Gegendarstellung zu einer Veröffentlichung in der „Thüringischen Landeszeitung“ im Februar 1999 mit dem Titel „Wendeltreppe für die Fische – Das Projekt Stedtener Mühle: Bau-Premiere fürs Patent“, (Darstellung von Uwe Müller, Berichterstatter: Thomas Eppelin)
Sehr geehrten Damen und Herren,
aufgrund einiger fehlender und falsch dargestellten Tatsachen in der o. g. Presseveröffentlichung sehen wir uns veranlaßt, einige Dinge ins rechte Licht zu rücken.
Zuerst ein kurzer Überblick
zum Hintergrund der oben genannten Veröffentlichung:
Uwe Müller ist seit kurzer
Zeit neuer Besitzer des Geländes Stedtener Mühle und möchte
Wohnhaus, Mühlanlage und Graben instand setzen, um u.a. eine sogenannte
Kleinwasserkraftanlage zu betreiben. Er gibt weiter an, daß diese
Turbine später 20 Kilowatt Leistung bringen soll und daß stets
ein Mühlgraben-Wasserdurchlauf von 50 Liter Wasser pro Sekunde gesichert
sein soll.
Wir stehen aus den nachfolgenden
Gründen voll hinter dem betroffenen Kranichfelder Anglerverein, welcher
sich entschieden gegen dieses auf den ersten Blick für einen unerfahrenen
Betrachter durchaus positiv wirkende Projekt stellt.
Im idyllischen Ilmtal gibt es bereits
weitere umstrittene Wasserkraftprojekte, eines z.B. an der Buchfarter Mühle.
Der Durchfluß des Mühlgrabens als künstlich angelegter
oder wieder aktivierter Zuleiter einer Wasserkraftanlage steht hier überhaupt
nicht zur Debatte, sondern welche Restwassermenge im Hauptfluß verbleibt
! Im Fall Buchfart konnten wir 1998 an mehreren Tagen bei Niedrigwasserstand
beobachten, daß alles Ilmwasser komplett im Mühlgraben verschwand,
da sich eine über längere Zeit stillstehende Turbine für
den Betreiber selbstverständlich nicht rentiert. Einmal zufällig
vor Ort anwesende bekannte Persönlichkeiten aus Fischerei und Ministerium
beschrieben die Situation so: „...auf einmal hörte das Wehr auf zu
rauschen und das Mühlrad begann sich zu drehen...“.
Die verbleibende Rest-Pfütze
im Flußbett der Ilm unterhalb des Wehres stank derweil vor sich hin,
so daß hier zukünftig kein Lebensraum für Fische und andere
Wasserorganismen mehr gegeben ist, selbst wenn das Wasser periodisch im
Flußbett fließt !
Ein weiteres Projekt ähnlicher
Art wurde in Bad Berka glücklicherweise erfolgreich abgewiesen, allerdings
planen eine hiesige und eine auswärtige Firma noch ein Objekt oberhalb
von Bad Berka im ehemaligen „Martinswerk“, sowie an verschiedenen anderen
Stellen.
Während in Buchfart die Ausleitungsstrecke
nur ein kurzes Stück beträgt, wird die trockenfallende Ilmstrecke
am Martinswerk etwa 600 Meter betragen !
Nicht auszudenken sind die katastrophalen
Auswirkungen auf den kleinen Fluß, wie Verödung des Gewässers
durch Sauerstoffmangel, Dezimierung bzw. Aussterben von Fischen, Kleinorganismen
und Wasservögeln für die betroffene Natur.
Wir kennen diesen Zustand aus der
Vorwendezeit, als die Turbine noch in Betrieb war und die Ilm ab dem Münchner
Wehr bis hinter das Martinswerk in regelmäßigen Abständen
trocken fiel.
Beispiele aus dem Erzgebirge in
unserem Nachbarland Sachsen, wo nach der Wende hunderte von Wasserkraftanlagen
neu gebaut und/oder reaktiviert wurden, belegen eindrucksvoll, daß
sich Wasserkraft nicht mit den kleinen Flüssen der Forellenregionen
vereinbaren läßt, ja sogar sträflich leichtfertigen Umgang
mit der Natur darstellt, die zuständigen Behörden allerdings
anscheinend nicht fähig sind, die Lage zu meistern.
Selbst wenn alle verfügbaren
Ressourcen nutzbar gemacht werden, könnte die gewonnene Energie durch
solche Kleinkraftwerke nicht einmal 0,5% des in Thüringen benötigten
Strombedarfs decken. Aber welchen Preis zahlen wir dafür durch die
geschändete Natur mit trockenliegende Flußstrecken und der Verarmung
von Flora und Fauna und nicht zuletzt dem unattraktiv-werden ganzer Naherholungsgebiete
?
