Große Runde am Martinswerk.Am
22.06.2001 gegen 10:00 Uhr trafen sich Vertreter der Behörden und
Naturschutz- und Anglerverbände an der Wasserkraftanlage im ehemaligen
Martinswerk bei Bad Berka, um vor Ort die Situation zu prüfen und
über die Beseitigung der derzeitigen Mißstände zu beraten.
Erschienen waren Vetreter folgender
Behörden und Verbände: -
staatliches Umweltamt Erfurt- Umweltamt und untere Naturschutzbehörde
im Landratsamt Weimarer Land- Untere Fischereibehörde- Verband der
deutschen Sportfischer- Verband für Angeln und Naturschutz- BUND-
NABU- Ilmtal-Fliegenfischer-Verein
Durch Abwesenheit glänzte leider,
obwohl eingeladen, das Landesverwaltungsamt Weimar.Deren Anwesenheit als
Genehmigungsbehörde wäre jedoch sehr wichtig gewesen.Leider ist
auch kein Vertreter der eingeladenen Presse erschienen. In
den folgenden Gesprächen ging es im wesentlichen um die Punkte und
Fragen der ANLAGE 1 (siehe unten).
Anschließend wurde eine Besichtigung
der Wehranlage vorgenommen. Obwohl
diese Zusammenkunft keine grundliegenden Ergebnisse brachte, war sie doch
wichtig, damit sich alle Beteiligten vor Ort persönlich ein Bild vom
Ausmaß machen konnten und sich mit der Thematik weiter auseinandersetzen
konnten. Derartige Veranstaltungen
werden fortgeführt, bis eine Lösung des Problems in Sicht ist.Ständige
und akuelle Informationen zu dieser Thematik finden Sie auch auf der Homepage
des Verbandes für Angeln und Naturschutz (www.anglertreff-thueringen.de)
und auf der Homepage des Ilmtal-Fliegenfischer Vereins (www.fliegenfischer-forum.de).Im
Auftrag des Ilmtal-Fliegenfischer Vereins
Michael Müller / 1.Vorsitzender
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ANLAGE 1
1.) Erläuterungen zum Artikel
„Fliegenfischer
mit Argusaugen Kritik: Turbinenbetreiber hält sich am alten Martinswerk
nicht an Auflagen“ erschienen in der Thüringer Allgemeinen, Weimarer
Land, am 02.03.2001
2.) „Odyssee Martinswerk“ oder „So wiehert der Thüringer Amtsschimmel“. Eine Zusammenfassung beispielloser Behördenignoranz.
Zu 1.) Nicht zuletzt durch den oben
genannten Zeitungsartikel und weitere Presseberichte aufmerksam geworden,
traten in letzter Zeit vermehrt Mitbürger an uns heran mit der Frage,
wieso wir uns so vehement gegen diese Wasserkraftanlage einsetzen würden.
Wir schließen daraus, daß den meisten Mitmenschen das nötige
Hintergrundwissen zu dieser Thematik fehlt.
Deshalb möchten wir an dieser
Stelle einige Erläuterungen in grob zusammengefaßter Form geben:
Eine Kleinwasserkraftanlage von der Art, wie sie jetzt im ehemaligen Martinswerk umgesetzt wurde, bringt vergleichsweise gerade die Energie für das Betreiben eines Kleinwagens auf! Die von der PFK (Planungsgesellschaft für Kraftwerksanlagen mbH), die für den Bau der Anlage verantwortlich ist, in der „Thüringischen Landeszeitung“ öffentlich geäußerten Werte von „bis zu 150 KW“ und „Strom für 30 Einfamilienhäuser“ sind völlig aus der Luft gegriffen und mit der geringen Wassermenge der Ilm in den letzten Jahren niemals umzusetzen. Realistisch und anhand vorliegender Unterlagen nachzuweisen, sind Werte um 20 KW. Die Genehmigung solcher Kleinwasserkraftanlagen, die mehr Schaden an der Natur als Nutzen (schon gar nicht für die Allgemeinheit!) bringen, ist übrigens in unserem Nachbarbundesland Sachsen längst nicht mehr erlaubt (wann wacht unsere Regierung auf...?).
In einem Urteil des BGH (Az:III 154/00) wurde die Umwandlung alter Mühlen in Kleinwasserkraftwerke nun erschwert und eindeutig dargelegt, daß derartige „privat betriebene Kleinwasserkraftanlagen trotz ihrer Förderung durch die öffentliche Hand keine gemeinwichtigen Einrichtungen sind“.
