Island 2007 
Im Auge des Stiers | Frühherbstliches Fliegenfischen in Island 
Ein Reisebericht von Marcus Ruoff | Fotos von Géza Aschoff und Marcus Ruoff

„Saiblinge zu fangen ist nicht schwer. Von allen Fischen die ich kenne, sind sie die beißfreudigsten. Diese Eigenschaft ist manchmal sehr willkommen, weil selbst die isländischen Lachse Tage haben, an denen sie nicht beißen wollen. Die Saiblinge hingegen sind immer bereit, es mit den Anglern aufzunehmen. Allein aus diesem Grund sind sie ein sehr großer Gewinn für jeden Fluss, den sie bevölkern. Sie heben die Moral jedes entnervten Lachsanglers, der eine Zeit des Misserfolgs hinter sich hat.“
(Major R.N. Stewart: Rivers of Iceland (1950))

Über 50 Jahre ist es her, dass der exzentrische, englische Lachsfanatiker Major Stewart diesen Hinweis in seinem legendären Buch verfasste. Bis heute hat er recht: Saiblinge sind der Brot- und Butterfisch Islands in den Tagen nach den großen Lachsaufstiegen. Denn ab Mitte August wird es ruhiger an den Lachspools. Die reisefreudigen Fliegenfischer aus Übersee werden mehr und mehr von waschechten Isländern ersetzt. Ob Einheimischer oder Fremder, alle einte 2007 eine Tatsache: der fast katastrophale, regenarme Sommer 2007 machte Fischen und Fliegenfischern schwer zu schaffen.

Vielen „Normaltouristen“ brachte er unfassbar sonnige, praktisch regenfreie Wochen in Mai und Juni. Den erfolgsverwöhnten, lachshungrigen Ein- und Zweihandrutenschwingern erschwerte er jedoch gleichzeitig aufgrund der niedrigen Wasserstände (und dadurch ausbleibenden Aufstiege) das Leben. 
Damit kann man ein großes Fazit aller Reisen gleich hier am Anfang vorwegnehmen: Fischen bleibt Fischen, nichts ist berechen- oder gar fest planbar.

Man muß als Angler einfach mit den Launen der Natur leben und sie annehmen wie sie sind. Sei es während einer teuren (und im Falle von 2007 eben extrem trockenen und damit fischereilich schlechten) Hauptsaison oder in der normalerweise schwierigeren Nachsaison (wobei 2007 in Island für viele aufgrund der Witterung die Nachsaison die eigentliche Hauptsaison war und das zu wesentlich günstigeren Preisen!). Eine Garantie für tolles Wetter und tolle Fänge ist niemals im Gepäck dabei.
Aber wem sage ich das hier? Sie sind ja alle gestandene Lachsangler.

Trotzdem gilt immer und bei jedem Angeltrip: machen Sie das Beste draus!
Das taten auch wir. 
Unser Reiseplan beschränkte sich dieses Mal auf die Unterläufe einiger bekannter Lachsflüsse im Nordwesten Islands und einen reinen Forellenfluß in der Hoffnung, den einen oder anderen Lachs neben den unglaublich schönen Bach- und Meerforellen zu erwischen. 
Ach ja und da wären ja noch die bereits angesprochenen Saiblinge. „50 Stück in 2 Stunden habe ich am Midfjardara gefangen! Man muß sie zu dieser Jahreszeit nur finden. Sie vertragen sich mit den Lachsen nicht. Sie suchen sich lieber eigene Pools in denen sie sich sammeln. Hat man sie mal gefunden, geht es Schlag auf Schlag!“. 
Das sagt einer der es wissen muß: Arni Baldursson, Lachsfanatiker, Fliegenfischer extraordinaire und Besitzer des genauso berühmten Angling Club Lax-á. 

