Rundtischgespräch Kormoranmanagement
in Thüringen
Gesprächsnotitz
Am 07.06. 2000 fand im Vereinsheim
der Jenaer Anglerunion e.V. auf Einladung des NABU-Landesverbandes Thüringen
und des Verbandes für Angeln und Naturschutz Thüringen ein Rundtischgespräch
zu Möglichkeiten eines Kormoranmanagements in Thüringen statt.
Das Ziel der Veranstaltung bestand
darin, Erfahrungen bei der Umsetzung der bisherigen Thüringer Kormoran-Verordnung
auszuwerten und Schlußfolgerungen für den künftigen Umgang
mit der Kormoranproblematik zu ziehen.
Teilnehmer:
Herren Kummer (MdL PDS); Top (Fraktionsreferent
der CDU-Fraktion im Thür. Landtag); Dr. Wengerodt (TMLNU); Hohlstein
(TMLNU); Dr. v. Knorre (NABU); Dr. Gabler (VDSF); Pleikies (VDSF); Frau
Schumann (AFVOT); Herren Kirsch (VANT); U. Müller (VANT); Posselt
(ThFV); Schmidt (ThFV) sowie Vertreter von Vereinen, Pacht-und Hegegemeinschaften
der Thüringer Anglerverbände (Greiz, Gebesee, Untere Werra, Mittlere
Saale, AU Jena)
Tagesordnung (lt. Einladung)
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Erfahrungen und Ergebnisse der Umsetzung
der bisherigen Thüringer Kormoran-Verordnung
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Stand der Vorbereitung zur Neufassung
einer Thüringer Kormoran-Verordnung
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Möglichkeiten eines erfolgreichen
Managements der Kormoranbestände in Thüringen
-
Einflußnahme der Thüringer
Landesregierung und -politik auf einen Europäischen Kormoran-Managementplan
zu TOP 1
Zusammengefaßt wurden von den
Teilnehmern der Verbände folgende Probleme wiedergegeben:
1. Antragstellung auf Abschuß
an die unteren Naturschutzbehörden
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sehr unterschiedliche Herangehensweise
in den einzelnen UNB
-
in einigen Fällen bewußte
Verschleppung der Antragsbearbeitung und bürokratische Forderungen,
um Anträge hinauszuzögern oder abzulehnen (Nachweis erfolgloser
Vergrämung, Schadensnachweise u.a.)
-
Beratungen fanden mit den unteren Naturschutz-,
Jagd- und Fischereibehörden u.a. in den Kreisen HBN, WAK, SLF, SÖM
und SM statt. Entgegen von Versprechungen und Vorschlägen dieser Beratungen
wich die praktische Umsetzung im konkreten Fall oft ab. Relativ unkompliziert
verlief die Antragsbearbeitung im Kreis SM, verzögert im Kreis SLF,
ergebnislos im Kreis SÖM
-
letztlich setzte jede UNB die VO nach
eigenem Ermessen um, was ein einheitliches Handeln in Thüringen massiv
behinderte
-
Die schnellste und unkomplizierteste
Bearbeitung von Anträgen erfolgte durch das TMLNU vor Inkraftsetzung
der KorVO
2. praktische Umsetzung von Abschußgenehmigungen
-
am wenigsten traten Probleme dort auf,
wo Angler und Fischer zugleich Jagdausübungsberechtigte waren
-
in anderen Fällen waren Jäger
aufgrund des hohen bürokratischen (umfangreiche Nachweisführung)
und materiellen Aufwandes (Munition, Entsorgung) nicht immer zur Umsetzung
der Abschüsse zu gewinnen.
-
Im Winterhalbjahr 98 / 99 wurden von
64 genehmigten Abschüssen lediglich 16 realisiert. Ursache: u.a. Erteilung
der Genehmigungen kurz vor Ablauf der Jagdzeit
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alle vor der Antragstellung geforderten
Vergrämungsmaßnahmen haben sich nahezu ausnahmslos als unwirksam
bzw. nicht praktikabel erwiesen. Sie führten entweder zur Gewöhnung
oder Störung anderer Tierarten und der Bevölkerung bzw. mußten
aus Gefährdungsgründen (Lasergewehr) eingestellt werden.
3. Auswirkungen der unzureichenden
Vergrämung
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lokal erhebliche Schäden in der
Berufsfischerei (unmittelbare und Folgeverluste z.T. über 90 %)
-
ebenso hohe Verluste in beträchtlichen
Abschnitten von Fließgewässern und in stehenden Gewässern
(Dezimierung bedrohter Fischarten bzw. geförderter Besatzmaßnahmen
nach Fischsterben)
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letztlich erhöhter Nahrungsbedarf
der Kormorane infolge von Vergrämungsmaßnahmen
zu TOP 3
-
Änderungsverordnung zur ThürKorVO
rückwirkend zum 16.03.00 am 02.05.00 vom Kabinett verabschiedet
-
Stellungnahmen der Thüringer Angler-
und Berufsfischereiverbände sowie des NABU blieben unbeantwortet und
damit unberücksichtigt. Es stellte sich die Frage nach dem Sinn
einer Stellungnahme durch die Verbände?!
