Sehnsucht Patagonien
Teil 1/3: Willkommen am Ende der Welt!
Ein Reisebericht von Jupp Carda
2019 und 2020 hatte ich schon mal das Glück auf beruflichen Bahnen einen kleinen Umweg einzuschlagen und meine Füße in die wilden Flüsse Chiles stellen zu dürfen. Damals allerdings noch hauptsächlich mit der Spinnrute. Im Januar des Jahres 2025 war es dann endlich mal wieder so weit. Drei volle Wochen, diesmal mit meiner Frau und jeder Menge Spielzeug für das schönste Hobby der Welt.

Da wir beide eine schöne Zeit erleben wollten, stand das Fliegenfischen natürlich nicht im Vordergrund, was zugegebenermaßen nicht ganz einfach für mich - und auch meine bessere Hälfte - war. Aber letztendlich sind wir beide auf unsere Kosten gekommen und waren sicherlich nicht das letzte Mal an diesem wunderschönen Fleckchen Erde. 

Die Anreise erfolgte mit Latam von Frankfurt über Sao Paulo, Santiago de Chile und weiter nach Punta Arenas. Plan war eigentlich, von da aus Richtung Norden zu fahren und den Rückflug von Puerto Montt aus anzutreten. Allerdings hatten wir uns relativ spät um einen fahrbaren Untersatz gekümmert und nach einigem Bangen unsere Route um 180° gedreht. Also nach dem ewig langen Ritt und einer kurzen Nacht erneut zum Flughafen … naja eher Flugplatz von Punta Arenas und wieder ein Stück zurück nach Puerto Montt, bzw. Varas, wo unser neues Zuhause schon auf uns wartete. Im Nachhinein würden wir wohl erstmal nur den Flug nach Santiago buchen, dann die lästige Suche nach dem passenden Auto abschließen und erst danach den finalen Flughafen wählen. Oder sich nicht erst kurz vor knapp kümmern.

Unser Auto hatten wir über Wicked gebucht. Als die vor zig Jahren anfingen Camper zu vermieten, waren es die reinsten Schrottkarren. Dafür aber relativ günstig und für arme Backpacker, die nach der Schule die Welt erkunden, eine erschwingliche Möglichkeit sich auch für wenig Geld ein paar Räder unters Bett zu schnallen. Das mit den Schrottkarren ist mittlerweile Vergangenheit, im Preisvergleich mit anderen Anbietern haben sie aber weiterhin die Nase vorn. Auch was Kommunikation und Service angeht, kann ich an der Stelle nur Gutes sagen. Über WhatsApp praktisch 24/7 erreichbar – solange man Netz hat – und zumindest die kleinen Problemchen, die zwangsläufig irgendwann auftreten, konnten alle von unterwegs aus geregelt werden. 

Aber nun zum Eigentlichen…

Am Freitag, 25.1. hatten wir am späten Nachmittag dann endlich unsere bescheidene Hütte übernommen und konnten den Weg nach Süden antreten. Für den ersten Grenzübergang war es schon etwas spät und so entschlossen wir uns lediglich ein paar Vorräte zu besorgen und ein schönes Fleckchen am Wasser zu suchen. Die Angellizenz für Chile ist mit ca. 40€ pro Monat und dem, was einem dafür geboten wird, unschlagbar günstig. Sie gilt im gesamten Land und kann ganz einfach online bestellt werden. Eigentlich. Die Praxis sieht leider etwas anders aus, denn im finalen Schritt kann man lediglich zwischen chilenischen Bankinstituten wählen. Kein Visa, kein Mastercard oder sonst ein Weg, für den gewöhnlichen Touri die Pesos weiter zu geben. Das hiesige Büro hatte natürlich auch schon längst Wochenende - Behörden aller Welt vereinigt euch - und somit ging es erstmal ohne Schein los. Aber halb so schlimm, der Wein schmeckt hervorragend und der Urlaub hatte gerade erst begonnen. 
 

Letzte Vorbereitungen abgeschlossen
Immer wieder aufs Neue beeindruckend. Landeanflug nach Santiago de Chile
Chilenischer Wein … mhhhh
Vulkan Osorno
Unser Zuhause und der erste Schlafplatz im Freien
Am nächsten Morgen war ich früh wach und über dem Rio Petrohué stand eine Wand aus Nebel, dazu blutrot angestrahlte Gipfel und vor allem … Windstille. Jeder der schon mal dort war, weiß, was für ein Luxus das ist. Ich konnte einfach nicht widerstehen, hab mich schnell in Schale geworfen und die Rute fertig gemacht. Da ich mir so oder so eine Monatskarte geholt hätte (und habe) war ich mit mir auch im Reinen, was die Lizenz angeht. 