Was er schon gar nicht mehr erwähnt ist die Tatsache, dass alle Forellen und Saiblinge in Island 100%ige Wildfische sind! Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn ich einen Fisch fange, von dem ich weiß, dass es ein echter (!) Wildfisch ist, wird mir, Verzeihung, ganz warm ums Herz.  Was haben die nur durchgemacht in ihrem kurzen Leben! Abstieg ins Meer, vorbei an gefrässigen Raubforellen, im Meer gierige Robben, meterlange Meeresfische, die endlose Weite, Futter finden, zusammenhalten. Dann wieder zurückfinden irgendwann, Aufstieg mit unendlicher Mühe, ablaichen usw. Direkt erfurchtgebietend! Und so geht es mir wie vielleicht vielen anderen, wenn sie so einen kleinen (oder manchmal auch großen) Kerl an der Angel haben. Man sieht ihm die Wildheit an, die Kraft die in jeder Muskelfaser steckt, die reine klare Form, die kühlen aber intensiven Farben, das Unverbrauchte. 
Und all das findet man nur knapp über 3 Flugstunden von Zentraleuropa entfernt. Das soll Island mal einer nachmachen!
Aber zurück zum Wesentlichen. Der erste Nachmittag am Galtalaekur, einem bekannten Forellenbach bringt leider nicht viel ein. Forellen bis 17 Pfund werden jedes Jahr an diesem Mini-Fluß gefangen. Kristallklares Wasser und mieses Wetter machen den Fluß aber maxi-schwierig an diesem Tag. Gesehen haben wir sie, die Riesen vom Galtalaekur. Aber fangen?! Das war uns an diesem Nachmittag nicht vergönnt.
Egal, das war erst der Anfang und wir wohnten ja schließlich in der West-Ranga-Lodge. Und am Ranga ist 2007 ein Rekordjahr. Über 12,000 Lachse werden es am Ende der Saison aus dem Ost- und West-Ranga sein, was das System zu einem der lachsträchtigsten der Welt macht. Das macht alleine das Zuschauen spannend. Obwohl wir andere Pläne haben und hier nicht fischen werden, beweist uns der Fluß am nächsten Morgen, dass er randvoll mit Lachsen ist. Innerhalb einer halben Stunde werden wir Zeuge zweier stattlicher Lachsfänge aus dem Hauspool der West-Ranga-Lodge. Zwei Fliegenfischer fangen gar 18 Lachse an einem Tag! 2007 fast schon nichts besonderes mehr. Und das alles in Blickweite von weltbekannten Vulkanen und Gletschern wie Europas grösstem, dem Vatnajöküll
Schwer, da seiner vorgeplanten Route zu folgen! Aber es muß sein. Für uns ist persönliches Neuland das Ziel. Die Rangas (Ost- und West) hatten wir bereits 2001 kennen und lieben gelernt. Der sagenumwobene Víðidalsá im Norden ist zunächst unser Ziel. Ein echter Allrounder: hier kann oder besser gesagt muß man Lachse erwarten und fängt ganz nebenbei oder auch gezielt meerwandernde Saiblinge oder Bachforellen mit Gardemaß. Und die Umgebung, glauben Sie mir, die ist speziell:
Sagen, Elfen und Kobolde sind in Island Teil des alltäglichen Lebens und Glaubens. Das kann Ihnen der Elfenminister im isländischen Umweltministerium sicher bestätigen! Keine wichtige Baumaßnahme findet ohne seine Konsultierung und Erlaubnis statt! Auch der Víðidalsá ist Heimat eines echten Geistes! Er heisst Þorgeirsboli (sprich Thorgeirsboli), haust direkt am Berg Rauðkollur neben dem Víðidalsá und ist so gar kein Netter. 
Die Saga um den Geist lautet wie folgt:
Der Bauer Þorgeir (sprich Thorgir) war sehr verliebt in eine junge hübsche Frau, doch diese erwiderte seine Liebe nicht. Aus lauter Verzweiflung und Frust über die unerfüllte Liebe verhexte er einen Stier in einen bösen Geist. Diesen sandte er zu seiner Geliebten die kurz darauf tot aufgefunden wurde.
Noch heute tobt Þorgeirsboli über dem Tal und die Einwohner schwören, dass man immer nur den Kopf des Stiers zu sehen bekommt. Dies liegt wohl daran, dass der Bauer lediglich den Kopf des Stiers zum Geist verwandelt hat!
