Meerforellenfischer's Tagebuch – Rügen, März 2007 Bericht und Fotos von Michael Müller |
Rügen
übt seit jeher eine große Anziehungskraft auf Angler aus. Das
ist auch verständlich – weist die Insel doch eine große Anzahl
vortrefflicher Küsten-Angelplätze und fischreiche Boddengewässer
auf. Zu fast jeder Jahreszeit machen bestimmte Fischarten das Angeln auf
Rügen zum besonderen Erlebnis – sei es auf Hering, Meerforelle, Hornhecht,
Aal, Plattfisch, Hecht. Barsch u.a.. Meerforellenangler haben auf Rügen
allerdings wirklich kein leichtes Spiel. Zwar weist die Insel einige absolut
erstklassig anmutende Reviere auf. Andererseits gibt es aber auch eine
ganze Reihe nicht zu vernachlässigender Widrigkeiten. Da Rügen
weder Laichgewässer für Meerforellen aufweist, noch Besatzmaßnahmen
durchgeführt werden, sind die Bestände gegenüber dänischen
Verhältnissen oder denen in der westlichen Ostsee entsprechend dünn.
Woher die Meerforellen um Rügen stammen, ist nicht 100%ig verbürgt.
Sicher kommen sie zum Großteil aus polnischen Gewässern, aber
auch aus Oder- und Warnow-Beständen und als Zuwanderer aus Dänemark
und Schweden.
Die großen (und wenigen) Meerforellen, die Rügen regelmäßig in die Schlagzeilen bringen, folgen den Herings- Laichzügen, welche sich im Frühjahr um die Insel einfinden. Dementsprechend kurz ist die Meerforellen-Hauptsaison auf Rügen: sie beschränkt sich im wesentlichen auf die Monate Februar bis Anfang Mai. Die Herbstsaison fällt wegen der gesetzlichen Schonzeit in Mecklenburg-Vorpommern komplett aus. In der Hauptsaison muss sich der Meerforellenangler die aussichtsreichen Plätze mit zahlreichen Netzfischern teilen, die ihre Netze oft viel zu dicht und unverschämterweise bis in die nähere Uferregion stellen. Viele der guten Angelplätze auf Nordrügen sind nur mit guter Kondition zu erreichen und zu befischen. Wassernähe Parkplätze gibt es kaum – längere Fußmärsche (oder mit dem Rad...) sind fast immer Pflicht. Die meisten Watgründe besitzen aufgrund ihrer Steinigkeit den Schwierigkeitsstatus „schwierig“ bis „katastrophal“. Das Watfischen ist oft nur unter größter Mühe möglich. Ohne einen stabilen Watstock und robuste Watschuhe, die über die Knöchel hinauf reichen, sollten Sie diese Strände gar nicht erst betreten, es sei denn, sie möchten sich ernsthaft weh tun. Wenn der Wind ungünstig weht, werden einige Abschnitte der Küstengewässer Rügen’s zu trüber „Kreidepampe“, das Fischen ist dann tagelang aussichtslos. Andererseits lässt sich auf Rügen bei nahezu jedem Wind und jeder Windstärke ein Plätzchen zum Angeln finden! Ein weiteres Ärgernis: Im Nordosten und Osten der Insel sind nahezu alle aussichtsreichen Landspitzen Naturschutz- gebiete, die (vom Ufer aus) nicht beangelt werden dürfen. Diese unnütze Reglung sollte wirklich mal überdacht werden. Welchen Schaden sollte denn ein umsichtiger Watangler z.B. vor Stubbenkammer anrichten, während es am Strand nur so von Wandertouristen wimmelt, die tütenweise Steine und Fossilien wegschleppen und die sich oftmals nicht an Absperrungen oder Verbote halten... ? Trotz alledem besteht für den Meerforellenangler auf Rügen die reelle Chance, eine große Meerforelle oder sogar die Meerforelle seines Lebens zu fangen. Vorausgesetzt natürlich, er passt sich den örtlichen Gegebenheiten an, bringt eine große Portion Ausdauer mit, ist flexibel in der Auswahl seiner Fischplätze und hat die nötige Portion Glück. Nun zu meinen Erlebnissen – im März 2007... |