Relativ verloren an so einem riesigen, wilden Strom habe ich erstmal nicht viel erwartet, aber nach ner Weile rumprobieren hat's dann doch geklappt. Und was für eine. So kanns gerne losgehen! Nach kurzem Fotoshooting ging es für sie schnell zurück ins Wasser und für mich überglücklich zurück zum Auto. 
 





Nach dem Frühstück fuhren wir nochmal kurz zur Autovermietung zurück. Ein Fehlercode im Bremssystem ließ uns keine Ruhe. Man versicherte uns, dass alles in Ordnung sei und sie lediglich den Code nicht löschen konnten. Der Umweg war nur ein paar Kilometer, dafür aber die Erleichterung groß. 

Nach einer kleinen Wanderung im Puyehue Nationalpark stand die erste Grenzüberquerung an und eine wunderschöne Fahrt über die Anden später, waren wir am frühen Nachmittag in Villa la Angostura auf der Suche nach einer Wechselstube und einem Fly Shop, der mir eine Lizenz verkaufen könnte. Beides Fehlanzeige und so suchten wir uns weiter nördlich einen Schlafplatz. Gar nicht so einfach an einem Samstagabend, aber am Largo Villarino wurden wir halbwegs fündig. Zumindest am Morgen hatten wir unsere Ruhe und die vielen Ringe auf dem See ließen die Finger schon ganz schön kribbeln. 

Aber erstmal zurück in die Stadt und das Nötige beschaffen. Pesos gabs zwar keine (Geld abheben ist in Argentinien keine gute Idee. Max 40 € sind möglich, bei einer Gebühr von ca. 8€ - wirklich kein gutes Geschäft) dafür hat es aber nach einer kleinen Odyssee mit der Lizenz im Internet geklappt. Mit 100€ pro Woche schon deutlich teurer als in Chile, aber immer noch voll okay.


Rio Gorgul im Puyehue Nationalpark


Niemandsland in den Anden. Die Grenzübergänge liegen hier über 30 km auseinander

Erster Morgen in Argentinien
Und überall ist Wasser


Da der Tag noch relativ jung war, durfte ich die ersten Kontakte mit den argentinischen Forellen verzeichnen. Am Rio Traful, einem Zufluss des Rio Limay, sollte es soweit sein. Diesmal auch endlich bei gewohnten 50+ km/h Windgeschwindigkeiten. Starke Strömung, aalglatte Steine und der unbarmherzige Wind machten jeden Schritt zu einem abenteuerlichen Unterfangen. Vom Werfen einmal ganz abgesehen. Aber irgendwie auch geil. Einfach kann ja jeder und die Kulisse dazu … awwww. Ich hatte noch nicht mal angefangen, da lag ich schon das erste Mal, und nur eine schnelle Reaktion konnte verhindern, dass die Rute nicht gleich den Fluss runter sauste. Aber es sollte keine 10 Würfe dauern, da hing schon die erste Regenbogner. Zwar kein Riese, aber ein schönes Abendessen. 

Da es ziemlich heiß war und ich nicht gleich zurück wollte, hab ich mir fix einen kleinen Kühlschrank aus Steinen gebaut. Diesmal auch mit Dach, denn 2020 klaute mir einst einer der großen Eisvögel meine Beute. 

Nach einigen Bissen dann ein ziemlich heftiger Einschlag, leider ohne Drill. Der Knoten vom Vorfachring hatte sich gelöst und samt Streamer verabschiedet. Sowas ist immer besonders ärgerlich, wenn der Fehler ohne Zweifel bei einem selber liegt. Naja. Die Gute wird ihn sicherlich schnell losgeworden sein, da ich ausschließlich ohne Wiederhaken fische. In meinen Augen selbstverständlich. Schnell einen neuen dran geknotet und weiter gehts. Die nächste war auch ne richtig Gute und wollte gar nicht so recht müde werden. Hab mich für ein kleines Video entschieden und wohl etwas zu lange rumgespielt, denn den Haken ist sie dann kurz vor meinen Füßen alleine los geworden. Aber halb so schlimm, sie hätte eh wieder schwimmen dürfen. Es folgten noch etliche Fehlbisse und eine weitere in Küchengröße, die sich zu der anderen gesellte, bevor es dann nach ca. 1,5h zurück zu Xenia ging. 

Am Auto angekommen, wurden schnell die 2 Fische in den richtigen Kühlschrank gepackt und noch eine geile Stelle etwas oberhalb anvisiert. 30min hatte ich ja noch. Auch dort konnt ich nochmal 2 schöne Fische haken, die allerdings beide nach einem strammen Drill ausgestiegen sind. Ich war dennoch mega happy. Nach einer kurzen Fahrt durchs Gelände fanden wir dann noch ein richtig schickes Plätzchen am Ufer des Rio Limay und freuten uns des Lebens.
 




