Fliegenfischen im Camp Tjuonajokk, Juli 2010 
Ein Reiseericht von Silvio, Marcel, Simon und Claudio

Letztes Jahr im Oktober hatten wir vier uns beim Fliegenfischerkurs Lienz von Ruedi Brumann kennengelernt. Wir beschlossen, auch nach dieser Woche gelegentlich zusammen Fischen zu gehen. Im Dezember hatte Silvio die Idee, im nächsten Sommer nach Schwedisch Lappland ins Camp Tjuonajokk zu fahren. Wir hatten schon alle davon gehört und waren begeistert. So fing alles an und in den folgenden Monaten tätigten wir die Reisevorbereitungen ...
Samstag
Am 3. Juli 2010 war es endlich soweit. Wir flogen von Zürich nach Stockholm, von Stockholm nach Kiruna und mit dem Helikopter weiter ins Camp Tjuonajokk.
Um 16:00 Uhr dort angekommen, erwartete uns ein erstklassiger Empfang. Jeder Angestellte des Camps war um den landenden Helikopter versammelt, um sich den neuen Gästen vorzustellen. Unser Gepäck wurde sogleich ergriffen und in unsere Blockhütte gebracht, während dessen uns bei einem Rundgang das Camp gezeigt wurde. Das Camp liegt direkt an einem See, welcher vom Kaitum Fluss gespeisst wird und in diesen wieder ausfliesst - nennen wir ihn Kaitumsee. Obwohl es uns allen schon im Wurfarm juckte und unsere Ruten sich danach sehnten, gegeißelt zu werden, hielten wir dem Drang stand und beschlossen erst einmal, uns in der Hütte zu installieren und danach zu Abend essen.
Um 20:00 Uhr ging es dann endlich ans Wasser! Mit unseren 2 Booten fuhren wir flussabwärts bis zu den ersten Stromschnellen, wo es - zumindest mit unseren Booten - nicht mehr weiterging. Da der Motor des Bootes von Marcel und mir bei Vollgas immer absoff und wir zwei von der Gewichtsklasse her etwas schwerer sind als die anderen beiden, trafen wir etwas später am Ziel ein. Am linken Flussufer parkten schon ein paar Boote, deshalb entschieden wir uns für das rechte. Im Verlauf dieses Abends machten wir Bekanntschaft mit zwei der ständigen Unannehmlich- keiten am Kaitum. Moskitos - am ersten Abend fraßen sie uns fast - und die allgegenwärtige Gefahr, beim Waten Baden zu gehen.
Dieses rechte Flussufer hatte es in sich; starke Strömung und große Steine mit Hohlräumen dazwischen unter Wasser. Nacheinander nahmen Marcel, Simon und Silvio ein Bad. Ich selbst blieb an diesem Tag vorerst noch verschont. Gefischt haben wir an diesem Abend praktisch nur mit der Nymphe, da wenig Aktivität an der Wasseroberfläche zu erkennen war. Mit den gefangenen Äschen gab uns der Kaitum einen ersten Geschmack, was uns diese Woche noch erwarten würde. Was uns erstaunte, war dass die arktischen Äschen kaum nach Thymian duften. So fischten wir bis Mitternacht und wir merkten nur anhand der Uhr, dass es schon so spät war, denn es war immer noch taghell. Auf der Rückfahrt mit dem Boot mussten wir uns regelrecht beherrschen, um nicht wieder unsere Ruten hervorzuholen und die steigenden Fische anzuwerfen. Oftmals sieht man nur die Rückenflosse welche für ein paar Zentimeter aus dem Wasser schaut. Zurück in unserer Blockhütte, welche übrigens den Namen "Örnen" -  schwedisch für Adler - trug, träumten wir süss von den erlebten Drills.

Sonntag
Heute wollten wir Stromaufwärts fahren, bis an die Stelle, wo der Kaitum in den See fliesst. Wir hatten vor, mit zwei voll funktionsfähigen Booten diese weite Strecke zurückzulegen, deshalb meldeten wir noch vor dem Morgenessen den Defekt des Kahnes Nummer 8.
Beim Starten merkten wir aber, dass der Motor nach wie vor noch nicht in Ordnung war. Die an uns vorbeigehenden Guides meinten aber, er wurde repariert. So fuhren wir los, kamen aber nicht weit. Nach 300 Metern soff er ab und wollte auch nicht mehr anspringen. So mussten uns Silvio und Simon zurückschleppen.

