carbo carbo und carbo sinensis

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Tom
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carbo carbo und carbo sinensis

Beitrag von Tom »

Hallo liebe Kollegen,
wiederholt habe ich den Streit zur Kenntnis genommen, dass der Begriff Wiederansiedlung des Kormorans ein Schmarren ist, weil ursprünglich der kontinentale Kormoran (carbo carbo) in Deutschland heimisch war und die aktuelle millionenfache Plage der chinesische Kormoran ist (carbo sinensis); also eine invasive Art. Was mich nun interssieren würde ist, wie diese Entwicklung beziehungsweise Zuwanderung stattgefunden hat und ob und inwiefern sich die Beutemuster dieser beiden Unterfamilien unterschieden. Nachdem es zum Kormoran so viele Seiten im Netz gibt, die einem in diesen Fragen nicht weiterhelfen, möchte ich euch um einen Link-Tipp bitten.
Mit freundlichen Grüßen
Tom
Siegfried.
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Beitrag von Siegfried. »

Hallo Tom,
in der aktuellen "Fischer & Teichwirt" (6/2011) ist ein Artikel von C. Olburs, dem derzeitigen Hauptvertreter der "Einfuhrherkunft" von sinensis. Die Sache ist aber recht umstritten, obwohl sie sehr plausibel aussieht. Um es zu prüfen, müsste man jedoch die Originalliteratur zurück verfolgen. Wir haben das schon mal kurz im Forum diskutiert und keiner, incl. meiner, wollte sich dem Zeitaufwand stellen. Wenn du das machen würdest und die Ergebnisse hier mitteilst, könntest du dir echte Verdienste und Dankbarkeit erwerben.

Falls du an die o.g. Zeitschrift nicht dran kommst, schick mir eine PN mit deiner "normalen" e-mail Adresse. Ich habe einen draft des Artikels und einen weiteren Text des Autors zum Thema als pdf Dateien, die könnte ich dir dann schicken.

Ceterum censeo C.c. esse delendam

C. Ato-Victoriapax
Fische sind zu schöne Geschöpfe um nur einmal bewundert zu werden
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Wolfgang Hinderjock
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Beitrag von Wolfgang Hinderjock »

Hallo Tom,

die Bezeichnung Phalacrocorax carbo "sinensis" wird oft irreführend benutzt, sie ergibt sich allein aus der Tatsache, dass dem Erstbeschreiber der Art nur ein ausgestopfter Balg eines chinesischen Fischerkormorans zur Verfügung stand.
Bei unseren lieben Piepmätzen hier handelt es sich um Phalacrocorax carbo.

Die Unterart Phalacrocorax carbo sinensis ist etwas kleiner mit leichtem Grünstich in der Gefiederfärbung und meist mehr oder weniger ausgeprägter weisser Kehle.

mfg
Wolfgang
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Tom
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Beitrag von Tom »

Erstmal danke für die raschen Antworten. Ich habe mich in der Zwischenzeit auch etwas kundig gemacht und folgende Infos erhalten, die aber ebenfalls nicht verbürgt sind: Ein mir bekannter Vogelkundler kennt die Geschichte, dass holländische Adelige im 17. Jahrhundert chinesische Kormorane eingeführt haben sollen, nachdem sie von der chinesischen Fischerei mit abgerichteten Kormoranen gehört hatten. Sie haben sich darunter wohl so etwa wie die Falknerei auf Fische vorgestellt. Das Ergebnis soll jedoch enttäuschend gewesen sein und die Vögel wurden freigelassen. Daraufhin sollen sich Exemplare der beiden Unterfamilien gepaart haben und mittlerweile sei genetisch kein Unterschied mehr feststellbar. MÖGLICHERWEISE hat der genetische Einfluss aber mit dazu geführt, dass aus dem felsenbrütenden Vogel ein Baumbrüter wurde, dessen Nachwuchs besser vor Fraßfeinden geschützt war, was die Ausbreitung begünstigt hat. Aber in diesen Geschichten steckt so viel Hörensagen und Informationen aus zweiter Hand, dass es offenbar sehr schwierig ist, verlässliche Quellen zu finden.
Just my two cents.
Mit freundlichen Grüßen
Tom
Bernhard
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Beitrag von Bernhard »

Hallo Tom!
Siegfried war so freundlich, mir heute den kurzen, auf Deutsch geschriebenen Artikel von Christer Olburs zu übermitteln. Ich habe mir darauf hin den umfangreichen Olburs-Artikel, der in englischer Übersetzung im Netz verfügbar ist, besorgt. Da sind auch sämtliche Literaturbelege für seine Theorien drin.