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Strand bei Nardewitz |
Montag, 12.03.2007:
Fahrt nach Rügen, schönes Wetter und Sonne, bis zu 18°C. Fahrt verläuft prima – in fünfeinhalb Stunden sind wir schon in Stralsund! Das blaue Wunder (gewaltige neue Brücke nach Rügen!) ist noch im Bau, wirkt aber schon sehr eindrucksvoll. Auf dem Rügendamm stehen zur besten Nachmittagszeit nur drei Angler. Wie das, sind die Heringe etwa noch nicht da? Wie immer schleppender Verkehr durch Rügen. Kommen am Spätnachmittag in Glowe am Rande der “Schaabe“ im Norden Rügens an und beziehen Quartier. Erfahren in der Herberge: die Heringe sind doch da, schon seit Wochen! Mache Abends einige Würfe rechts vom Hafen – ohne Kontakt. Fischernetze stehen, aber ein Stück weiter draußen... Dienstag, 13.03.2007:
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Oben / Unten rechts: Strand bei Nobbin/Vitt |
Mittwoch,
14.03.2007:
Heute wollte ich eigentlich gleich ab morgens 08:00 Uhr wieder bei Glowe fischen. Der Wind hat jedoch auf einen frischen West 5+ aufgefrischt, so dass mir die Stelle nach einem Blick zum Hafen nicht aussichtsreich befischbar erscheint. Fahre dann Richtung Puttgarden, um bei Vitt auf der windabgewandten Seite zu fischen. Es ist leider mit dem Auto nicht möglich, im Bereich Vitt in die Nähe der Küste zu gelangen – Parken in Puttgarden, der Rest ist Auto-Sperrgebiet um das Kap Arcona herum (hier ebenfalls herrliche Angelplätze – und erlaubt !). Ich finde eine Parkmöglichkeit, in der Nähe des Ortes Nobbin. Von dort, am westlichen Ende der „Schaabe“, lässt es sich auf über 5 Kilometern in nördlicher Richtung bis hinauf zum Kap Arcona fischen, die Strecke sieht sehr vielversprechend aus. Anschließend liegt dann die ganze Nordküste vor einem... Der ganze Bereich südlich von Vitt ist durchsetzt von Sand |
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und Steinen, die Gewässerpartien sind überwiegend flach und mit Blasentang bewachsen, der oft bis knapp unter die Oberfläche reicht. Fazit: ständig Hänger, egal wie flach Fliege oder Küstenwobbler laufen. Trotzdem: fischig und hochinteressant - sieht aus wie ein ideales Fressrevier! Das beweisen auch die zahlreichen Fischernetze – der ganze Abschnitt ist in regelmäßigen Abständen mit Netzen regelrecht zugepflastert. Ich erfahre leidvoll, dass diese Netze nicht nur parallel zum Ufer stehen, sondern auch lange Ausleger Richtung Ufer haben (wie ein umgekehrtes „F“), die nicht markiert sind! Breche nach rund 4 Stunden ohne Fischkontakt ab, kraxle die Steilküste hoch und laufe die lange Strecke zum Auto zurück. Nach 17:00 Uhr probiere ich es wieder in Glowe. Der Westwind kommt hier von links und siehe da: es ist ja doch fischbar! Obwohl der Wind hier wirklich ganz schön pfeift... Mache nach einem anstrengenden aber schönen Fischtag ohne Fische am Abend Schluss. |
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Oben / Unten links: Strand bei Glowe |
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Donnerstag,
15.03.2007:
Das Wetter ist heute hochnebelartig bedeckt. Der Westwind weht immer noch frisch um Stärke 5. Schaue mir heute gründlich die optisch sehr gut aussehende Strecke Glowe – Nardewitz an. Zwei Mitangler fischen bereits in Hafennähe. Ich wandere zunächst 1 – 2 Kilometer weiter, bis ich in der Ferne weitere 7 (!) Angler im Wasser stehen sehe. Für fehmarnsche Verhältnisse ist das sicher noch nicht viel Betrieb, für Rügen aber sicher schon... finde ich. Mir bleiben mehrere Kilometer Fischerei in der Mitte, die ich gründlich nutze, jedoch über einige Stunden gänzlich ohne Fischkontakte. Auf dem Rückweg am Abend treffe ich Angler Nummer 10 und sehe, dass der Fischer die Netze neu ausgebracht hat, diesmal viel näher am Ufer... |
Freitag, 16.03.2007:
Finde heute bei Lohme (West) mein Plätzchen. Wetter morgens bis in den Vormittag hinein diesig regnerisch, nach wie vor Windstärke 5 aus West. Später wird es sonnig mit Tageshöchsttemperaturen um 9°C. In Lohme kann man links bei der Kleingartenanlage hinter dem „Abrutschhaus“ (interessant, aber sicher sehr ärgerlich für den Besitzer...) parken. Dann kann man direkt an besagtem Hang zum Strand herunter kraxeln (mühsam) oder die langen Treppen zum Hafen herunter steigen (besser). Anschließend kann kilometerweit nach Westen gefischt werden – ein Revier der Extraklasse – zumindest optisch – Steine in allen Größen und Findlinge liegen am Ufer und im Wasser, Blasentang-Gründe machen das Revier hoch interessant. Ohne die Verwendung eines Watstockes sollte hier keinesfalls gefischt werden, dieser Strandabschnitt ist in Bezug auf angeschlagene Fußknöchel und blaue Flecken an den Schienbeinen wahrscheinlich der mühsamste Strand auf Rügen. Im Rücken hat man beim Fischen das durchweg bewaldete Hochufer, die Sonne kommt hier im Frühjahr kaum zum schmalen Strand durch. Fische das Revier gut 4 Stunden gründlich durch – ohne jegliche Fischkontakte. Weiter draußen sind mehrere Fischernetze zu sehen. Den Rückweg muss man nicht über den steinigen Stand vornehmen, sondern diesen kann man sehr bequem über den auf halber Hanghöhe gelegenen Wanderpfad Lohme – Nardewitz nehmen. Aus dem Wald fließen hier auf der ganzen Strecke zahlreiche kleine Bäche ins Meer. Fische abends noch etwas am „Hausstrand“ bei Glowe, bleibe jedoch heute ohne Fisch. |
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Oben: schwieriger Strand bei Lohme | Unten rechts: zahlreiche Bäche gelangen über's Steilufer zur See |
Samstag, 17.03.2007:
Heute letzter Fischtag – aber was für ein Tag! In der Nacht tobte so laut der Sturm, dass kaum ein Auge zu schließen war. Am Tage setzt sich der kräftige Westwind mit Windstärke 8 bis 9 fort ! Ich begrabe meine letzte Hoffnung auf einen guten Fisch eigentlich schon und wir legen einen Ausflugstag die Ostküste herunter bis zum Thiessower Haken ein. Nebenbei die Entwicklung der bekannten Seebäder mal anschauen, die sich jedes Jahr verändern, ein wenig Bummeln, Eis essen, Kaffee trinken u.s.w. Natürlich habe ich auch den Hintergedanken, dass ein eventuelles Fischen bei diesem Wind, wenn überhaupt, nur an der windabgewandten Ostküste möglich sein würde. Fischen am Thiessower Haken hake ich sofort ab: der Wind fegt voll um die Landspitze und die Wellen gischten weiß. Weiter nördlich finde ich einen netten Platz bei Lobbe. Etwas geschützt durch eine hohe Sanddüne kann ich mich zum Fischen fertig machen. |
