Hallo Peter,
aufgrund einiger PNs, kann ich dir berichten, dass es noch etliche Pansen/Kutteln/Flecke-Liebhaber hier im Forum gibt - der Tisch kann also schnell voll werden.
Gerichte mit Innereien haben in unserem Kulturkreis eine sehr, sehr lange Tradition, aber das weißt du ja bestimmt. Für die anderen (vor allem die norddeutschen Skeptiker und einen österreichischen Kollegen, den ich hier nicht nennen will) habe ich da noch einige Sachen gefunden:
Herkunftsgeschichte:
Kutteln/Flecke/Schampe als Mahlzeit sind schon bei Homer erwähnt. Die griechischen Kokoretsi (Innereien vom Lamm mit Kutteln, am Spieß gebraten) gehen angeblich auf die Opferschmäuse am Altar des Zeus zurück.
Erst als im letzten Jahrhundert Fleisch erschwinglich wurde, kam es aus der Mode, auch die Innereien zu essen, und Pansen-Gerichte bekamen den Ruf eines "Arme-Leute-Essens".
Saure Kutteln sind z.B. eine traditionelle badisch-schwäbische Spezialität, die sich zunehmend wieder einer hohen Beliebtheit erfreut. Ihr Pendant finden sie im Siegerland mit der "Schampe" und z.B. in Sachsen mit der süß-sauren Flecke.
Wissenswertes:
An sauren Kutteln scheiden sich die Geister. Deshalb werden sie von vielen Badenern und Schwaben als ein Prüfstein für "Neigschmeckte" (Zugezogene) angesehen: Isst er Kutteln oder isst er sie nicht...
Der Fleischverbrauch war im Mittelalter in der Regel höher als heute, auch beim einfachen Volk. Dies lag wohl daran, dass Fleisch im Prinzip das ganze Jahr über verfügbar war und nicht von Erntezeiten abhing. Die geschlachteten Tiere wurden nahezu vollständig verwertet; daher hat man Innereien früher häufiger verzehrt als heute.
Der mittelalterliche Beruf des "Flecksieders" (auch "Kuttler" oder "Kaldaunenkocher") ist heute ausgestorben; seine Arbeit übernahmen die Metzger: Die Flecksieder reinigten und brühten die Gedärme von Wiederkäuern, um aus den Mägen die Kutteln zu gewinnen. Wegen der "Unreinlichkeit" ihres Berufes waren sie, ähnlich wie die Gerber, in der Stadt nicht geduldet und mussten deshalb an den Stadträndern siedeln.
Aus der Geschichte des Klosters Alpirsbach im Schwarzwald wird folgende Anekdote berichtet: Als Kaiser Maximilian (1459-1519) einst das Kloster besuchte, fragte er jeden Mönch nach seiner Lieblingsspeise und ließ ihm diese zubereiten. Einer der Mönche wünschte sich "Ochsenkres", Ochsenkutteln. Der Kaiser amüsierte sich über diesen Wunsch: Der Mönch müsse wirklich ein hungriger Kerl sein, wenn er von den (üblicherweise verwendeten) Kalbskutteln nicht satt werde!
Wer "jemandem die Kutteln wäscht", der erteilt gerade einen deftigen Rüffel.
Für manchen schwäbischen Narren sind "Saure Kutteln" während der Fastnachtszeit ein unabdingliches "Muss", sie gehören dazu wie das Salz in die Suppe.
In der "Ilias" des Homer findet sich eine Beschreibung, wie man die "Kokoretsi" (siehe "Herkunftsgeschichte") zubereitet.
In Shakespeares Drama "Troilus und Cressida" macht sich der Held Thersites über Ajax mit den Worten lustig: "Dieser Lord - der Ajax, der seinen Verstand im Bauch trägt und seine Kaldaunen im Kopf - ich will Euch sagen, was ich von ihm denke."
Die Riesin Gargamella brachte nach elf Monaten Schwangerschaft ihren Sohn Gargantua zur Welt, nachdem sie sich an Kutteln überfressen hatte und von Blähungen gequält wurde - schreibt Francois Rabelais (um 1494 - 1553) in seinem satirischen Roman "Garantua und Pantagruel".
Du siehst, wenn wir heute immer noch diese einfachen, uralten Gerichte genießen stehen wir in einer sehr langen Tradition. Ich werde einige Portionen der original "Seeijerlänner Schampe" einpacken und die werden wir uns in Hamm schmecken lassen!
Gruß, Olaf