YUKON 2005
2. Kluane National Park


Bericht und Fotos von Hans-Werner Schneider

Die aufgehende Morgensonne bescheint unsere Fahrt auf dem Alaska Highway in Richtung Haines Junction. Gespannt und aufmerksam beobachte ich den niedrigen, lichten Baumbestand rechts und links der Fahrbahn. Es bedarf längst nicht mehr der aufgestellten Hinweisschilder um mich daran zu erinnern, dass hier zwischen Mendenhall Landing und Champagne stets mit dem Auftauchen von Wapiti-Hirschen zu rechnen ist. Und da sind sie auch schon! Noch im dunstigen Frühnebel, aber schon vom Glanz der goldenen Morgensonne umstrahlt, erkennen wir ein ganzes Rudel dieser etwa pferdegroßen Huftiere, angeführt von einem mächtigen Brunfthirsch. Auch sein im Verhältnis zu seinem massigen Körper eher dünner, pfeifenartiger Brunftschrei ist zu hören. Voller Andacht und Begeisterung geben wir uns diesem einmaligen Naturschauspiel hin. 
Nach diesem herrlichen Anblick gewährt uns die Weiterfahrt entlang der Bergkette der Kluane Front Range weiterhin einmalige Ausblicke in eine einmalige, ursprüngliche Naturlandschaft. Wir passieren den wild schäumenden Quill Creek und erreichen den Aussichtspunkt zum traumhaft in die Landschaft eingebetteten Kathleen Lake.
Von hier aus sind es nur wenige Kilometer zum geliebten Kathleen River – für mich wohl der schönste Angelfluss auf der ganzen Welt. Und so dauert es nicht lange, bis wir seine verheißungsvoll grün-, türkisblauen Fluten erreichen.
Aus den Erfahrungen der Vorjahre weiß ich, dass hier mit tiefgeführten kleineren Streamern sehr gut Fluss-Namaycush-Saiblinge zu fangen und auf 16-  bis 18er CDC-Trockenfliegen in den Steigphasen kampfstarke Polaräschen zu überlisten sind. Ab und zu lassen sich auch kräftige Regenbogenforellen mittels Nassfliegenfischerei überlisten. Mit solchem Erfahrungswissen ausgestattet, wate ich zu meinem favorisierten Angelplatz, ziemlich am Anfang eines tiefen Pools, der sich farblich deutlich vom übrigen flacheren Wasser abhebt,
und serviere zunächst an 8er Rute und Sinkschnur einen kleinen, silbrig gefärbten und recht spärlich gebundenen Streamer stromauf in den Poolanfang. Nachdem der Köder abgesunken ist, und die Schnur wieder auf Höhe meines Standplatzes abgetrieben ist, beginne ich, sie mit großzügigen Rucken einzuziehen. Der Streamer beschreibt dabei einen elliptischen Bogen, ruckartig vom Ende des Pools in der Tiefe beginnend bis hin zu meinem Standpunkt im Flachwasser. Schon beim zweiten oder dritten Einholen der Leine fährt ein scharfer Ruck in sie hinein, und ich drille meinen ersten Namaycush für dieses Jahr. Ein Zweiter, etwas stärkerer, folgt ihm auf diesem Wege recht bald. Es ist ein Exemplar von gut über 50 cm Länge. Mittlerweile habe ich in der Mitte der Flusskurve mehrfach Ringe entstehen sehen, was auf das Steigen von Äschen schließen lässt. 

