TATORT - diesmal vom Fischwasser - mit dem Allgäuer
Unterwegs an der Singold im Allgäu
Buch und Regie: Christian Rotter ©

Die Singold bei Buchloe, stromabwärts, etwa einen Flusskilometer nach Ortsende Holzhausen, früher Abend bei lockerer Bewölkung, Anfang Mai letzten Jahres… 

Schnell noch die Dreiteilige schön fluchtig zusammengesteckt, knarrenlose Rolle montiert, das Gesicht geschwärzt …
… „Lass´ doch endlich´ mal von diesen Kindereien los!“. Im Selbstgespräch versuchte ich meine „naturbezogene“ Jungenzeit abzuschütteln - gar nit so leicht, wia mir Allgeier saget. 
Also weiter: Dieser Allgäuer Wiesenbach, der sich in einer mittleren Breite von 4-5 Metern durch weitläufige Kuh- und Pferdeweiden, mit all ihren glitschigen, duftenden Tretminen und die angrenzenden Mischwälder mäandert, ist jedes Mal eine Herausforderung an den „Mr. Hyde“ oder „Wildschütz Jennerwein“ in mir: 

Wie tarne und postiere ich mich am besten, um keinesfalls von den scheuen Salmoniden, heimisch in diesem glasklaren Wasser, entdeckt zu werden, bevor ich selbst sie ausmachen kann?

Nach fünfzehnmünitigem Pirschgang in äußerst unkommoder Haltung über Brombeergestrüpp samt Brennnessel- und Distelkontakt, siegt jedoch meist der gutmütige „Dr. Jekyll“ und ich bewege meine gut zwei Zentner, auf knapp zwei Meter verteilt, wie es sich für einen Mittfuffziger geziemt: Leicht gebückt und nirgends hängen bleibend, wobei die Betonung auf „leicht“ liegt. 
Zusammengefasst sind es eben diese Schweinereien, die mich drei bis vier mal jährlich ins Ostallgäu, an dieses Traumgewässer führen.

So geht´s entlang des von mir bevorzugten, etwa zwei Kilometer langen Teilstückes der gut besetzten Singold, in der sich aber auch heimischer Nachwuchs tummelt. 
Hier bin ich Fisch, hier darf ich´s sein...“ frei nach Johann Wolfgang v. Goethe, der mir diese kleine Zitatänderung gestatten wird.

Durchzogen von wilden Rissen mit weißen Kronen, münden schnelle, flache Züge über blanke Kieselsteine und schmale Sandstreifen in tiefe, von Kehrwassern geprägte Gumpen, die allerlei, teils verhängnisvolle Unterstände bergen.
Diese unterhalb von stark bewachsenen Prallhängen anzutreffenden Pools beherbergen so manches Ungetüm aus dem heimischen Salmonidenrepertoire.

Am liebsten ziehe ich im Frühsommer los, denn später im Jahr ist taktisches Guerilla–Fischen im Autan-Nebel an den nahezu undurchdringlichen Uferböschungen des kleinen Flüssleins angesagt.
Gleich hinter dem Einlauf des viel versprechenden Kolkes nach der abschüssigen Jungviehweide nahm mit lautem Getöse eine freche Rotgetupfte meinen gut gefetteten 14er Devaux-Nachbau mit Badger-Riesenhechel und langem Squirrel-Schwänzchen. 
Sanft die dreier Gerte hoch, schon in Gedanken, dieses suizidgefährdete Etwas von ca. 20 cm Länge, ordentlich zu releasen, begann „Mr. Hyde“ böse zu fluchen, denn das Fischlein, war gerade dabei, meine, in akribischer Weise gebundene Franzosenfliege zu verschleimen. 
Zum Überfluss fand sich für die Fario ein Unterstand, wo sie es sich gemütlich machen wollte.
Den Zug an der Schnur mit dem 14er Vorfach behutsam forcierend, entfernte sich das Geschehen auf einmal in langsamen, rollenden Bewegungen von mir ???

I glaub, I schpinn ...“ rief ich laut, als ich mit der, zum Halbkreis gebogenen 10 ft. Guideline LeCie dagegen hielt. Ich nahm hastig die restliche Schnur auf die Rolle, um mir nicht schon wieder die Finger der Schnurhand, wie beim letzten Mal, zu verbrennen. 
Rein ins Wasser, noch oberhalb des Gumpens, ein paar unsichere, balancierende Schritte zur Mitte und drin war´s - das Wasser in den Watstiefeln! 
Ich schlitterte bis zu den Hüften ins kühle Nass, spürte den Widerstand an der Angel aber noch und wollte beginnen, den immer weiter ziehenden „Unterstand“ zu zähmen.