Der Motor wurde ausgewechselt und es konnte losgehen. Nach etwas über einer Stunde kamen wir am Ziel an. Um nicht an den Felsen der Untiefen hängenzubleiben, stellte Marcel unseren Motor ab und nahm ihn aus dem Wasser. Als er ihn wieder anlassen wollte, hatte er auf einmal die lose Kordel in der Hand. Ohne Werkzeug war es unmöglich den Schaden zu reparieren. So legten wir die letzten Meter rudernd zurück und verschoben das Problem auf den Abend.
Vorerst fischten wir mit der Nymphe und Marcel fing gleich drei schöne Farios, was ungewöhnlich - so sagte man uns - für den Kaitum ist. Es gibt dermaßen viele Äschen, dass diese meistens schneller am Köder sind als die Forellen.
Zum Mittagessen - wie übrigens jeden Tag - gab es Äschenfilets am Lagerfeuer. Silvio war zuständig für's Feuer, ich für's Ausnehmen der Fische,  Marcel für's Filetieren und Simon für's Kochen. Nur Fangen und Essen musste jeder seinen Fisch selber. Dazu gab's Brot, Reis oder Teigwaren, ebenfalls am Feuer gekocht. Für's leibliche Wohl war also bestens gesorgt.
Gegen 18:00 Uhr mussten wir wieder zurückfahren, denn wir hatten uns für's Abendessen im Haupthaus angemeldet.
Wir hatten aber immer noch das Problem der abgerissenen Starterkordel eines unserer Boote. Wir luden alle bis auf zwei unserer Ruten in das defekte Boot, stiegen alle ins andere und schleppten das Erstere ab. Unterwegs sahen wir auf dem glatten See wieder einmal Äschen steigen. Simon stellte den Motor ab, packte seine 5er Helios und präsentierte einem der steigenden Fische eine Trockene, welche dieser sogleich nahm. Der anschliessende Drill wurde selbstverständlich über und unter Wasser fotografiert und gefilmt. Simon konnte eine schöne 40er Äsche landen. Überhaupt sind die verschiedenen Berichte über die Durchschnittsgröße von 40 cm der Äschen am Kaitum keinesfalls übertrieben. Kaum war der Fisch wieder in Freiheit entlassen, packte auch Silvio seine Rute und wurde wenig später ebenfalls mit einem Fisch belohnt. 
Marcel und ich durften zuschauen, einerseits weil sich unsere Ruten auf dem anderen Boot befanden, andererseits weil wir sowieso nicht zu viert von einem Boot aus fischen konnten. Wir freuten uns aber mit den anderen beiden.
Nach ein paar weiteren Fischen ging's zurück. Im Camp erwartete uns ein fantastisches Abendessen, bestehend aus Vorspeise, Hauptgang und Dessert. Wunderbar angerichtet, mit einem erstklassigen Service aufgetischt und noch besser schmeckend.
Danach ging's selbstverständlich nochmals zum Fischen. Wir ließen uns Flussabwärts treiben und fischten die steigenden Fische mit der Trockenen an. Bei den Stromschnellen vom ersten Abend angekommen, legten Simon und Silvio am Ufer an, Marcel und ich wollten es nochmals im See versuchen. Der Wind blies allerdings mittlerweile so stark, dass keine steigenden Fische mehr auszumachen waren. So fuhren wir ins Camp zurück.
Montag
Wir liessen uns vom Wassertaxi zu einer Insel bringen, zu welcher man mit dem Mietboot nicht hinkommt. Ziemlich in der Mitte der Insel, auf welcher wir uns befanden, richteten wir unser Lager für das Mittagessen ein.
Silvio und Simon fischten gleich hier. Marcel und ich erkundeten die Insel.
Am unteren Ende fanden wir eine 50 Meter breite und maximal 2 Meter tiefe Bucht, in welcher das Wasser sehr langsam floss. Hier nahm nun auch ich mein unfreiwilliges Bad.
Was wir um die Insel erlebten, stellte alles bisher Erlebte in den Schatten. Mittlerweile hatten wir komplett auf die Trockenfischerei umgestellt, da wir gemerkt 
hatten, dass die Äschen im Kaitum auch steigen wenn keine Aktivität an der Wasseroberfläche zu erkennen ist. Mancher unter uns überlistete einen Fisch nach dem anderen. Wir fingen an verschiedene Muster zu testen und die Äschen nahmen selbst die Unmöglichsten. Trotzdem gab es natürlich aber Fliegen, welche besser genommen wurden als andere.

