge ... Große Fische beißen immer, wenn der Kescher nicht zur Hand ist! Ca. 150 Meter stromab vom Pool kann ich den Huso queren und nach bangen zehn Minuten die Meerforelle stranden. 
Endlich kommt sie ans Ufer...
Ein absoluter Traumfisch: 74cm lang, 41cm Bauchumfang, silberblank und in atemberaubenden Zustand!
Autor mit dem großen Fisch
Was für eine Meerforelle!
Ein isländischer Meerforellenspringer wie aus dem Bilderbuch. Ich bin begeistert!

Nach diesem Fisch beenden wir den Tag mit gegrilltem Saibling und ein wenig Entspannung im Hot Tub vor der Lodge. Ich hatte bereits gehört, dass 2011/2012 ein Solarmax-Winter war, der im Schnitt alle elf Jahre auftritt. In diesen Wintern kann man besonders viele Nordlichter sehen. Und selbst jetzt, Ende April, tauchen sie noch einmal auf. Über mir schimmern und bewegen sich Nordlichter in verschiedenen Größen und Formationen. Ich bin vollkommen fasziniert und schaue dem Schauspiel aus dem Hot Tub zu, bevor ich müde und glücklich ins Bett falle und mich für die anstehende Heimreise ausruhe.
***


Kleiner Datenblock / Meerforellen- und Lachsfischen in Island:
- Buchungsmöglichkeiten: (http://www.pukka-destinations.com)
- Grundsätzliches / Wissenswertes über Island (KLICK)
- Anreise: mit Flugzeug oder Fähre
- Offizielle Tourist-Informationsseite Island (KLICK)
- Angling.is / Federation of Icelandic River Owners (KLICK)
- NASF / North Atlantic Salmon Fund (KLICK)
- S.V.F.R. (THE ANGLING CLUB OF REYKJAVIK) (http://www.svfr.is)
- LAX-A, Reykjavik (http://www.lax-a.net)
- im Fliegenfischer-Forum erschienene Island-Reiseberichte:
- Island 2011 | Ein Reisekurzbericht von Andreas Eckl
- Island 2007 - Im Auge des Stiers - Frühherbstliches Fliegenfischen in Island | Ein Reisebericht von Marcus Ruoff
- Breidalsa, Minnivallalaekur, Grenlakuer - Fischen in Island | Von Christoph Meyer
- Achtung: Lachsangelgerät-Desinfektionspflicht in Island beachten! (KLICK)




© Ein Beitrag und Fotos von Carsten Dogs für www.fliegenfischer-forum.de - August 2012.
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