Demgegenüber beeinträchtigt
und zerstört diese Wasserkraftanlage nicht nur die etwa 1000 Meter
Fließgewässerstrecke der Ilm (Ausleitungsstrecke), in der nun
das Wasser fehlt, weil es über den Turbinengraben zur Stromerzeugung
abgeleitet wird.
Nein - solche Anlagen haben gravierende
negative Auswirkungen auf das gesamte Flußsystem.
Eine Querverbauung wie ein Stauwehr unterbricht den natürlichen Flußlauf. Der für den gesamten Fluß wichtige Sediment- und Geschiebetransport findet nicht mehr statt. In dem oberhalb des Wehres geschaffenen künstlichem Staubereich lagern sich Schlamm und Sedimente ab. Hier bilden sich aufgrund der nicht erstklassigen Wasserqualität durch Abwassereinleitungen, Eintrag von organischen Material, landwirtschaftlicher Nutzung der anliegenden Flächen etc., ausgedehnte Faulschlammbänke.
Genau an dieser Stelle wird eines der
wichtigsten Argumente der Wasserkraft-Fürsprecher entkräftet,
ohne daß diese selbst es zugeben würden:
Die Verfechter der Wasserkraft behaupten
oft und gerne, daß herkömmlich erzeugter Strom aus Verbrennungskraftwerken
die Atmosphäre mit Treibhausgasen belastet und ihr „Strom aus Wasser“
hingegen die umweltfreundliche Alternative sei.
Was macht aber nun der Faulschlamm in den erwähnten Staubereichen, die zwangsläufig an jeder Kleinwasserkraftanlage mit Aufstauung entstehen? Er produziert durch organische Zersetzung nachgewiesen Treibhausgase (Methan) in nicht zu unterschätzenden Mengen! Methan ist übrigens ein 20-mal schädlicheres Treibhausgas für die Atmosphäre als Kohlendioxid!
Diese Staubereiche sind auch verantwortlich für die zu starke Erwärmung des Wassers und den Sauerstoffentzug durch die oben beschriebenen Vorgänge. Dadurch kommt es bei längeren Niedrigwasserperioden und warmer Witterung zu lebensbedrohlichen Zuständen für Fische und andere Lebewesen des Flusses. Weitere Folgen des auf diese Art verödenden Flusses: fischfressende Vögel (Eisvogel, Graureiher etc.), eine Bereicherung unserer Flußauen, verschwinden nach und nach.
Ein Stauwehr bedeutet jedoch auch für die Tierwelt eine unüberwindbare Barriere. Die meisten Lebewesen des Flusses sind Wanderer. Sie müssen zu bestimmten Zeiten im Jahr mehr oder weniger große Strecken zurücklegen, um sich fortpflanzen zu können und sich zu verbreiten. Nicht nur Forellen, Äschen,. Aale, Barsche, Lachse und verschiedene Kleinfischarten in der Ilm sind Wanderer, sondern auch eine Vielzahl von Wasserinsekten wie z.B. die für die Nahrungskette besonders bedeutenden Bachflohkrebse und Larven von Eintags-, Stein- und Köcherfliegen. Für sie alle ist ein Stauwehr ohne eine funktionierende Fischwanderhilfe („Fischtreppe“) am Wehr (und möglichst eine Fischauf- und abstiegshilfe in der Nähe der Turbine) und eine ausreichende Restwassermenge im Fluß nicht zu überwinden.
Flußabwärts wandernde Fische
folgen der stärksten Strömung und landen somit fast zwangsläufig
vor dem Metallgitter an der Turbine („Rechen“). Hier ist die Strömung
meist stark, die Fische halten das eine Weile durch, werden nach späterer
Entkräftung an das Gitter gedrückt, verenden qualvoll und werden
dann mit der automatischen Reinigungsanlage „entsorgt“. Natürlich
kommen die Fische nicht auf den „Gedanken“, wieder nach oben zu schwimmen.
Immer wieder machen auch schreckliche Bilder von durch Turbinen zerstückelten
Aalen die Runde!
Hier steht der Anlagenbetreiber in
besonderer Pflicht. Er muß es ermöglichen, daß diese Fische
entweder durch eine Fischabstiegshilfe neben der Turbine permanent flußabwärts
gelangen können oder durch eine passende Absperrung erst gar nicht
in den Turbinenzulauf geraten.
Nichts davon ist am Mertinswerk umgesetzt!