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Änderung der jetzigen Fassung der
VO gegenwärtig kaum möglich
zu TOP 3
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mehrheitlich übereinstimmende Meinung:
Einzelabschuß wirkungsvollste Art der Vergrämung
-
zur Erhöhung der Effektivität
von Vergrämungsabschüssen sind notwendig:
-
Abbau bürokratischer Hürden
(umständliche Schadens- und Vergrämungsnachweise)
-
vorbeugende bzw. ereignisnahe Entscheidungen
durch die zuständigen Behörden
-
Änderung der Zuständigkeiten
(Rücknahme der Zuständigkeit der unteren Behörden) oder
Absicherung einer einheitlichen Handlungsweise der unteren Behörden
durch einen unmißverständlichen Erlaß zur Umsetzung der
KorVO.
-
Brutversuche von Kormoranen sind in
Thüringen konsequent zu unterbinden. Daraus schlußfolgernd stellt
sich gleichzeitig die Frage nach dem Sinn einer Schonzeit für Kormorane
in Thüringen.
-
Forderungen des Vogelschutzes nach "Ablenkgewässern"
für Kormorane erscheinen für Thüringen unrealistisch, da
diese aufgrund der natürlichen Gewässerarmut nicht zur Verfügung
stehen. Diesbezügliche Experimente in Ostthüringen haben keinen
nennenswerten Erfolg gebracht.
-
Hoffnungen auf eine biologische Lösung
über das "Räuber-Beute-Gleichgewicht" können in der Thüringer
Kulturlandschaft weder von der Berufs- noch von der Angelfischerei toleriert
werden. Sie stellen die Existenz der Berufsfischerei in Frage und stehen
im direkten Widerspruch zur gesetzlichen Hegeverpflichtung der Fischerei
in natürlichen Gewässern.
-
Fazit: Um die Schäden durch
Kormorane in der Berufsfischerei und den natürlichen Fischbeständen
zu minimieren, scheint eine Reduzierung der Kormoranbestände in Thüringen
auf ein erträgliches Maß unumgänglich. Synergieeffekten
durch naturfernen Gewässeraus- und verbau ist mit Renaturierungsmaßnahmen
zu begegnen.
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Offen bleiben zur Zeit die Fragen
nach dem für die Thüringer Kulturlandschaft verträglichen
Maß der Kormoranbestände und der Finanzierung notwendiger Renaturierungsmaßnahmen.
Zu TOP 4
-
Deutschland hat gegen den Entwurf eines
EU- Kormoranmanagementplanes gestimmt da dieser unzureichend und ohne konkrete
Verpflichtungen gegenüber den Mitgliedsstaaten abgefaßt war.
Der Plan wurde letztlich ohne eine Mitgliedschaft Deutschlands in Kraft
gesetzt.
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Aus diesem Umstand ergibt sich das Problem,
daß weder die Bundesregierung geschweige denn die Thüringer
Landesregierung maßgeblichen Einfluß auf ein gesamteuropäisches
Kormoranmanagement ausüben kann.
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Unter Beachtung von EU-Rechtsnormen
und -kontrollen sind daher regionale Lösungen in den einzelnen Bundesländern
gefragt.
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Hauptproblem für Thüringen:
ein Eingriff an der Wurzel (Brutkolonien) steht hier nicht zur Disposition,
da Thüringen ein "Transit- bzw. Überwinterungsgebiet" für
Kormorane ohne eigene Brutkolonien ist.
Schlußfolgerungen/ Festlegungen:
1. Schritt: Die Forderungen der Thüringer
Fischerei zur effektiven Umsetzung der KorVO
sind zu konkretisieren. Dazu ist
kurzfristig eine Beratung mit kompetenten Vertretern der Thüringer
Angler- und Berufsfischerverbände einzuberufen.
VA: Thüringer Fischereiverband
e.V.
2. Schritt: Bildung eines Arbeitskreises
zur Gestaltung eines praktikablen Erlasses zur Um-
setzung der KorVO unter Mitwirkung
der Thüringer Angler-und Berufsfischereiverbände, des NABU, des
Thüringer Jagdverbandes und des Thüringer Landesverwaltungsamtes.
Für den Inhalt der Gesprächsnotiz
zeichnet:
Andreas Kirsch
Geschäftsführer im Verband
für
Angeln und Naturschutz Thüringen
Suhl, 15.06.00
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