Da die Sache von hoher Brisanz ist, werde ich mich mit den Theorien bzw. Literaturbelegen dieses Herrn bei Gelegenheit auseinandersetzen. Dieser Artikel ist mit derart vielen langschweifigen Literaturzitaten gespickt, dass einem nach kurzer Zeit der Kopf raucht. Man gewinnt fast den Eindruck, dies wäre mit Absicht geschehen.

Ich kann und will also vorerst zu dieser Geschichte gar nichts sagen. Nur ein gründliches Studium der Originalbelege wird da Klarheit schaffen. Das wird zwar seine Zeit dauern, aber entweder man macht es gescheit oder man verbreitet weiterhin Halbwahrheiten.

Liebe Grüße,
Bernhard
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maggs
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Re: carbo carbo und carbo sinensis

Beitrag von maggs »

Hallo miteinander,

Tom hat mit seiner Frage nach einen LINK ein Problem aufgezeigt:
wir haben in D keine ordentlichen Infos zum Thema wie die südlichen Nachbarn:
http://www.oekf.at/Seiten/E3%20Kormoran ... rreich.htm (mein Tip)

Die sich ewig wiederholenden Diskussionen (auch hier im Board) zeigen den Bedarf!

Hier mal einige Brocken die ich mit zusammengesucht habe da ich mit der Darstellung der Vogelfreunde nicht zufrieden war.

Natürlich wird über die >Heimkehr< des Kormorans viel Unsinn geredet, viele der Gewässern die er heimgekehrt ist gab es vor 100Jahren gar nicht. Eeben darin liegt auch ein Teil des Problems.

Der Kormoran ist in Deutschland heimisch wie Reh, Dorsch, Seehund, Halsbandsittich oder der Waschbär. Das Problem mit >heimisch< liegt darin, das es an den Grenzen der Bundesrepublik festgemacht ist und Tiere umfasst die sich dort selbständig(!) über mehrere Generationen halten können. Deshalb sind auch der Waschbär, der Halsbandsittich - die ja zweifellos vom Menschen ausgesetzt wurden - inzwischen heimisch.
Das ist die derzeitige rechtliche Lage. Jegliche Diskussion über historische Vorkommen ist ein netter Beitrag zu Allgemeinbildung bringt uns aber nicht weiter. Auch Haarspaltereien über „ursprünglich heimisch“ „indigen“ oder „autochthon“ sind genauso fruchtlos. Und als invasiv werden nicht mal die Waschbären oder Nilgänse angesehen.
Deshalb ist es egal ob die ursprüngliche Art Ph. Carbo carbo war (der ist auch heute gelegentlicher Wintergast) oder Ph. Carbo sinensis (den wir jetzt als Brutvogel haben). Beide Unterarten lassen sich wohl nur anhand des Schnabelwinkels (…) und genetisch sicher Unterscheiden. Größe und Farbe sind wohl nicht so sicher.
JA der genetische Unterschied ist nachweisbar! Aber ebenso die aktuell stattfindende Vermischung der beiden Unterarten z.B. in den englischen Binnenkolonien. Da sich beide Unterarten bei der Würmeiszeit getrennt haben muss man sich fragen was sie so lange gehindert hat sich wieder zu vermischen.

In Meck-Pom gab es bereits ab den 1950ern eine Bestand an Kormoranen (der unter Kontrolle gehalten wurde und bei den Vogelfreunden gern und konsequent beim Bejubeln der Erfolge der Vogelschutzrichtlinie von1979 vergessen wird) - somit ist er bei uns eine heimische Art.

Das massive Vorkommen der Kormorane in Brandenburg von ca. 1780 bis 1880(?) ist belegt, ebenso die Bekämpfung der Vögel in Brandenburg und Norddeutschland.