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Als ich jedoch einige Meter in Wasser wate, schubst der Wind derart kräftig von hinten, dass ich fast vornüber gestoßen werde. Dennoch fische ich ein Stündchen in weißschämenden Wellen, die sich vom Land weg bewegen, lustig... ich schlucke ordentlich Sand (gut für die Verdauung) und kann einen dicken, blanken 48cm Silberling auf die Schuppen legen. Am späteren Nachmittag schaue ich mir noch die Plätze um Sellin an. Hier hat man durchweg hohes, bewaldetes Ufer im Rücken und kann auch bei kräftigen Westwinden noch ganz passabel fischen. Trotzdem wedelt es noch ganz ordentlich, die See ist aufgewühlt, der Tang ist lose und die Wellen brechen sich kräftig auf dem steinigen und tangigen Uferstreifen. Zunächst bin ich aufgrund der starken Wasserbewegung und des optischen Eindruckes von diesem Platz, der sich nicht 100%ig mit meinen Vorstellung eines guten Meerforellenplatzes deckt, skeptisch, aber die Fischerei wird zunehmend interessanter. Brechende Wellen, Steingrund, |
dazwischen große Steine, nur knie- bis hüfttiefes Wasser mit viel Bewegung – hier könnten doch eigentlich Forellen am Jagen sein. Und es stimmt! Zunächst steigt eine schöne Meerforelle von 61 cm ein. Und nur kurze Zeit später fange ich meinen persönlichen „Rügen-Silberschatz“ - einen wunderbar konditionierten Meerforellen-Rogner mit knapp über 70 cm Länge und 4,1 Kilo Gewicht!!! Der Fisch beißt keine 8 Meter von mir entfernt im bewegten Wasser. In der Endphase des Drills wird es brenzlich: der Fisch dreht sich auf der Stelle schnell um seine Längsachse – in die Schnur hinein... So nicht ! Schnell hinzugewatet und beherzt den Kescher untergeschoben – und die Landung klappt! Ich bin total begeistert und mache zufrieden Schluss, denn mehr muss nun wirklich nicht sein... | ![]() |
Unten links: Strände bei Sellin | Oben: die imposante Selliner Seebrücke | Weiter unten: mein Rügener Silberschatz |
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Fazit dieser
Woche:
Schon oft war ich auf Rügen, meist jedoch war die Meerforellen-Saison schon vorbei und es ging den Hornhechten, Hechten und Sommerdorschen an die Schuppen oder einfach Baden. Meine bisherigen Meerforellen-Erfahrungen habe ich nicht auf Rügen, sondern an allerlei dänischen Küsten gemacht, alle Jahre wieder, eben vom Virus befallen. Diesmal hat jedoch auch auf Rügen alles gepasst: die Zeit, das Wetter und die Fische! Rügen ist echt schwierig, aber wunderbar! Wie so oft beim Fischen auf Meerforellen liegen erfolglose Tage und die Erfüllung mit einem herrlichen Fang nahe beieinander. Rügen hat eine Reihe ganz hervorragender Angelplätze – meistens so schwierig bewatbar, dass sie einem viel abverlangen – wie eingangs beschrieben. Trotz der hier anzutreffenden speziellen Gegebenheiten und des verhältnismäßig |
dünnen
Fischbestandes mit überwiegend größeren Heringsräubern
kann man durchaus grundsätzlich auf dänische Küstenangelerfahrungen
setzen. Auch hier zahlt es sich aus, nicht stundenlang erfolglos und stur
an einem Platz zu fischen, sondern öfters mal die Stelle zu wechseln.
Interessant war auch der letzte Tag der Angelwoche, der mir drei schöne
Fische brachte, an dem ich aber – sicher aufgrund der widrigen Windverhältnisse
– nicht einen einzigen anderen Anglerkollegen traf... Das ist vielleicht
die wichtigste Lehre aus dieser Woche für mich – es gibt kein Wetter,
bei dem die Forellen nicht irgendwo beißen...
Empfehlenswerte Literatur für Rügenangler: Rapsbande-Angelführer Bericht, Fotos & Copyright: Michael Müller für www.fliegenfischer-forum.de |
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