YUKON 2005
4. Guided Fishing: Kusawa Lake


Bericht und Fotos von Hans-Werner Schneider

Wie sehr der Erfolg eines Fischertages vom Können und der Kenntnis eines guten und erfahrenen Guides abhängen  kann, hat uns die Angeltour auf dem Laberge gezeigt. Allerdings gibt es etwas, gegen das auch der beste Guide nicht gefeit ist: widrige Umstände. Genau die haben wir, als unser zweiter geführter Angeltag ansteht, und zwar in Form eines ziemlich starken Windes. Schon am frühen Morgen beim Verlassen der wohlig warmen Hütte hören wir ihn heulen und spüren wir die kalten Temperaturen, die er mit sich bringt. Unsere Hoffnung, er würde sich während er knapp zweistündigen Autofahrt vielleicht legen, erfüllt sich nicht. Die Baumwipfel entlang des Alaska Highways schwanken weiterhin bedenklich hin und her. Im Wald nach dem Abbiegen auf die unbefestigte Straße, die zum Kusawa führt, wird es aber ruhiger, und mit dem ersten Blick auf die weit sich ausdehnende Wasserfläche des Sees stellen wir etwas erleichtert fest, dass die Wellen zumindest keine Schaumkronen tragen. Ein mulmiges Gefühl aber bleibt dennoch zurück. Auf dem Kusawa Campground suchen und finden wir das Motorhome unseres heutigen Guides Jerry. Er hat hier übernachtet und erwartet uns bereits, zusammen mit seiner Lebensgefährtin Charlene, die uns zum Aufwärmen und Muntermachen zunächst einmal einen heißen Kaffe mit selbstgebackenem Granberry-Bread serviert. 
Natürlich diskutieren wir sofort die Frage, ob wir bei diesen Windverhältnissen überhaupt hinausfahren sollten oder nicht. Jerry hält es zwar grundsätzlich für möglich, empfiehlt uns aber zu überlegen, ob wir die geplante Tour nicht doch um ein oder zwei Tage verschieben wollten. Das aber ist nicht möglich, da unsere Abreise schon kurz bevorsteht. Außerdem wollen wir nicht die ganze Autofahrt heute umsonst gemacht haben, und wer weiß, wie es morgen oder übermorgen mit dem Wetter aussieht. Also entschließen wir uns zur Ausfahrt. Beim Anblick von Jerry’s offenem Boot, wird unser mulmiges Gefühl in der Magengegend nicht gerade kleiner. Die Aussicht aber auf den Fang wirklich großer Namaycush-Saiblinge hilft zusätzlich mit, unsere Bedenken zu zerstreuen. Das Sortiment riesiger Wobbler sowie die meerestauglichen Lachsruten, die Jerry uns zeigt, sind zudem dazu angetan, unsere Erwartungen noch weiter zu steigern.
Da der Campground in einer windgeschützten Bucht des Kusawa liegt, sind die Wellen kurz nach unserem Auslaufen eher harmlos. Aber schon bald, nachdem wir die offene Seemitte erreichen, werden sie höher und heftiger, bis unser Boot schließlich einen wilden Tanz auf ihnen vollführt. Am Anfang kann ich noch Aufnahmen davon machen, muss aber schon bald die Kamera vor den Wasserfontänen schützen, die uns immer mehr überschütten und sie schließlich ganz unter der Kleidung verbergen. Die Wellen erreichen bald schon bedrohlich wirkende Höhe. Jerry aber meint, er habe schon gegen ganz andere Wellenberge ankämpfen müssen. Mit geübter Hand steuert er jede Welle schräg nach oben an, drosselt dann den Motor und lässt unser Boot in das nächste Wellental hinab klatschen, was jedes Mal mit einem mächtigen Schlag auf den Bootsrumpf und weiteren Wasserduschen für uns verbunden ist. So geht es knapp eine Stunde lang.
Obwohl Jerry ganz mit dem Manövrieren des Bootes beschäftigt ist, entgeht ihm aber nicht, dass sich ein Tier längsseits des Ufers bewegt. Beim Näherkommen erkennen wir, dass es sich um einen Coyoten handelt. Vorsichtig krame ich die Kamera wieder hervor und schieße aus schaukelnder Position ein Foto von ihm. Nass und frierend erreichen wir schließlich das Ufer im Windschatten eines kleinen Bergrückens, der sich hier in den See hineinschiebt und so einen Engpass im Gewässers verursacht. Unser eigentliches Ziel, diese Engstelle zu passieren und hinter ihr vor der Mündung eines kleinen Flusses zu fischen, geben wir
des starken Windes wegen zunächst auf. Ein Feuer soll uns zunächst wärmen und unsere nass gewordene Kleidung trocknen. Danach wollen wir die ruhigen Wasser vor unserer Bucht abfischen, auch wenn hier – nach Aussage unseres Guides – die ganz Großen nicht zu erwarten sind.
Darüber machen wir uns aber zunächst einmal keine Gedanken, sondern freuen uns daran, wie Jerry uns zuerst ein wärmendes Feuer und dann ein stärkendes Mahl bereitet.
