Pressemeldungen und Bilder: Thüringer Tageszeitungen am 09. und 10.06.1998
Thüringer Allgemeine vom 09.06.1998:
Das Fischsterben erreichte gestern auch Hetschburg
Ursache geklärt: Verbotenes DDT und weitere Gifte in der Ilm

WEIMAR (se/ul). Das Fischsterben in der Ilm hat sich gestern flußabwärts bis nach Hetschburg fortgesetzt. Das Umweltamt der Kreisverwaltung geht davon aus, daß dort die Konzentration der Gifte soweit verringert ist, dass an den anderen Ilmabschnitten Richtung Weimar und Apolda nicht mit weiteren Fischsterben zu rechnen ist. 

Dennoch sollte das Angeln ebenso unterbleiben wie das Baden oder jedwede andere Verwendung des Ilmwassers. – Eine Vorsichtsmaßnahme, von der die Hetschburger gestern nichts erfuhren. Und dort liegt ein beliebter Kinderspielplatz direkt an der Ilm. 
Sicher ist seit gestern, dass drei Stoffe in den Fluß gelangten: Das z.B. in Kühl-und Schmiermitteln enthaltene PCB, sowie die Pflanzenschutzmittel Endosulfan undo DDT. Letzteres wurde bereits zu DDR-Zeiten verboten und konnte später auf Kosten des Landes entsorgt werden. Gefahren bestehen laut Landratsamt aber nur durch das Trinken. Derweil wurde im Südkreis ein toter Sumpfbiber entdeckt, ob Wasservögel Schaden nehmen, ist noch ungewiß. Bei Fischfressern wie Graureihern und Eisvögeln rechnen die Berkaer Angler mit dem Schlimmsten.
Der Einsatz vom Wochenende forderte unter den Helfern zudem einen unverhältnismäßig hohen Tribut. Ein Kamerad aus Bad Berka wurde Samstag auf der Intensivstation behandelt, konnte gestern wieder auf die normale Station des Blankenhainer Klinikums verlegt werden. Zwei weitere Feuerwehrmänner aus der Kurstadt kamen nach dem Arztbesuch in die Klinik, mehrere Angler aus Kranichfeld mußten den Arzt aufsuchen. 
Unvermindert scharf kritisierten Angler und Wehren mangelnde Informationen. Das Landratsamt hatte zwar Samstag Radiosender gebeten, vor dem Kontakt mit dem vergifteten Ilmwasser zu warnen. Über den Äther ging die Meldung aber nur kurzzeitig. Kranichfelds Stadtbrandinspektor Jürgen Zillinger, der seine Kameraden aus Furcht vor Spätfolgen bereits am Samstag aus dem Einsatz genommen hatte, wurde daran gehindert, per Lautsprecher von der Gefahr zu informieren. Er und sein Berkaer Kollege Wolfgang Wambutt erfuhren zudem erst von der TA, welche Giftstoffe vom Gelände eines Landwirtschaftsbetriebes in Dienstedt aus in den Fluß gelangten. Der Verursacher ist noch nicht bekannt, zumal quasi jedermann an den Gulli gelangen kann, der in die Ilm mündet.

Thüringer Landeszeitung vom 09.06.1998:
Drei verschiedene Gifte
Fischsterben in der Ilm: Empörung bei Anglern – Kritik an Info-Politik der Ämter

WEIMARER LAND (tlz/Gö/epp). Drei verschiedene Insektizide haben die Ilm vergiftet. Das haben die Untersuchungen der Thüringer Landesanstalt für Umwelt in Jena (TLU) ergeben. In der Ilm bei Barchfeld und im Mettbach wurden erhebliche Mengen PCB, Endosulfan und DDT nachgewiesen. Diese Stoffgruppen sind giftig, langlebig und über weite Strecken „verfrachtbar“. Sie gehören zur Wassergefährdungsgruppe 3 und sind als Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmittel nicht mehr zulässig.
Indessen wächst die Empörung von Kranichfeld bis Mellingen: Kein Bürgermeister oder Anglerverein wurde vom staatlichen Umweltamt Erfurt informiert. Wie seine Anglerkollegen in Kranichfeld und Bad Berka erfuhr der erste Vorsitzende des Vereins für Umweltschutz und Fischwaid Taubach/Mellingen durch Zufall von der Katastrophe: „Ich war Samstag beim Feuerwehrfest in Mellingen, als die Wehr – von der Leitstelle informiert – wegen des Fischsterbens ausrückte“, sagte Olaf Schwalm. Seitdem kontrolliert der Verein stündlich zwischen Öttern und Taubach – wo bis jetzt keine toten Fische gefunden wurden.“ Vorsichtshalber habe die Mellinger Wehr Behälter geordert, um im Notfall eine größere Menge abfischen zu können. 
Schwalm ist „stocksauer“, dass die Erfurter Behörde nicht informiert hat, zumal das nicht der erste derartige Fall sei. Kranichfelds Bürgermeister – Samstag beim Spazierengehen mit seinem Hund zufällig Augenzeuge der Bergungsaktion an der Ilm – will per Brief beim Umweltamt und bei der Unteren Wasserbehörde protestieren. Wolf-Ludger Schlötzhauer: „Es kann nicht sein, dass ich den Bürgern nicht sagen kann, was los ist.“ – Selbst dem Kreis-Fischereibeater – von Beruf Gebietsingenieur beim Umweltamt Erfurt – ist unverständlich, warum nicht informiert wurde. „Ich hab’s erst am Sonntag gegen 23:00 Uhr erfahren. Sonst hätte ich sofort alle Unterlieger angerufen“, sagt Uwe Müller, der gestern zwischen Bad Berka und Dienstedt tote Fische sammelte, um sie von Experten in Bad Langensalza untersuchen zu lassen. Die Freitag und Samstag genommenen Wasserproben wurden gestern, 06:30 Uhr, zur TLU gebracht. Nach Müllers Auskunft war die Ilm zwischen Dienstedt und Hetschburg am stärksten betroffen – ein Neubesatz sollte dort frühestens in 4 bis 8 Wochen erfolgen, da sich erst der Bestand an Nährtierchen erholen müsse.