Ich wechsle zur 5er Rute, und mit angewundener 18er MP81, meiner erfolgreichsten Trockenfliege, begebe ich mich in Wurfposition zur Flussbiegung hin.
Kaum hat die Trockene den vermuteten Standplatz der Äschen erreicht, wird sie mit einem spritzenden Schwall von der Oberfläche genommen. Der anschließende Drill bringt schließlich nach kräftiger Gegenwehr eine gute Polaräsche um die 40 cm zutage. Und noch eine der stolzen Fahnenträgerinnen kann ich überwinden, ehe meine Würfe dann eine Zeitlang unbeantwortet bleiben und mich zu einer Pause ans Ufer begebe. Erwin macht mich dabei darauf aufmerksam, dass mein Treiben schon seit längerer Zeit beobachtet wird. Und tatsächlich: auf der Spitze einer dicht am Ufer stehenden Schwarzfichte sitzt , ab und zu interessiert zu uns herunter äugend, ein junger, noch nicht ganz ausgefiederter Weißkopfseeadler, der auch in der Folgezeit noch keine Anstalten macht, seinen Aussichtsposten zu verlassen.
Frisch gestärkt greife ich noch einmal zur Trockenfliegenrute, um diesem seltenen Gast vielleicht noch ein erfolgreiches Fangerlebnis zu bieten. Wieder wird ein angeworfener Ring mit einem satten Biss quittiert, und erfreut drille ich die vermeintlich nächste Äsche. Der Widerstand ist dieses Mal noch lebhafter und von etlichen Sprüngen begleitet. Groß ist meine Überraschung und Freude, als ich schließlich einen etwa 45 cm langen Fisch mit einem violettroten Streifen an der Seite über das Netz führen kann: sieh an, eine Rainbow auf Trockenfliege  – für mich ein Novum, da ich bisher alle meine Regenbogenforellen im Yukon immer nur nass erbeutet habe! Überhaupt bin ich mit dem Ergebnis dieser nur knapp eineinhalbstündiger Fischerei äußerst zufrieden: in so kurzer Zeit zwei schöne Namaycush, zwei starke Polaräschen und eine gute Regenbogen, das gibt es eben nur im Yukon! – Fischerherz, was willst du mehr!
Befriedigt verlassen wir diesen Ort traumhafter Fliegenfischerei. Es drängt mich, Erwin, der ja zum ersten Mal im Yukon ist, noch mehr von dessen Schönheiten zu zeigen.  Rechts und links des Haines Highways, entlang der kegelförmigen Bergriesen der Kluane Front Range glüht der Indian Summer in farbiger Pracht.
Wir überqueren den Flying Squirrel Creek und erreichen Klukshu-Village, ein Sommercamp und Lachsfanglager der Southern Tutchone Indianer. Hier in ihrem Laichgebiet endet die lange Reise der pazifischen Rotlachse. Ein Teil von ihnen dient der First Nation Bevölkerung geräuchert als Winternahrung. Der Großteil aber gelangt zum Ablaichen und damit zum Neubeginn ihres Fortpflanzungszyklus. Auch ihr Sterben danach erfüllt die Aufgabe der Lebenserhaltung, bringen sie doch so den reichen Kaloriensegen des Meeres mit ihren Körpern ins Land, wo hungrige Bären, Wölfe, Füchse, Raben und anderes Getier sie bereits sehnsüchtig erwarten.
Auf der Heimfahrt taucht kurz hinter Haines Junction plötzlich ein Kojote am rechten Straßenrand auf und trottet ganz gemächlich vor uns über die Fahrbahn. Schnell halte ich an, greife zur Kamera, aber schon ist er im Gebüsch auf der anderen Straßenseite verschwunden. Etwas traurig über die entgangene Aufnahme setzen wir die Fahrt fort. Wir können zu diesem Zeitpunkt ja nicht wissen, welch besonderes Kamera-Glück uns noch bevorstehen sollte.
Am späten Nachmittag stehe ich auf der Veranda unserer Cabin, bin gerade beim Herrichten unserer Angelsachen, als ich mit einem Male lautes Planschen vom See her vernehme. Da geht jemand mit kraftvollen Schritten durchs Wasser. Aber wer oder was ist es – Mensch oder Tier? Gespannt schaue ich hinunter. Mir stockt der Atem, als ich sehe, wie sich ein mächtiges Geweih durch die Lücken im Gebüsch schiebt. Ein Elchbulle kapitalen Ausmaßes schreitet majestätisch und ohne mich eines Blickes zu würdigen keine 30 m entfernt an mir und unserer Hütte vorbei. „Erwin, ein Elch!“, schreie ich und laufe, den Camcorder zu holen. Allerdings bin ich viel zu aufgeregt, um ihn auch bedienen zu können. Erwin dagegen gelingen ein paar Aufnahmen mit seinem Fotoapparat. 
Aber dann fällt die Erstarrung auch von mir ab, und ich eile dem sich im Wasser entfernenden Tier durch das benachbarte Waldstück nach. In einer Lichtung vor einer kleinen Bucht des Sees hole ich ihn glücklicherweise ein und habe hier nun ausreichend Zeit, den Kapitalen ins rechte Bild zu rücken, bevor er im Uferwald verschwindet.

Dankbar und ungläubig staunend zugleich erfahren wir einmal mehr, wie der Yukon einen bereits vollkommen geglaubten Erlebnistag doch immer wieder noch mit einem besonderen Höhepunkt zu krönen vermag.

Fortsetzung folgt....


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