Während des innerlichen und äußerlichen Aufwärmens haben wir endlich einmal Gelegenheit, die  uns umgebende Landschaft zu betrachten. Der See liegt hier im Windschatten des Höhenzuges völlig still und glatt da, rechts und links eingebettet in steile Felshänge: ein wunderbares Panorama!
Hier, im ruhigen Wasser, beginnen wir dann auch unsere Fischerei. Die extrem großen Wobbler werden auf Tiefe gebracht und mit geringer Geschwindigkeit knapp über Grund geschleppt. Das Echolot zeigt auf unserer Fahrt allerdings nur wenige Fische an, und so haben wir nach mehreren ausgedehnten Runden lediglich einen einzigen und zwar einen Fehlbiss zu verzeichnen. Jerry gibt sich alle Mühe, uns zu einem besseren Resultat zu verhelfen. Da der Wind nachgelassen hat, manövriert er uns sogar durch den Engpass des Sees, was große Wachsamkeit erfordert, da der Felsgrund dem Boot an dieser Stelle manchmal nur wenige Fuß Wasser unter dem Kiel übrig lässt. Auf Schleichfahrt erreichen wir so auch den ursprünglich angestrebten Fangplatz vor der Flussmündung und werfen erwartungsvoll unsere Angeln aus – aber leider umsonst, denn nun kommt wieder starker Wind auf, der uns mit hohem Wellenschlag immer wieder zum Ufer und damit zum Flachwasser hintreibt. 
Eine erfolgversprechende Schleppangelei ist damit leider nicht möglich, und wir kehren langsam – wiederum genau auf alle Untiefen achtend – zum Anfangsteil des Sees zurück.
Obwohl wir es hier noch an verschiedenen vermuteten Fischstandplätzen versuchen, bleibt uns der Erfolg verwährt. Das Echolot meldet zwar ab und zu ordentliche Fischbestände, zeigt aber zugleich an, dass die Fische direkt über Grund stehen und dort still verharren. Nun, was nicht jagt, kann auch nicht gefangen werden. Obwohl Jerry das ebenso weiß wie ich, merke ich ihm doch eine ziemliche Verzweiflung darüber an, dass er uns nicht die ersehnt großen Laker an den Haken bringen kann. Jeder von uns kennt selbst solche Tage, an denen nichts gehen will und  denen jeder – auch der beste Guide – machtlos gegenübersteht.
Ich versuche Jerry mit dieser Weisheit zu trösten, was mir aber nur leidlich gelingt, und schlage vor, dass wir uns nach einer erneuten Rastpause dem Ufern entlang langsam heimwärts fischen. Vielleicht beisst ja doch noch etwas! Und tatsächlich stellt sich schließlich unterhalb einer wunderschön herbstlich gefärbtem Uferpartie ein vermeintlicher Hänger als 53 cm lange Laketrout heraus – nicht gerade ein Riese, aber immerhin bleiben wir auch an diesem Tag nicht Schneider. Später, beim letzten Einholen der Köder spüre ich plötzlich noch einmal leichte Schläge in Rute und Schnur: ein noch wesentlich kleinerer Namaycush als der erste hat – von  uns völlig  unbemerkt – den Haken genommen. Mit einer Entschuldigung für das nicht beabsichtigte Versehen und dem nicht ganz uneigennützigen Ratschlag, er möge doch noch weiter zunehmen an Gewicht, Alter und Weisheit, entlasse ich den Unverletzten wieder in die Freiheit.
Der größere und nicht ganz so glücklichere von beiden dagegen liefert uns zwei schmackhafte Filets zum Abendessen. Natürlich sind wir uns alle einig: dies war kein Super-Fangtag, aber dennoch ein Tag mit vielen starken Eindrücken und Erlebnissen, aufgrund der Witterung auch mit einem kleinen Abenteuer auf dem See und das alles in einer einmalig schönen, ursprünglichen Landschaft. Jerry hat sich auch so sein Extra-Trinkgeld redlich verdient und nimmt dankbar den Tip an  - nicht ohne uns noch einmal zu versichern, dass es hier wirklich die ganz großen Laker gäbe und wir sie bei einem erneuten Versuch unter besseren Wetterbedingungen bestimmt auch fangen würden.
Nach einem herzlichen Abschied von ihm und seiner Gefährtin begeben wir uns bei bereits einsetzender Dämmerung auf den Heimweg. Unterwegs werden wir durch herrliche Anblicke von Wild noch ein wenig für entgangene Fangfreuden entschädigt. Zuerst treffen wir in der Nähe des Alaska Highways wieder auf das uns schon bekannte Wapiti-Rudel, dann stehen Maultier- oder Schwarzwedelhirsche am Straßenrand, es kreuzt ein Fuchs unseren Weg, und schließlich sitzen Waldhühner im Kegel des Scheinwerferlichtes unseres Wagens auf der Straße.
Als wir unseren See und unsere Hütte wieder erreichen, ist es schon fast stockdunkel. Im Schein unseres flackernden Herdfeuers und auch innerlich gut angewärmt, lassen wir auch diesen denkwürdigen Tag noch einmal in dankbarer Erinnerung an uns vorüberziehen.

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