Was haben wir bis jetzt?“, so die Frage des Allgäuer Kommissars: 
Beim Drill der kleinen Brownie wurde ein langjähriger Singgold-Mieter wach, sah die willkommene Brotzeit an sich vorbei huschen und packte zu. 
Alles mögliche wie: „Tschisus, Märaia änd Tschosef! - So viel Heilige gibt’s gar net“ 
kam ehrfürchtig in mir auf. Im Geiste schlug ich drei Kreuze, hatte ich doch keine Hand frei! 

Vor lauter Adrenalinausschüttung nahm ich erst geraume Zeit später wahr, dass die Rute, ganz im Gegensatz zu mir, mittlerweile völlig entspannt war. 
Das folgende, blasphemische Zitat spare ich mir an diese Stelle!
Großer Fisch weg, kleiner Fisch mit wek und noch kleinere Fliege auch noch weck!

Nach dieser Steigerung komme ich zum Superlativ: Die Stiefel bis zur Kante voll mit Wasser, Strümpfe samt Hose klitschnass! 
Jetzt, endlich ans Ufer gekämpft, auf den Hintern gesetzt, die Beine hoch, war auch noch schwuppdiwupp das T-Shirt getränkt! 
Soichnaß, Pfiu Deifl! 
Selbst nach 45 Jahren gebeutelten Fischerdaseins, immer noch zittrig ob der Greueltat, beschloss ich, zum Auto zurückzukehren, um meine stets mitgeführte Reservegarnitur zu bemühen. Leichter gesagt als getan: Wer kennt nicht das tolle Erlebnis, beim Ausziehen bestens sitzender Watstiefel gegen die erstaunliche Haftreibung des Stiefelfutters an der durchnässten Schwarzfischerjeans ankämpfen zu müssen.
Unter Zuhilfenahme einer geeigneten Astgabel, der Supersäge meines Schweizer Messers sei Dank, gelang es mir, mich der Gummihäute zu entledigen. Mehrere Erfahrungen dieser Art in der Vergangenheit verdanke ich die Reservegarnitur im Kofferraum. Rein stiefeltechnisch musste ich mich mit der kurzen Schwammerlgarnitur begnügen. 
Endlich trockengelegt, machte mich 30 Minuten später zurück auf den Weg zum Tatort und beschloß dabei endgültig, mir günstige Zweit-Waders samt Stiefelknecht zuzulegen. 
Getreu des Chinesischen Sprichworts: „Wenn Du es eilig hast, mach kleine Schritte“, umging ich diesmal sowohl grün schillernde Tellerminen, als auch reißfeste Brombeerfussangeln und vermied erneuten, durchblutungsfördernden Brennnesselkontakt.
Am Ziel angekommen, entschied ich mich, nach der Spurensicherung, für die immer wieder erfolgreiche Multi-Protein-Methode:
Meine „10er Spezial“, eine ausladende Grizzly Parachute mit CDC-Geflumsel an der Hechel und massigem, graubraunem Rabbit-Body, gebunden auf einem soliden, widerhakenlosen TMC Shrimphaken: Eben mein „Bavaria - Bumerang“!

Getreu der Allgäuer Devise: „A guatr Gaul ziat zwoimol“ pfriemelte ich geschwind die Wunderfliege mittels Turle-Knoten ans drei Meter lange, konische Hardy-Nylon mit 18er Spitze nach dem Pitzenbauer-Ringerl, um den mutmaßlichen Täter damit aus der Reserve zu locken. 
Dann vernünftig gedeckt zum Fisch stehen, guten Stand suchen, ein paar Mal tief durchatmen, zwei Leerwürfe, zehn Meter Service.

Die Präsentation gelang!

Eine längere, dreggfreie Drift – UUUUUUUND PFUMMMMMMMMMMMMMMMM!!! 

Der offene Schlagabtausch begann! 

Das Monster von vorhin hatte zum zweiten Mal gebissen! 
Nur diesmal auf meine leicht versunken angebotene Fliege, die gut saß, wie ich hoffte. 
Beim Nehmen der Parachute kam mir das Forellenmaul vor wie ein Scheunentor. 
Ich schätzte den, vorher in den Tiefen des Gumpens vermuteten, Feinschmecker nie und nimmer so mächtig ein. 
Die etwa achtpfündige Forelle flüchtete wie weiland der „Räuber Kneissel“ vor den Gendarmen, nahm schnell die in losen Klängen vor mir liegende Leine.