Rio Traful
Lecker !



Schlafplatz am Rio Limay

Gleicher Fluss von Oben, etwas weiter stromaufwärts
Am nächsten Tag sollte es weiter Richtung Süden gehen, doch ein Waldbrand auf der Strecke durchkreuzte unsere Pläne. Nach einigem Hin und Her Überlegen, hatten wir uns dazu entschlossen, den Vortag quasi zu  wiederholen. 

Ein wenig Fischen am Rio Traful und schlafen am Rio Limay. Hat auch super funktioniert. Ich konnte noch ein paar schöne Regenbogen landen, die diesmal auch alle wieder schwimmen durften. 
 







Runde 2 am Rio Traful
Am nächsten Morgen gab es auch mal einen ernsthaften Versuch, im Rio Limay einen Fisch zu landen. Erst hatten sie nicht wirklich Interesse an meinen Fliegen, aber kurz bevor ich zum Frühstück umdrehen wollte, hat es dann doch nochmal ganz gut am anderen Ende der Leine gezogen. 

Sicherlich weit unter dem Potential dieses wunderbaren Flusses, aber ein willkommenes Sahnehäubchen für die Nudeln am Abend. 
 




Nun ging es erst einmal weiter steil nach Süden. Die wirklich schöne Landschaft entlang der Ruta 40 war teilweise leider sehr eingetrübt, denn überall hingen die Rauchschwaden vom Waldbrand in den Bergen fest. Hat zwar irgendwie auch was mystisches, aber der Geruch lud nicht wirklich zum längeren Verweilen ein. 
Bei Epuyen verließen wir dann die „Autobahn“ und machten einen Abstecher in der Nationalpark Los Alerces. Unser Quartier bezogen wir am Rio Carrileufu. 
Eine kleine Abendrunde brachte jeweils eine Regenbogen sowie auch die erste Bachforelle auf argentinischer Seite. Die kurze Runde am Morgen brachte zwar keinen Fisch, dafür bot sie ein herrliches Erwachen der Natur.
Lago Mascardi

Leider etwas eingetrübte Sicht
Typisches Dorf



Allgegenwärtige Begleiter: Guanakos





Fischen und Schlafen am Rio Carrileufu. Erinnert ein wenig an Montana.
Nach einem kurzen Plausch mit einem älteren Pärchen aus Jena, die am Abend zuvor noch in unserer Nähe ihr Lager aufgeschlagen hatten, ging es weiter in den Nationalpark. Auf eine kleine Wanderung, die kurz am Rio Rivadavia lang führte, durfte auch die Rute mit- und ausgeführt werden. Ich hatte mir einen schönen Pool zum Streamer werfen aussgesucht, doch nach wenigen Würfen gesellte sich ein Spinnfischer dazu und warf fleißig sein dickes Geschirr in meine Richtung. War ja auch weit und breit der einzige Spot… naja… ich habe dann den Klügeren gespielt und bin weiter den Fluss hinab gelaufen. Als ich so am Ufer entlang gehe und einen schönen, großen Schatten weghuschen sehe, war der Angeltrieb mal wieder geweckt. Kein Platz zum Werfen und ohne Plan, wie ich sie da hätte landen können, sollte mich dennoch nicht davon abhalten fleißig meine Fliegen durchzuprobieren. Kleine, große, Trockene, Nymphe, Streamer… hat alles nix genützt. Sie kamen immer nur neugierig gucken um dann kurz vorm Zupacken doch wieder abzudrehen. Es war wie verhext. Dafür hab ich meine 2 Fliegenboxen, die mir durch äußerst dämliche Dussligkeit ins Wasser gefallen sind, wieder bekommen. Gott sei Dank schwimmen die und sind in der kleinen Rückströmung um her getrudelt und nicht mit der Hauptströmung flussab auf Nimmerwiedersehen. 

Leider war inzwischen die ausgemachte Zeit schon längst überschritten und Xenia auch zu Recht ordentlich sauer, denn der heutige Plan war eigentlich noch nach Chile über zu setzen. Aber irgendwie hatten wir beide die Zeit etwas aus den Augen verloren und so entschieden wir uns für eine weitere Nacht in Argentinien, um den wirklich schönen Nationalpark genießen zu können. Also statt Stress und Hetze ein paar kleine Wanderungen entlang der riesigen Seen, die wiederum zu Flüssen werden um erneut einen noch größeren See zu bilden. 
 



Lago Rivadavia…
…der als gleichnamiger Fluss abfließt ...