Das einzige, was an diesem wunderschönen Fischertag nicht mitmachen wollte, war das Wetter. Es regnete praktisch ununterbrochen. 

Auch die stärksten Regengüsse können dem Kaitum allerdings nichts anhaben, die Moorlandschaft saugt das überschüssige Wasser auf und die Gewässer erfahren praktisch keine Trübung. Und einem "Besessenen" kann ein bisschen Wasser von oben - unten steht man sowieso drin - nichts anhaben.
Um 17:00 Uhr wurden wir vom Wassertaxi wieder abgeholt. Im Camp angekommen, ging's vor dem Abendessen noch in die mit Sicht auf den See gelegene Sauna.
Nachdem wir wiederum vorzüglich diniert hatten, gingen wir natürlich nochmals fischen. Silvio fing gleich bei Ankunft an der ersten Stromschnelle eine schöne 50er Bachforelle mit der Trockenfliege. Und auch die eine oder andere Äsche liess sich wieder kurz überreden aus dem Wasser zu schauen.
Dienstag
Am nächsten Tag ging's wiederum zum Einlauf des Sees. Diesmal ohne Motorprobleme. Am Sonntag hatten wir hier praktisch nur mit der Nymphe gefischt. Wenn man sich die Kombination aus Wassertiefe und Strömung hier so anschaut, würde man auch nie vermuten, dass man mit der Trockenen Erfolg haben könnte. Trotzdem ist es aber so. Man bietet eine Trockenfliege auf Verdacht an und die Äschen kommen aus der Tiefe geschossen wie Delphine. So verbrachten wir wiederum einen spektakulären Fischertag.
Am Abend hatten wir uns für's Essen abgemeldet, da wir vor hatten, uns den See hinab treiben zu lassen und ausgiebig die Oberfläche mit der Trockenen zu befischen. Vor allem Marcel fing buchstäblich einen Fisch nach dem anderen.
Mittlerweile befanden wir uns in einer grossen Bucht mit einem interessanten Bachauslauf. Silvio und Simon legten dort an und befischten das Delta mit dem Streamer. Simon hakte nach kurzer Zeit eine Äsche. Vor seinen Füßen ereignete sich plötzlich ein großer Schwall: und ein hervor schießender Hecht hatte sich die Äsche gegriffen! Danach fing er mit dem Streamer zwei weitere kleine Hechte. In der Zwischenzeit waren Marcel und ich ans andere Seeufer gefahren, wo auch wir einen in den See fließenden Bach entdeckten. Wir fischten allerdings nicht, sondern genossen einfach die Landschaft.
Um 22 Uhr fuhren wir zurück zum Camp wo wir noch zwei zuvor gefangene Äschen àla Mäse genossen. Die anderen beiden kamen erst gegen 02:00 Uhr zurück und erzählten uns von ihren erlebten Ereignissen.
Mittwoch
Am Mittwoch mieteten wir einen 2-PS-Motor, welchen wir zu dem höher gelegenen, kleineren Leaffá See buckelten, um dort auf Hecht zu fischen. Zuerst mussten wir mit unseren Booten den See überqueren, was 30 Minuten dauerte. Dann ging's eine weitere halbe Stunde zu Fuß einen wunderschönen Bach entlang, bis wir am See angelangten. Dort waren 3 Boote platziert, von welchen wir zwei ins Wasser hievten.
Sogleich montierten wir die Streamer an unsere Hecht- Ruten.
Wieder einmal war Marcel der erste, der einen Fisch fing. Eine 50er Äsche mit einem 10cm langen Streamer am Hardmono-Vorfach! Soll uns gegenüber wiedereinmal einer behaupten, Äschen seien heikel! Auf diesen anstrengenden Drill hin beschloss er, sich ins Boot zu legen und ein Nickerchen zu machen. Ich selbst geißelte ununterbrochen meine Rute. Nachdem ich mir im Sitzen den schweren Hechtstreamer zum x-ten Mal ans Schulterblatt oder an den Hinterkopf geknallt hatte - Marcel mokierte sich während dessen im Halbschlaf über meine Wurfkünste - entschloss ich mich, im wackeligen Boot aufzustehen.
Beim nächsten Einstrippen sah ich aus dieser höheren Perspektive plötzlich einen ca. 1 Meter langen Hecht unter unserem Boot auf meinen Streamer zuschießen. Sogleich kam ein zweiter aus der entgegengesetzten Richtung dazu. Vorerst schnappte sich aber keiner der beiden meinen wunderschönen Streamer. Vom Standort der Hechte ein paar Meter abgetrieben, warf ich wieder in ihre Richtung. Sogleich spürte ich einen Wiederstand und schlug an. Die erste Flucht riss mir meine Sage Xi2 aus der Hand! Reflexartig konnte ich sie im letzten Moment vor den Tiefen des Sees retten - mit den entsprechenden Kommentaren von Marcel! Nach der zweiten Flucht war der Wille und die Kraft des 90 cm langen Hechtes bereits gebrochen.
Wenig später fing auch Silvio seinen etwa gleich großen Hecht. Dieser wehrte sich bedeutend stärker. Vielleicht lag es aber auch an seiner Rute; eine Bass Series von Sage. Später verfing sich Simon's Fliegenschnur dummerweise im Rotorblatt des Motors. Sie zerriss und er konnte nicht weiterfischen. Auf dem Rückweg zu unseren Booten am Kaitumsee fischte Simon im nicht mehr als 3 Meter breiten Bach mit der Trockenfliege. Erstaunlicherweise gab's auch hier vor allem Äschen. Zurück im Camp ging's wieder ab in die Sauna, danach unter die kalte Dusche - weil wir etwas spät dran waren, war das warme Wasser schon alle.
Zum Abendessen gab's unvergleichliches Rentier-Filet. Die Chefin rügte uns mit dem Vermerk, dass es etwas zäh sei, weil wir nicht rechtzeitig zurückgekommen waren. Da wir unbedingt erfahren wollten, wie viel besser es noch schmecken würde, wenn's nicht zu lang im Ofen war, bestellten wir es gleich wieder für den letzten Abend.
Donnerstag
Heute wollten wir eigentlich wieder zur Insel mit dem Wassertaxi. Allerdings waren schon 8 Leute dort und so entschieden wir uns wieder für die erste Stromschnelle.
Am Nachmittag bot Marcel mit seiner erst vor einer Woche gekauften 6er Rute eine Nymphe an einer schnell fließenden Stelle an. Biss, Anhieb und seine Rute zerbrach knapp unter dem Verbindungsstück, wo der zweite Teil in den Griffteil gesteckt wird...
Ich hörte ihn noch sagen: "Spätestens die Nymphe wird sich in einer der Ringe verfangen"; denn die restliche Rute war in der schnellen Strömung abgetrieben.
Als er aber an der Schnur zog wurde klar, dass gar nichts mehr daran hing; das Vorfach war ebenfalls gerissen. Was da ganz genau geschehen war, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben...