Zum Glück fängt man aber unter dem Berg Rauðkollur keine halben Lachse oder nur Saiblingsköpfe! Ich kann es bestätigen! Die Fische gehen einem dort tatsächlich am Stück und in voller Länge auf Nymphen (Größe 12-16, Gold- oder pinkfarbener Tungstenkopf für Saiblinge, Wooly Bugger bzw. gängige Lachsfliegen wie Frances und Snaelda für Lachse und Forellen). Die einzelnen Beats sind sehr abwechslungsreich und fordern verschiedene Techniken und Flexibilität vom Angler. Daher kann es notwendig werden an einem Pool klassische Lachsfliegen auf Lachse zu fischen und am nächsten bereits auf feine Vorfächer und Nymphe für Saiblinge umzustellen (Sie wissen ja: Lachse und Saiblinge mögen sich nicht...). Hat man die Saiblinge einmal gefunden, kann man Sternstunden an der leichten Einhand- oder Zweihandrute erleben. Ein älterer Herr aus Frankreich, der mit uns den Norden bereiste, hatte eine solche Sternstunde und fing innerhalb kurzer Zeit trotz körperlicher Limitationen und Wurfschwierigkeiten bei dem vorherrschenden starken Wind (ja Island ist eine Insel und der Víðidalsá liegt nahe am Meer!) 16 starke Saiblinge bis 6 Pfund. Das ist, wenn man einen guten Saiblingsrun erwischt und an den entsprechenden Stellen fischt, durchaus Durchschnitt.
Und läuft es mal nicht, kann man mit etwas Glück auf wahrhaft autoritäre Hilfe hoffen: trotzdem, dass unser Beat am Víðidalsá am Ende eines nicht gerade einfach zu befahrenden, längeren Allrad-Wegs lag, liess es sich der lokale Polizist nicht nehmen uns zu besuchen. Die Erlaubnisscheine waren schnell kontrolliert. Viel wichtiger war ihm, ob wir schon etwas gefangen hatten! Er selbst fischt nämlich sehr häufig in diesem Beat, wie sich herausstellte und konnte uns einige wertvolle Tipps geben. Er war zwar ein reiner Zweihandfischer (der Víðidalsá ist in der Tat ein klassisches Zweihandgewässer, lässt sich aber, wie wir es auch
praktizierten, gut mit der leichten Einhand befischen), doch profitierten wir von seinem präzisen Platzbeschreibungen. Auch Þorgeirsboli hatte wohl ein Einsehen mit uns, schenkte er uns doch einige der wunderschönen, wilden Bachforellen und sogar Lachse während der schönsten Stunden, die wir bei diesem herbstlichen Trip erlebten. Für kurze Zeit tauchte wohl er den Víðidalsá und die umliegenden Berge in surreales gelb-orangenes Licht. Zu dieser Zeit hätte es mich nicht gewundert, wenn uns Trolle oder Elfen aus ihrem Versteck beobachtet hätten, um die Bachforellen bewundern zu können, deren stahlblauer, kalter Unterton so gut zu diesem Fluß, den Wasserfällen, dem scharfkantigen, kühlen Gewässergrund und zum herbstlichen Wetter passt.
Ja, das Wetter in Island. Das könnte Bücher füllen. Bücher voll Frust und schlechter Laune! Zum Glück sind wir Fischer und nicht aus Zucker! Zwar kann man natürlich auch im Herbst mit viel Glück auf wirklich schöne Tage hoffen. Es kann aber auch stürmen und wie aus Kübeln giessen. Wie bei unserer Reise! Da muß man schon eine, wie ich sie nenne, „Bergsteiger-Menthalität“ mitbringen. So nach dem Motto „ich hab mir zwar die Zehen abgefroren und habe mich noch nie in meinem Leben so miserabel gefühlt, aber ich würde sofort wieder hochsteigen“. Ich denke jeder Lachsfischer oder sagen wir Fischer der nördlichen Breitengrade weiß wovon ich spreche. Ein geschätzter Kollege aus England titulierte den Satz, der an jedem Lachsfluß in Stein gemeisselt gehört: „Ich war so froh, als ich endlich genug davon hatte!“.
Getreu diesem Motto warfen wir uns am nächsten Tag trotz Orkanböen, peitschendem Regen und Hochwasser in unsere klammen Wathosen. Ziel war der Nordura, noch so ein Saiblingsgewässer, in dem erst die letzten Jahre Saiblingsstämme entdeckt wurden, die selbst für isländische Verhältnisse riesig sind. Bis über 12 Pfund schwer werden diese „Monster“ und machen damit ihren nordamerikanischen Kollegen Konkurrenz. Nun was soll ich sagen. Der Tag war ein totaler „Blow-out“, Werfen und normales Fischen aufgrund des Orkans Fehlanzeige. 
Am Ende des Tages waren wir dann wirklich froh „genug davon gehabt zu haben“ und zurück zu unserer Unterkunft, einer bei Reittouristen beliebten, sehr annehmlich eingerichteten Pferdelodge zu kommen. 
Aaah, Island und seine Hot-Pools. Die machen so manche anglerische und meterologische Schmach wieder wett. Aber stellen Sie Sich vor, was es zum Abendessen gab! Pferdefleisch!! Das ist so ungefähr, als ob man einem Hundezuchtverein zum Jahrestreffen Hund in verschiedenen Variationen vorsetzen würde. Andere Länder, andere Sitten! Für Islander ist es ein aus jahrhundertealter Tradition und Zwangslage entstandenes Selbstverständnis, Pferde auch zu essen. Wir haben das Pferdefleisch natürlich probiert und die dezenten Würgegeräusche unserer Reiterkollegen am Nachbartisch ignoriert...