Nach wenigen Kilometern staut er sich zum Largo Verde auf
Um dann mit dem Rio Mendez…

... den Rio Arrayanes zu bilden. Wochenlang könnte man hier wohl mit dem Fischen verbrigen und hätte dennoch nur an der Oberfläche gekratzt!
Alles klaro.

Kurz vor der Grenze schlugen wir dann an einem kleinen Bach unser Nachtquartier auf. Keine 5m breit, meist völlig zugewuchert und hauptsächlich ruhiges Wasser, aber hin und wieder gab es einen kleinen Wurfkanal und überall waren Ringe ohne Ende zu sehen. Zwar alles nur kleine Babyforellen, aber als Schneider wollte ich den Tag irgendwie auch nicht beenden. Also fix noch mal die Rute montiert und ne Trockene ans andere Ende gebunden. Hat dann doch ne Weile gedauert die richtige zu finden – eine Minnikleinste bestehend nur aus einem kleinen Hechelkranz – aber dann ging zu meinem Erstaunen ganz schön die Post ab. Die Gute war zwar nur knapp 30, aber gekämpft hat sie wie eine Große. Es folgten noch ein paar Kleinere, so wie ich sie erwartet hatte und damit war ich dann auch recht gut zufrieden. 

Als ich am nächsten Morgen zu meinem ersten Kaffe nach draußen wollte, stellten wir fest, dass der Hebel, der uns von innen die Kabine aufschließt, überdreht war und wir uns quasi eingeschlossen hatten. Geilo, schön in der Pampa, kein Netz und die einzige Hoffung auf Hilfe, dass irgendwann mal ein Angler vorbei kommt um uns aus dieser Misere zu befreien. Die Fenster waren ein Mü zu klein um hinaus zu klettern und an die Dachluke wollte ich auch nicht so recht ran. Es könnte ja auch mal regnen. Hab dann mit nem Korkenzieher/Dosenöffner die Abdeckung vom Schloss abgeschraubt und mit der Aterienklemme aus meinem Angelzeug den Hebel öffnen können. Was für ein Abenteuer am Morgen. Aber als es geschafft war, irgendwie auch cool und ein bisschen stolz war ich auch auf mich.

Nach dem Frühstück hab ich nochmal die Trockene geschwungen und eine Kleine nach der anderen gefangen. Die Fette, die ich beim ersten Kaffe in Freiheit vorbei huschen gesehen hab, war zwar nicht dabei, aber es war auch mal wieder cool, eine ordentliche Frequenz zu haben. 
 

MacGyver wäre stolz gewesen 

Rio Percy
Frühstück in Freiheit
Am Rio Futaleufú entlang ging's anschließend wieder zurück nach Chile in den gleichnamigen Ort. Vorräte auffüllen und vor allem auf Antwort von Wicked warten. Neben dem kaputten Schloss hatte nämlich auch unser Kühlschrank beschlossen zu streiken. Aber wie eingangs schon erwähnt, wurde uns recht schnell weitergeholfen. Nach etwa einer Stunde hatten wir einen Termin bei einem Mechaniker vor Ort. Der konnte zwar am Kompressor vom Kühlschrank nix machen, dafür aber unsere Tür reparieren. 

In der Zwischenzeit hatte ich es auch endlich geschafft, mir eine Lizenz für die chilenischen Gewässer zu besorgen. Die Touri-Info hatte nochmal bestätigt, man braucht eine chilenische Bankkarte, also quasi jemanden, der für einen bezahlt. Dazu bereit waren sie allerdings nicht. Bei einer Raftingfirma bin ich dann aber fündig geworden und ein netter junger Typ hat das Geld für mich überwiesen. Bei uns nahezu undenkbar, seine Bankdaten bei irgend jemand Fremden ins Handy einzugeben. 

Nach dem alles mehr oder weniger erledigt war – ein neuer Kühlschrank war auf den Weg nach Coyhaique – gings nochmal ein Stück nach Norden, Richtung Chaitén. Neben heißen Quellen und einigen Gletschern sollte dort auch besonders üppiger Regenwald auf uns warten. 
 


Im Rio Futaleufú sammelt sich das gesamte Wasser der letzten Tage und fließt Richtung Chile ab
Wer findet die berühmten Aufkleber aus einem der südlichen Bundesländer Deutschlands?
Vorgeschmack auf die nächsten Tage ...


Und nun freut euch Teil 2/3 dieses bildgewaltigen Traumreise-Abenteuers: "Durch Chiles Patagonien", den ihr hier findet:


Ein Bericht von Jupp Carda für www.fliegenfischer-forum.de - Juli 2025. Fotos/Copyright: Jupp Carda. Das unerlaubte Kopieren und Verbreiten von Text- und Bildmaterial aus diesem Bericht ist verboten.
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