Fontane schreibt zu BBG:
„Der Kormoran kam. Der Kormoran oder schwarze Seerabe, sonst nur in Japan und China heimisch, hatte auf seinen Wanderzügen auch einmal den baltischen Küstenstrich berührt und es am ›Werbellin‹ anscheinend am wohnlichsten gefunden. Denn hier war es, wo er sich plötzlich zu vielen, vielen Tausenden niederließ. ….
Die Fischer mühten sich umsonst, sie zu vertreiben. Es gab damals Kormorans am Werbellin, wie Fliegen in einer Bauernstube, und ein paar hundert mehr oder weniger machte keinen Unterschied. Auch der Forst litt, denn in manchem Baume hatten die Kormorans zehn Nester und es schien nicht möglich, ihrer Herr zu werden. Da ward endlich ein Vernichtungskrieg beschlossen. Alle Förster aus den benachbarten Revieren wurden herangezogen, das Gardejägerbataillon in Potsdam schickte seine besten Schützen und so rückte man ins Feld. Zuletzt waren Pulver und Blei stärker als die Kormorans, und sie blieben entweder auf dem Platze oder setzten ihren Zug in friedlichere Gegenden fort. Sind auch nicht wieder gekommen. Aber die Muränen auch nicht.“

→ widerspricht in etlichen der Darstellung der Vogelfreunde - oder?

Nach SCHALOW 1919 haben sich Kormorane ab dem ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts verstärkt in Brandenburg angesiedelt. In der Folge bildeten sich lokal riesige Kolonien... In den 1880er Jahren ist die Art in Brandenburg ausgerottet worden."

NAUMANN (…) beschreibt die Einwanderung der Art von der unteren Oder aus...
Obgleich uuser Kormoran an den Küsten des baltischen Meeres, besonders an denen des finnischen und botnischen Busens, seit Jahrhunderten bekannt war, so fehlt es doch an Nachrichten, daß er dort jemals und irgendwo in solchen Massen aufgetreten fei, wie in den neuesten Zeiten an einigen Stellen der deutschen Küsten dieses Meeres, namentlich in so schnell anwachsender Menge, wie hier. Vor seinem erwähnten Erscheinen auf Fühnen, scheint ein großer Zeitraum zu liegen, in welchem so etwas nicht vorgekommen ist; aller Welt war dieses damals etwas Neues und Unerhörtes.

Die einzelnen oder wenigen Kormorane, welche bis ins mittlere Deutschland kamen, hatten sich bloß verflogen, denn es geschähe zu allen Jahreszeiten; wir haben solche im Anfang des Juli, des September, im Oktober und andern Monaten erhalten, auch waren die meisten dieser bloß junge Vögel.

Auf den dänischen Inseln der Ostsee waren sie z. B. vor etwa 30 Jahren eine seltene Erscheinung; man hatte bis hierher nur zuweilen einen Einzelnen gesehen, als im Jahre I8IV zuerst so viele bei der Insel Fühnen erschienen und ihren Nistplatz in einer Waldung, nicht weit vom Seeufer, wählten, daß Jedem diese fremden Gäste auffallen mußten, deren Zahl in jedem Frühjahr in so starker Progression fortwuchs, daß nach 5, Jahren viele Tausend Brüten dort auskamen, daß man sie alles Ernstes verfolgen und zu vertilgen trachten mußte,

Linné hatte 1758 schon die Nominalart Pelecanus / Phalacrocorax carbo beschrieben.
Die („große“) Kormoranscharbe wurde damals von den beiden kleinen (Krähen – und Zwerg-) Scharben unterschieden.
1798 „entdeckt“ Blumbach (auch Shaw) seinen „Sinensis“ auf den Kupferstich, um diese Zeit als die Besiedlung in Brandenburg beginnt, werden dann noch weitere Kormoran-Arten benannt: verschiedene baumbrütende und mittelgroße...

Rohweder schreibt im "Vögel Schleswig-Holsteins" 1875:
Hat sich erst vor ca. 50 Jahren in unserm Lande angesiedelt, nistede bald in starken Colonien an mehreren Stellen der Ostküste, ist jetzt bis auf einige kleine Gesellschaften ausgerottet, die bald hier, bald dort sich Heimstätten suchen.

JÄCKEL 1860/80 : 'Systematischen Übersicht der Vögel Bayerns' als "seltene Gäst".)