Nächster Tag gleiches Bild. Wetter vom allerschlechtesten. Aber wir halten durch. Auf zum Midfjardara, einem der bekanntesten und schönsten Gewässer Islands mit einer fast adligen Historie. Vor allem die im Mittellauf liegende Schlucht ist von einer anderen Welt! Wie wir hören fangen sie dort Lachse wie auf Knopfdruck: 150 Stück in 3 Tagen laut Bericht aus der Zentrale in Reykjavik. Kaum zu glauben, aber wohl wahr. Wie schön, wenn noch eine Rute dort oben frei wäre...aber wir waren ja schon vor ein paar Jahren dort...
Immerhin fangen wir auch so unsere Saiblinge im Unterlauf. Nun ja, ein schwacher Trost, wenn ein paar Kilometer weiter oben der Lachs-Punk abgeht, aber so sind die Regeln und wir machen das Beste daraus...

Sie sehen, Island im Herbst kann unberechenbar sein, kann eine Geschichte sein wie diese, von Erfolgen und Misserfolgen, von gutem und schlechtem Wetter, tollen Fischen und totalen Schneidertagen. Unbestreitbar jedoch ist der persönliche Erfolg jedes Angeltrips, der sich nicht in Zahlen messen lässt. Jede Reise für sich ist ein persönlicher Gewinn, eine Möglichkeit eigene Grenzen zu erleben, die Schönheit im Kleinen zu erkennen und, im Idealfall, kurze Glücksmomente zu erfahren, die einem niemand mehr nehmen kann. Island im Frühherbst bietet viele dieser Möglichkeiten. Und das für islandgünstiges Geld! Man muß es nur ausprobieren! Unter dem wachsamen Auge des Stiers!
INFOS
Gerät/Ausrüstung für die genannten Gewässer
Einhand: Gespliesste (in meinem Fall eine schöne dreiteilige Light-Salmon Garrison-Taper 8,5ft #7/8) oder Kohlefaser Schnurklasse 6, 7 oder 8.
Zweihand: 12,5ft oder länger Schnurklasse 7 oder 8 oder wenn Sie haben sogar leichter in 5 oder 6.
Detaillierte Informationen zu den genannten Flüssen erhalten Sie direkt vom Angling Club Lax-á (www.lax-a.is):
The Angling Club Lax-á, Lax-á House, Vatnsendablettur 181, 203 Kopavogur, Iceland, Tel +3554 557 6100 – fax +354 557 6107 oder 6108, Email: info@lax-a.is

Geräte-Desinfektion: Bei der Einreise nach Island wird für Angelgerät eine Desinfektionsbescheinigung verlangt, um die Einschleppung von Fischkrankheiten zu vermeiden. Die Desinfektion sollten Sie vor Reiseantritt von Ihrem heimischen Tierarzt durchführen lassen. Er stellt Ihnen auch die benötigte Bescheinigung aus. Mit entsprechender Wartezeit und erhöhten Kosten können Sie auch direkt am Flughafen in Keflavik Ihr Gerät desinfizieren lassen.

Empfohlene Literatur
1. The Rivers of Iceland; General R.N. Stewart; 1950 (vergriffene aber immer noch ausgezeichnete Rarität über die Lachsflüsse Islands)
2. Am Gletscher; Halldór Laxness
3. Straßenkarte Island; Maßstab 1:500000
4. Flyfishing in Iceland: Loftur Atli Eiríksson, Lárus Karl Ingason
5. Fishing flies of Iceland: Lárus Karl Ingason

Text: Marcus Ruoff (maruoff@yahoo.de)
Bilder: Géza Aschoff und Marcus Ruoff (aschoffotografie.de)


Ein Bericht von Marcus Ruoff  für www.fliegenfischer-forum.de
Das unerlaubte Kopieren und Verbreiten von Text- und Bildmaterial aus diesem Bericht ist verboten.

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