Thüringer Landeszeitung vom 10.06.1998 

Noch Tonnen toter Fische in der Ilm 
1000 Mark Belohnung für Hinweise auf den Umweltsünder

WEIMARER LAND (tlz/Gö). 1000 Mark Belohnung haben die Ilmtal-Fliegenfischer in Bad Berka gestern für Hinweise ausgesetzt, die zum Urheber des Fischsterbens in Ilm führen. Wie Vereinschef Michael Müller mitteilte, dient diese Summe aus der Vereinskasse dazu, die Aufklärung zu beschleunigen und derer habhaft zu werden, die die Gifte eingeleitet haben. Allein in Bad Berka fischten die Kameraden der Stützpunktfeuerwehr und die Mitglieder des Anglervereins rund 3 Tonnen toter Fische aus dem Wasser, ehe die Bergung aus Sicherheitsgründen beendet wurde.
Mindestens die gleiche Menge soll noch im Fluß lagern, es gibt noch keinen Termin für deren Beseitigung. Die am Wochenende geborgenen Tiere wurden von der Firma Rethmann nach Kühnhausen bei Erfurt gebracht, wo sie zunächst gelagert werden, da die endgültige Entsorgung derzeit noch fraglich ist. 
Um in absehbarer Zeit eine Neubesiedlung der Ilm im Südkreis vornehmen zu können, haben die Ilmtal-Fliegenfischer und der Verein zum Schutz der Gewässer und Natur in Kranichfeld ein Spendenkonto bei der Sparkasse Weimar, BLZ 820 510 00, Konto-Nummer 0410002925 eingerichtet, „denn die Durchsetzung der Schadensansprüche kann Wochen oder Monate dauern“, weiß Michael Müller. Wenn man bedenke, dass ein Kilo Wildfisch rund 45 Mark koste – eine Menge, die etwa der von zehn einjährigen Bachforellen entspricht – könne man sich vorstellen, wie teuer der Neubesatz ist. 
Den drei Kameraden der Feuerwehr, die bei der Bergungsaktion verletzt wurden und die u.a. unter Rötungen und starken Hautreizungen litten, geht es inzwischen wieder sehr gut, wie Bad Berka’s Stadtbrandinspektor Wolfgang Wambutt auf TLZ-Nachfrage mitteilte. Allerdings befinden sich der Bad Berkaer und die beiden Tannrodaer noch in der Blankenhainer Heliosklinik. Die Stützpunktfeuerwehr weigerte sich, noch einmal vergiftete Fische zu bergen.
Das Landratsamt weißt darauf hin, dass auf Baden und Angeln in der Ilm, sowie die Entnahme von Tränkwasser zunächst verzichtet werden sollte. Der Wasserversorgungszweckverband Weimar hat einen Bad Berkaer Tiefbrunnen vorsorglich vom Netz genommen. Eine Gefahr für das Trinkwasser habe zu keinem Zeitpunkt bestanden.
Zur Sache:
Verboten sind heute alle drei im Ilmwasser nachgewiesenen Stoffgruppen. PCB (Polychloriertes Biphenyl) wurde zu DDR-Zeiten als Trafo-Öl benutzt. Es ist giftig und krebserregend. Stark giftig für Fische ist ENDOSULFAN, ein Insektizid und Akarizid (Mittel gegen Schnecken). Das Insektizid DDT (Dichloridphenyltrichlorethan) „wurde früher massenhaft eingesetzt – jetzt ist es verboten“, sagt Sabine Geiß vom Sachgebiet Umweltanalytik und Radioaktivität bei der Thüringer Landesanstalt für Umwelt in Jena (TLU). Die Untersuchungsergebnisse seinen vorläufig, es werde nach weiteren Substanzen gesucht. Mit einem endgültigen Ergebnis rechne sie in etwa 2 Wochen. Vollzugsbehörde sei das staatliche Umweltamt in Erfurt.


..