Angaben zur Unterart sind eher selten wie hier:
Fürchtegott Grässner, Oberlehrer an den Franckeschen Stiftungen zu Halle, Vögel Deutschlands und ihre Eier, Halle 1860 . Die Kormoranscharbe. (Kormoran). C. cormoranus, Meyer. (Pelecanus carbo, Gmel. Linn.)
Hauptfarbe glänzend violetschwarz; Hinter kopf mit einem Federbusch; Kehle und Gegend hinter den Augen weiss; das nackte Gesicht olivenfarbig; Kehlsack grünlichgelb ; Schnabel dunkelaschgrau, Firste schwarz; Füsse schwarz. Länge 3 Fuss, Flügelspannung 5 Fuss. Besucht nur in strengen Wintern unsere Küsten und Binnengewässer.
„violetschwarz“ Beschreibt dann wohl den Carbo,...

BALDNER „Ein Scharff ist bey uns unbekannt und gibt deren nicht viele. Er ist der größte Wasservogel, der sich mit Fischen ernähret, es ist einer mit sampfden Federn, 7 Pfundt schwer, ist ein sehr fräßiger Vogel, wann er will genug fressen, muss er all Tag ein Pfundt Fisch haben... im Jahr 1649 am 4. November habe ich diesen Scharff geschossen.“

In dieser Zeit (so um 1600 ..1625 bis 1650) war die Kormoranfischerei am engl. und am franz. Hofe. „„Man kann diesen Vogel, jung ausgezogen, auch zum Fischfange abrichten und traf ihn sonst in manchen Falknerien an, besonders wo deren Wärter oder Falkonire Holländer waren, die ihn aus ihrem Vaterlande mitbrachten.“ (Naumann)

Laut Meyers Lexikon von 1894 brachten Holländer im 17. Jahrhundert die Technik des Fischens mit gezähmten Kormoranen aus Asien nach Europa
---> passt irgendwie nicht
Aber bereits um 1648 waren Kormorane Wintergäste in Böhmen – jedoch keine Brutvögel.

Gessner 1557 „So man diesen am Rhein bey uns siehet, sol es ein Zeichen einer grossen Kälte seyn, daß zu besorgen die Rehen erfrieren; ….“
→ also kein Brutvogel, kein regelmäßiger Überwinterer, in CH wird der K. heute als neue Brutvogelart angesehen..

Nach 1500 gibt es Beschreibungen der Jagt mit Kormoranen aus Italien …

Albertus 13jhd. „„In unseren Gegenden kommt ein schwarzer Wasservogel vor, der Fische in Flüssen und Meeren jagt und in diesen sehr großen Schaden anrichtet“, schreibt zum Beispiel Albertus Magnus im 13. Jahrhundert. „Er ist grau an Brust und Bauch und langsamen Flugs und bleibt lange unter Wasser, wenn er taucht, und er hat einen gezähnten Schnabel, so wie die Sichel eines Schnitters gezähnt ist, und mit dem hält er glitschige Fische fest, und er bewirkt, dass, wenn er auf einem Baum sitzt, die Zweige, auf die sein Kot fällt, dürre werden.“

-->> grau an Brust und Bauch – der kannte dann wohl nur die Jungvögel?

Hildegard von Bingen 12Jhdt. beschreibt „ die alkreya …. nimmt reine Nahrung … zu sich und frisst bisweilen sogar kranke Fische. Ihr Fleisch taugt als Speise weder für Gesunde noch für Kranke….“ keine genaueren Angaben
(Aber auch den Sagenvogel Greif, den Vogel Strauß, den Pfau, den Papagei und den Pelikan.)

Notker Labeo um 1000
„Vone suftoda unde fone charo bin ih so mager samaso pellicannus der in Egipto fliuget in dero einote dero aha nili, den phisioligi zihent daz er nieht des neuerdeuue des er ferslindet, nieht mera danne hie in disen seuuen diu scarba.

Viel Spaß beim rätseln über welche Gegend Notker schreibt oder was „scarba“ sind – manche übersetzen das auch als „Taucher“

7 .. 9 Jhd. Archäologische Funde Haithabu (Schleswig-Holstein) – Unterart unklar


Soweit meine Zusammenstellung, nagelt mich bitte nicht aufs Jahr fest, ich habe einiges aus der Erinnerung eingetippt anderes hatte ich noch zur Hand.

Gut Nacht

Max
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