Die an sich saubere Energieerzeugung
wird in Thüringen und Sachsen zum Ökoskandal, einzig zum ökonomischen
Vorteil der Betreiber (und deren Hintermänner und Finanziers), die
in der Mehrzahl aus den alten Bundesländern kommend, ihre Steuern
in Wasserkraftanlagen abschreiben. In Sachsen beträgt die geschätzte
steuerliche Abschreibung in die Wasserkraftanlagen geschätzte 75 Mio
DM/Jahr (Quelle: Bund der Steuerzahler), jede Wasserkraftanlage wurde durch
den Freistaat mit etwa 200000,--DM gefördert !!! Das sind bei inzwischen
240 Betreibern in Sachsen immerhin 48 Millionen DM an Steuergeldern, die
für ein politisches Irrziel ausgereicht wurden !
Und nun bricht der Sturm auch in
Thüringen los, denn hier schlummern für diese Herren riesige
Potentiale !
Im Unterschied zu größeren
Flußkraftwerken liegen die kleinen Wasserkraftanlagen bis 500Kilowatt
installierter Leistung in der überwiegenden Mehrzahl in der von Forellen
und Äschen bewohnten Salmonidenregion der Fließgewässer.
Hier haben die Beeinträchtigungen durch kleine Wasserkraftwerke wie
Niedrigwasser, Trockenfallen, Anstau oder Flußsperren generell gravierende
Folgen. Fließgewässer haben natürlicherweise in dieser
Region eine hohe, kräftige und turbulente Strömung, geringe Sedimenation,
klares Wasser, ein vielgestaltiges Kies- und Sandbett und einen hohen Sauerstoffeintrag.
An diese günstigen Verhältnisse sind die Organismen angepaßt
und damit auch davon abhängig. Kleine Wasserkraftanlagen verändern
die Bedingungen im Fluß gravierend, ein Ausgleich des Eingriffs ist
nicht möglich! Die Zusammensetzung der Tierwelt in einem Fluß
und seinem Flußbett ist charakteristisch für diese Fließgewässer
und bestimmt die weiteren Mitglieder der Nahrungskette. Jeder Eingriff
in die Strömungsverhältnisse eines Flusses durch Kraftwerksbauten
zieht umgehend eine Änderung seines ökologischen Profils nach
sich.
Noch ein paar Worte zum Thema ökologische
Mindestwassermenge:
Die Anordnungen der Wasserbehörden
sehen vor, Wassermengen von 1 MNQ (MNQ = mittlerer durchschnittlicher Niedrigwasserabfluß)
in den Ausleitungsstrecken des Flußbettes zu belassen. Das bedeutet,
daß das langjährige Mittelwasser MNQ, was normalerweise nur
etwa 20 Tage im Jahr auftritt, auf 365 Tage ausgedehnt wird ! Dieser Ansatz
ist der fatale Versuch, einen faulen Kompromiß zu verkaufen, daß
Ökosystem Fließgewässer kann nicht damit leben !
Sehen wir die Angelegenheit nicht
ein wenig zu schwarz ? Keineswegs ! Zur Zeit laufen in Thüringen
etwa 100 Wasserkraftanlagen. Wir wissen aber, daß hunderte von neuen
oder zu reaktivierenden Anlagen auf ihre Umsetzung warten, in den Schubladen
der Planer liegen oder deren Genehmigung schon beantragt wurde ! Die Wasserkraftbetreiber
werden nicht ruhen, bis auch das letzte Potential genutzt wurde, solange
unsere Regierung dieses Treiben weiter mit unseren Steuergeldern fördert,
anstatt durch eindeutige Gesetzesumsetzung für unsere Natur und dementsprechende
Weisungen an die Wasserbehörden ein Ende zu setzen. Jede neu errichtete
oder wieder reaktivierte Anlage ist eine zuviel !
Deshalb wurde diese Bürgerinitiative
wirksam, welche sich mit aller Kraft gegen den Bau von Wasserkraftanlagen
wie in der Stedtener Mühle und allgemein gegen den Ausbau der Wasserkraftnutzung
an kleinen Flüssen zur Wehr einsetzen wird und fordern alle naturbewußten
Mitbürger auf, nicht tatenlos zuzusehen, wie einzigartige Flußlandschaften
dem Nutzen einzelner Personen geopfert werden.
M. Müller, ein Sprecher der Bürgerinitiative im März 1999
Anlage/Bild: trockene Wehrkrone /
Buchfart-Ilm im Sommer 1998