Hallo Bernd,
hab zunächst ganz vielen Dank für deine Ausführungen, die belegen, dass Du bemüht bist, anderen Mitgliedern hier im Forum eine echte Hilfestellung zu leisten, was Dich durchaus ehrt!
Deine Ausführungen beantworten meine Frage nicht, was – zugegebenermaßen – bei meiner eigenen Betrachtung meiner Fragestellung im Nachhinein daran liegt, dass ich die Frage (gelinde gesagt) ziemlich unklar formuliert habe.
Mir geht es darum, was an dem "180 Prinzip" so grundlegend sein soll, dass man überhaupt von einem Prinzip reden könnte.
Ich stelle die Frage deshalb hier im Forum, weil meines Erachtens gerade im Bereich der Wurflehre speziell beim Fliegenfischen ohne Hinterfragung Begriffe verwendet werden, die mit großer Wahrscheinlichkeit geeignet sind, einen Anfänger oder auch Fortgeschrittenen, regelrecht auf Irrwege zu bringen und eine Verbesserung der eigenen Wurftechnik geradezu zu verhindern, worüber wir uns mehr Gedanken machen sollten.
Wenn man den Begriff " Prinzip" in den Mund nimmt, dann bedeutet das, dass entweder
- eine Beobachtung als unabänderliches Gesetz oder auf dem Postulat eines Gesetzes definiert werden kann, indem beispielsweise eine Verhaltensregel einer anderen Verhaltensregel übergeordnet wird,
- oder, wenn sich eine bestimmte Wirkung auf die Konstellation bestimmter Faktoren zurückführen lässt, die in dieser Konstellation immer diesen gleichen Effekt hervorrufen.
Wenn also von einem 180° Prinzip die Rede ist, dann bedeutet das für den Leser oder Zuhörer, dass es sich um eine unabänderliche Verhaltensregel handelt, deren Verletzung zwingend einen Wurffehler produziert, bzw., andersherum, deren Einhaltung zwingend ein bestimmtes Ergebnis zur Folge hat. Er wird sich darauf einstellen, die Regel beachten, aber möglicherweise oder sogar höchstwahrscheinlich gleichwohl keine Änderung oder Verbesserung beim Erreichen seines Ziels (Verbesserung der Wurftechnik) feststellen können.
Fraglich ist nur, welches zwingende Ergebnis die Einhaltung des von Dir beschriebenen Prinzips hervorbringen soll, bzw., was herauskommt, wenn ich dieses Prinzip verletze?
Genau das ist es, was ich nicht verstehe und weswegen ich nachfrage, weil schließlich durchaus die Möglichkeit besteht, dass ich bestimmte physikalische Zusammenhänge nicht oder nicht richtig verstanden habe.
Hinter meiner Frage stecken folgende Überlegungen:
Gegen die Tatsache, dass es sich bei dem angeblichen 180° Prinzip überhaupt um ein Prinzip handeln könnte, spricht bereits, dass man trotz Einhaltung dieser Regel eine Unmenge an Fehlern begehen kann, wie z.B. dynamische Fehler, indem man die Flugschnur fehlerhaft beschleunigt.
Ferner spricht bereits das von einem Fliegenfischer im konkreten Fall verfolgte Ziel gegen die Tatsache, dass es überhaupt ein 180° Prinzip gibt. Wenn der Werfer nämlich z.B. dafür Sorge tragen möchte, dass eine Nymphe möglichst schnell im Wasser nach unten abtaucht, wäre die Befolgung dieser 180° Regel geradezu kontraproduktiv.
Wenn ich also durch die Verletzung des 180° Prinzips zu einem besseren Ergebnis gelangen kann, kann es sich m.E. im Umkehrschluss nicht um ein Prinzip handeln.
Die Hinweise auf Sexyloop, sonstige Videos oder die Tatsache, dass schließlich auch andere Fliegenfischerpäbste aus Amerika, Europa oder Asien meinten, ein Prinzip gefunden zu haben, macht die Aussage nicht richtiger, zumal die Motivation, die hinter solchen Lehren stehen, unbekannt ist und anderen Zwecken gedient haben mag. Ich will die Beiträge dieser Lehrer, die zur Entwicklung der Wurftechnik mehr beigetragen haben, als wir das wahrscheinlich je tun werden, auf keinen Fall schmälern, was aber nicht bedeutet, dass es auch gestattet sein muss, deren Aussagen hier und da einmal auf ihren Gehalt zu hinterfragen.
Um auf die 180° Regel zurückzukommen:
Wenn Du die Behauptung aufstellst, dass die Flugschnur dem Weg der Rutenspitze vor dem Stop zwingend folgt, dann reden wir von einem
Prinzip, weil diese Tatsache unabänderlich ist und erhebliche Folgen nach sich zieht.
Wenn Du mit Deinen Ausführungen (nur) die Behauptung aufstellst, dass die Verfolgung einer möglichst geraden Bahn der Rutenspitze vor dem Stop dazu beiträgt, dass die aufgewandte Energie zu einer größeren Beschleunigung der Flugschnur führt, gebe ich Dir uneingeschränkt recht, weil jeder Umweg der Rutenspitze Energieverlust bedeutet, indem die Flugschnur eben prinzipiell der Rutenspitze folgt (s.o.). Dann handelt es sich aber bei der 180° Regel nicht um ein Prinzip.
Wenn Du aber von einem 180 °Prinzip als solchem reden willst, musst Du das nachvollziehbar erläutern. Der Hinweis auf ein Video reicht da nicht.
Was den Gebetsroither Stil angeht, sollt man klar zum Ausdruck bringen, dass die Lehre von den Stopps bei 11 und 13 Uhr ausschließlich eine gute und plastische Hilfestellung für den Anfänger darstellt, weil diese Hilfestellung es ermöglicht, einen Anfänger mit einer groben Verhaltensweise in die Wurfmotorik einzuführen und ein Verständnis für das „Laden der Rute“ zu vermitteln, auf keinen Fall aber mehr!
Eine Regel oder ein Prinzip, geschweige denn, ein 180° Prinzip daraus zu machen, wäre m.E. bereits eine falsche Lehre weil
- der Vergleich der Rute mit dem Zeiger einer Uhr ohne weiteres dazu beiträgt, dass der „Lehrling“ eine unproduktive Scheibenwischerbewegung nachvollzieht, weil der Zeiger einer Uhr nun einmal um einen Punkt rotiert,
- die Lehre ganz oft dazu führt, dass Arbeitsweg der Rute mit deren Arbeitswinkel verwechselt werden,
- und schließlich, aber wesentlich, wohl die Zielrichtung des Wurfes sowie die Absicht des Werfers den geometrischen Punkt eines Stopps maßgeblich bestimmen, wie aus Deinem eigenen Beitrag ohne weiteres herauszulesen ist.
Ich lasse mich aber gerne eines anderen belehren, weil schließlich nicht auszuschließen ist, dass ich bestimmte Zusammenhänge falsch verstanden habe oder mir durch meine Instruktoren etwas falsches beigebracht worden ist. Schließlich verfügst Du als Instructor garantiert über weit mehr Erfahrung als ich.
LG Johannes
Ach, noch eins, das "Straight Line Path Principle" bedarf auch der Übersetzung und Erläuterung. das verstehe ich auch nicht.