Nun zum Zweiten Teil:
Einige Worte zur Wirtschaftlichkeit
der Anlage im Martinswerk:
Der Wasserkraftanlagen-Betreiber investierte
nach eigenen Angaben 1,3 Mio DM in den Ausbau dieser Anlage.
Einen nicht unerheblichen Teil seiner
Investitionen erhält er vom Land Thüringen als Förderung
zurück. Dies sind übrigens unsere Steuergelder! Für die
Einspeisung in das Stromnetz erhält der Wasserkraftbetreiber den staatlich
subventionierten, etwa dreifachen Preis wie die herkömmlichen Stromerzeuger.
Wieder finanziert durch unsere Steuergelder! Diese Tatsachen locken natürlich
Leute von nah und fern an unsere Flüsse und wenn wir allesamt nicht
etwas mehr auf unsere Fließgewässer achtgeben, wird in absehbarer
Zeit auch der letzte natürliche Flußlauf verschwunden, bzw.
verschandelt sein. Schuld daran sind mangelhafte Thüringer Gesetze.
Trotzdem geht die Rechnung des Wasserkraftanlagen-Betreibers
hier nicht auf: Bei den extremen Niedrigwasserständen der Ilm in den
letzten Sommern müßte die Anlage bei Einhaltung der behördlich
festgesetzten Mindestwassermengen jedes Jahr mindestens 6 Monate stillstehen!
Wir können es einfach nicht nachvollziehen,
warum nach Kenntnis dieser Tatsachen die Anlage trotzdem gebaut wurde!
Wo wir gerade bei den Gesetzen sind:
Die Wasserkraftanlage im ehemaligen Martinswerk war einige Jahre nicht
in Betrieb. Zur Wiederinbetriebnahme mußten u.a. Bereiche des Wehres
und des Mühlgrabens komplett saniert, die komplette Turbinentechnik
erneuert und umfangreiche bauliche Maßnahmen durchgeführt werden.
Ein bestehendes Altrecht konnte u.E. nicht schlüssig nachgewiesen
werden.
Das Landesverwaltungsamt in Weimar
ist als Genehmigungsbehörde für die Erteilung einer neuen Betriebserlaubnis
zuständig. Anstatt den Wasserkraftantrag vom 20.04.1998 auf Wirtschaftlichkeit
und Umweltverträglichkeit zu prüfen, anschließend zu richtigen
Schluß zu kommen und diesen Antrag, gesetzlich begründet, abzulehnen,
erstellt der zuständige Bearbeiter Herr Luft am 26.03.1999 auf Grundlage
einer Entscheidung des großherzoglichen Direktors des I.Verwaltungsbezirkes
vom 20.09.1900 (!) einen 17-seitigen Genehmigungsbescheid. Da drängt
sich doch geradezu die Frage auf: Was bringt diesen Mann dazu, sich derart
für diese Sache ins Zeug zu legen?
Erst auf unseren Widerspruch hin, wo übrigens über viele Monate nichts wesentliches passiert, wird die TLU Jena mit der Erstellung eines Gutachten beauftragt, welches im Februar diesen Jahres endlich vorliegt und Ergebnisse im Sinne der Natur bringt. Aber was passiert nun? Man erstellt im Landesverwaltungsamt Weimar wiederum einen 12-seitigen Bescheid (vom 15.02.2001, Bearbeiter Herr Glumm), indem unser Widerspruch negativ beschieden wird, jedoch eine nachträgliche Erhöhung der für die Ilm verbleibenden Restwassermenge auf Werte, mit denen die Ilm und wir gut leben können, angeordnet wird. Staunend lesen wir auch, daß die Fischaufstiegshilfe schon seit über einem Jahr fertig sein müßte.
Und nun, alles Paletti? Weit gefehlt.
Nun beweist uns der aus Westfalen hergekommene Öko-Wasserkraftanlagen-Betreiber,
der übrigens während der gesamten Widerspruchsphase munter seine
Anlage zu Ende bauen ließ und jetzt auf einmal ganz überrascht
fürchtet, „sein“ Geld in den Sand gesetzt zu haben, obwohl er den
Ausgang des Widerspruchsverfahren nicht vorhersehen konnte (oder doch ?),
wie genau er es mit dem Schutz der Natur und der Einhaltung von behördlichen
Auflagen nimmt: Die Anlage geht in Betrieb, in der Ilm bleibt erst einmal
Null Restwasser und eine Fischaufstiegshilfe ist nirgendwo in Sicht. Ebenso
fehlt ein Meßpegel für das einfache Ablesen der für die
Ilm verbleibenden Restwassermenge.