Freitag
Am Freitag, leider unser letzter Tag, fuhren wir wieder zur Insel. Heute war Simon dran mit der 50er Forelle. So hatte jeder außer mir eine gefangen.
Halt! Auch ich fing an diesem Tag Forellen, allerdings waren sie nur um die 20cm klein.

Später ging mir eine mit einem roten Stift im Rücken markierte Äsche an den Haken.

Am Abend teilte mir die Chefin mit, dass es sich dabei um einen vor über 10 Jahren ausgesetzten Fisch handelt.
Zwar maß sie stattliche 45cm, hält man sich aber vor Augen, dass sie über 10 Jahre alt war, wird einem klar, wie langsam die Äschen im Kaitum wachsen und wie heikel das Ökosystem sein muss.

Nach sieben unvergleichlichen Fischertagen, ohne Strom, fliessendes Wasser und vor allem ohne Natelempfang mussten wir am Samstag wieder in die Realität zurück.
Kaitum wir kommen wieder!
Claudio


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Die Anreise erfolgt am schnellsten mit dem Flugzeug über Kiruna (die nördlichste Stadt Schwedens), alternativ für Leute, die Zeit haben, mit Fähre und PKW - oder mit der Bahn. Ab Kiruna weiter mit dem Helicopter. Üblicherweise reichen für die Äschenfischerei 9 Fuß lange Fliegenruten der Klassen #5-#6 und Schwimmschnüre aus, als Fliegen kommen hauptsächlich trockene Köcherfliegenmuster zum Einsatz, aber auch andere Muster, sowie evtl. versch. Nymphen und Streamer. Zum Hechtfischen wird eine 9 Fuß lange Fliegenrute der Klasse #8 oder #9 eingesetzt, mit Schwimm- und Sinkschnüren, sowie den üblichen Groß-Streamern.



Ein Reisebericht von Silvio, Marcel, Simon und Claudio für www.fliegenfischer-forum.de - Juni 2011.
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