Immer wieder katapultierte sich der massige Körper aus dem Wasser, tauchte mit Getöse wieder ein, vollzog auf einmal für mich völlig irrationale Richtungswechsel und spurtete schließlich flussaufwärts etwa 15 Meter an mir vorbei. Dies dokumentierte der Schmerz, der sich durch die rasend drehende Rollenkurbel auf meiner linken Daumenkuppe bemerkbar machte. 
Jetzt war ich für die ruckfrei arbeitende Bremse der LOOP Opti Creek überaus dankbar. Das 18er Stroft hielt! 
Weiter stromauf erwartete den Flüchtigen bereits mein zuverlässiger Partner: 
Der etwa einen Meter hohe Absatz eines natürlichen Wehres, nun als äußerst wirksame Flußstraßensperre! 
Ich hatte beide Hände, Arme und Beine zu tun, dem Eumel zu folgen und die Schnur einigermaßen auf Spannung zu halten. Dabei war ich achtsam genug, um nicht mit Ästen, Schwemmholz und ähnlichem anzubandeln. 
Immer wieder ging mir durch den Kopf: Bitte, bitte nicht wie vorhin! Hängt sie gut? Knoten ? Au-Au–Au, uuuund kurze Stiefel ?!
Nach etwa zehn Minuten aufregenden Spektakels zeigte der Fisch seine, in Regenbogenfarben schillernde Flanke. Und was für ein Maul: Am Laichhaken hätte ich meinen Stetson aufhängen können. 

Ich bereitete mich vor, den scheinbar müden Flüchtenden in´s Netz zu nehmen und griff nach meinem Kescher. Als die Rainie ganz nahe war, musste ich erkennen, dass die aufreibende Verfolgungsjagd über Stock und Stein unterdessen ein Ausweiten des Hakenloches im Forellenmaul verursachte. Der Fisch, den ich auf etwa 70 cm schätze, drohte sich zu lösen und reckte mehrmals den mittleren Teil seiner Rückenflosse besonders hoch?! Hr. Effenberg ließ grüßen.

Einen letzte, verzweifelte Rolle über die Längsachse drehend, kam die kapitale Forelle schließlich frei, floh aber nicht panisch wie ein gewissenloser Täter. Viel mehr verweilte sie aufreizend noch eine kurze Zeit vor mir und ließ sich dann von der gleichmäßigen Strömung rückwärts in ihr Wohnzimmer treiben. 
 


Mangels Fotoapparat brannte ich diese traumhaften Momente mit Hilfe meiner Hirnströme auf meinen Arbeitsspeicher, wo ich sie immer wieder ´mal abrufe, wenn ich nicht einschlafen kann. 

So auch heute Nacht, Monate später, am Ende eines wunderbaren, wenn auch eiskalten Angeltages mit der 12er Vision, der mir zwar nicht den ersehnten Wertachhuchen an den großen Streamer brachte, aber aufmuntert, ein andermal die Täterverfolgung, auch nächstes Jahr an der Singold, erneut voller Hoffnung aufzunehmen.

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Meine Freiheit besteht darin, nicht das zu tun, was ich will, sondern das nicht zu tun, was ich nicht will.
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... und Sie, werter Leser, können sich an statt von Fotos dieser, verlorenen Forelle, in diesem Beitrag an einigen anderen Fotos dieses Gewässers und seiner wunderbaren Bewohner erfreuen...

Daten & Facts
Die Singold-Strecke in Holzhausen beginnt bei Buchloe und endet in Igling. 
Die Tageskarte kostet € 25.-.
Link zu den Ausgabestellen, bzw Homepage des Fischereivereins Augsburg: www.fva-ev.de/downloads/unsereausgabestellen.pdf
Beschreibung Singold Holzhausen / Igling: 5 km Salmonidengewässer
Hauptfische: Bach- und Regenbogenforelle, Äschen, Bachsaibling, und einige Weißfische
Gewässerbeschreibung: von schnell- in langsamfließend, mit flachen und tiefen Abschnitten. Es gibt überhängende Bäume und Sträucher, sowie unterspülte Ufer
Verfügbare Erlaubnisscheine: Tages- und Jahreskarten vom 01.03. - 30.09
Erlaubt ist 1 Handangel
Köder: Nur widerhakenlose künstliche Fliege.
Hilfsmittel wie Wasserkugel, Schwimmer, Tiroler Hölzle etc. sind verboten. Bootsfischen verboten. Nachtfischen verboten. 
Achtung! Beachten Sie die Befahrungsverbote der Wege mit dem Kfz.
Beachten Sie die bei den Kartenausgabestellen aufliegende Gewässerordnung!
Fangbeschränkung pro Kalendertag: 2 Salmoniden, davon jedoch nur eine Äsche.
Aktuelle Infos findet man auf der Homepage des Fischereivereins Augsburg unter www.fva-ev.de, ebenso Kartenmaterial zum Gewässer und zur Anfahrt.

Ein Beitrag von Christian Rotter für www.fliegenfischer-forum.de - im April 2010. Das unerlaubte Kopieren und Verbreiten von Text- und Bildmaterial aus diesem Beitrag ist verboten.
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