Zudem reicht der gute Mann Klage beim
Verwaltungsgericht Weimar ein, da er mit der nachträglichen Erhöhung
der Restwassermenge für die Ilm nicht „überleben“ kann.
Nun stellt sich eine elementare und grundsätzliche Frage: Da der Verein gegen den Ausgangsbescheid Widerspruch eingelegt hat und der Betreiber anschließend gegen den Widerspruchsbescheid Verwaltungsklage eingereicht hat, existiert denn nun eine gültige Betriebsgenehmigung für die Anlage oder nicht ? Diese Frage wollte uns auch das Landesverwaltungsamt nicht schlüssig beantworten.
Nun sind das staatliche Umweltamt in
Erfurt und das Landesverwaltungsamt gefordert: Das staatliche Umweltamt
erstellte für das Landesverwaltungsamt die fachlichen Zuarbeiten bezüglich
Restwassermenge und Fischwanderhilfe. Diese sind als Auflagen und Bedingungen
Bestandteil des Genehmigungsbescheides. Nachdem schon in den ersten beiden
Wochen nach Inbetriebnahme der Wasserkraftanlage klar war, daß sich
der Betreiber an keine der beiden Auflagen zum Schutz der Natur hält,
stellt sich eine weitere grundsätzliche Frage: Hat dieser damit als
„Umweltstraftäter“ nicht sein >zweifelhaftes< Recht auf den Weiterbetrieb
der Anlage verwirkt? Liefert er damit dem staatlichen Umweltamt in Erfurt
als zuständige Kontrollbehörde nicht die Mittel, die Anlage sofort
stillzulegen, bis alle Auflagen erfüllt sind ? Warum passiert aus
dieser Richtung nichts – trotz unserer regelmäßigen Zuarbeit
?
Statt dessen gibt es Etagengerangel
und die Zuständigkeit wird hin- und hergeschoben.
Hängt die zögerliche Haltung des staatlichen Umweltamtes vielleicht damit zusammen, daß der für den Landkreis Weimarer-Land zuständige Mitarbeiter Uwe Müller selber gerne Wasserkraftanlagen baut ?
Aber es gab in den Amtstuben noch weitere
sehr nachdenklich stimmende Vorfälle. Auf unsere Eingabe wegen ungenehmigten
Bautätigkeiten auf den Martinswerksgelände kam vom Leiter der
Unteren Bauaufsichtsbehörde im Landratsamt Apolda, Herrn Gebauer,
nach einer Sitzung mit der PFK ein lapidares Schreiben, in dem uns mitgeteilt
wurde, daß alle erforderlichen Genehmigungen vorliegen würden,
bzw. es würden keine benötigt, obwohl die Fakten nach unseren
Informationen eindeutig eine andere Sprache sprechen.
Sie können sich leicht selbst
ausrechnen, was Ihnen blüht, wenn Sie auf Ihrem Grundstück eine
ungenehmigte Baumaßnahme durchführen und das Amt davon Wind
bekommt!
Auf eine Anzeige wegen umfangreichen
Baumfällarbeiten auf dem gleichen Gelände an die Umweltämter
in Apolda und Erfurt kam bis auf den Hinweis, daß eine „Totholzfällung“
genehmigt war, ebenfalls keine Reaktion und schon gar keine Ahndung, obwohl
wir mit Fotos belegt hatten, daß es sich nicht um Totholz, sondern
um lebende Bäume handelte. Jeder Bürger, der in seinem Garten
ein „Hölzchen“ ungenehmigt entfernt, muß mit einer hohen Geldstrafe
rechnen.
Haben denn Wasserkraftbetreiber einen
Freibrief, weil ihre Machenschaften politisch gewollt sind und von höchster
Ebene unterstützt werden ?
Sie sehen – es gibt eine Menge ungeklärter Fragen!
Nun beschäftigt die Sache die
Gerichte und Anwälte und eines sollte allen Beteiligten klar werden:
Ämter-Nachlässigkeiten und
derartige Bürger- und Umweltfeindlichkeiten zum Nutzen einzelner Geschäftemacher
dürfen nicht geduldet werden.Dafür werden wir kämpfen!
Im Auftrag des Ilmtal-Fliegenfischer
Vereins
Michael Müller / 1.Vorsitzender