Erläuterungen zum Artikel
„Fliegenfischer mit Argusaugen
Kritik: Turbinenbetreiber hält
sich am alten Martinswerk nicht an Auflagen“, erschienen in der Thüringer
Allgemeinen, Weimarer Land, am 02.03.2001
Durch den oben genannten Artikel
traten mehrere Mitbürger an uns heran und fragten, wieso wir uns so
vehement gegen diese Wasserkraftanlage einsetzen würden. Wir schließen
daraus, dass den meisten Menschen das nötige Hintergrundwissen zu
dieser Thematik fehlt.
Deshalb möchten wir an dieser
Stelle einige Erläuterungen in grob zusammengefasster Form geben:
Eine Kleinwasserkraftanlage von der Art, wie sie jetzt im ehemaligen Martinswerk umgesetzt wurde, bringt vergleichsweise gerade einmal die Energie für das Betreiben eines Kleinwagens auf! Die von der PFK (Planungsgesellschaft für Kraftwerksanlagen mbH), die für den Bau der Anlage verantwortlich ist, geäußerten Werte von „bis zu 150 KW“ und „Strom für 30 Einfamilienhäuser“ sind völlig aus der Luft gegriffen und mit der Wassermenge der Ilm in den letzten Jahren niemals umzusetzen. Realistisch und anhand vorliegender Unterlagen nachzuweisen, sind Werte um 20 KW. Die Genehmigung solcher Kleinwasserkraftanlagen, die mehr Schaden als Nutzen bringen, ist übrigens in unserem Nachbarbundesland Sachsen längst nicht mehr erlaubt (wann wacht unsere Regierung auf...?).
Demgegenüber beeinträchtigt
und zerstört diese Wasserkraftanlage nicht nur die etwa 800 Meter
Flussstrecke, in der das Wasser fehlt, weil es über den Turbinengraben
zur Stromerzeugung abgeleitet wird.
Nein - solche Anlagen haben gravierende
Auswirkungen auf das gesamte Flusssystem.
Eine Querverbauung wie ein Stauwehr
unterbricht den natürlichen Flusslauf. Der für den gesamten Fluss
sehr wichtige Geschiebetransport findet nicht mehr statt. In dem oberhalb
des Wehres geschaffenen künstlichem Staubereich lagern sich Schlamm
und Sedimente ab. Hier bilden sich aufgrund der nicht erstklassigen Wasserqualität
(Abwassereinleitungen, landwirtschaftliche Nutzung der anliegenden Flächen
etc.) ausgedehnte Faulschlammbänke.
Genau an dieser Stelle wird eines
der wichtigsten Argumente der Wasserkraft-Fürsprecher entkräftet,
ohne dass diese selbst es zugeben würden:
Die Wasserkraftlobby behauptet oft
und gerne, dass herkömmlich erzeugter Strom aus Verbrennungskraftwerken
die Atmosphäre mit Treibhausgasen belastet und sie hingegen die umweltfreundliche
Alternative anzubieten hätten.
Was macht nun der Faulschlamm in
den erwähnten Staubereichen ? Er produziert nachgewiesen Treibhausgase
(Methan) in nicht zu unterschätzenden Mengen ! Methan ist übrigens
ein 20-mal schädlicheres Treibhausgas für die Atmosphäre
als Kohlendioxid.
Ein Stauwehr bedeutet jedoch auch
für die Tierwelt eine unüberwindbare Barriere. Die meisten Lebewesen
des Flusses sind Wanderer. Sie müssen zu bestimmten Zeiten im Jahr
mehr oder weniger große Strecken zurücklegen, um sich fortpflanzen
zu können und sich zu verbreiten. Nicht nur Forellen, Äschen,.
Aale, Barsche, Lachse und verschiedene Kleinfischarten in der Ilm sind
Wanderer, sondern auch eine Vielzahl von Wasserinsekten wie Bachflohkrebse
und Larven von Eintags-, Stein- und Köcherfliegen. Für sie alle
ist ein Stauwehr ohne eine funktionierende Fischwanderhilfe („Fischtreppe“)
am Wehr und eine ausreichende Restwassermenge im Fluss nicht zu überwinden.
Nun noch einige Worte zur Wirtschaftlichkeit
der Anlage im Martinswerk:
Der Wasserkraftanlagen-Betreiber
investierte nach eigenen Angaben 1,3 Mio DM in den Ausbau dieser Anlage.
Einen nicht unerheblichen Teil seiner
Investitionen erhält er vom Land Thüringen als Förderung
zurück. Dies sind übrigens unsere Steuergelder! Für die
Einspeisung in das Stromnetz erhält der Wasserkraftbetreiber den staatlich
subventionierten, etwa dreifachen Preis wie die herkömmlichen Stromerzeuger.
Natürlich wieder finanziert durch unsere Steuergelder. Diese Tatsachen
locken natürlich Leute von nah und fern an unsere Flüsse und
wenn wir allesamt nicht etwas mehr auf unsere Fliessgewässer achtgeben,
wird in absehbarer Zeit auch der letzte natürliche Flusslauf verschwunden,
bzw. verschandelt sein. Schuld daran sind mangelhafte Thüringer Gesetze.
Trotzdem geht die Rechnung des Wasserkraftanlagen-Betreibers hier nicht auf: Bei den extremen Niedrigwasserständen der Ilm in den letzten Sommern müsste die Anlage bei Einhaltung der behördlich festgesetzten Mindestwassermengen jedes Jahr mindestens 6 Monate stillstehen! Wir können uns einfach nicht vorstellen, warum nach diesen Tatsachen die Anlage trotzdem gebaut wurde.
Wo wir gerade bei den Gesetzen waren:
Die Wasserkraftanlage im ehemaligen Martinswerk war einige Jahre nicht
in Betrieb. Zur Wiederinbetriebnahme mussten u.a. Bereiche des Wehres und
des
Mühlgrabens komplett saniert,
die komplette Turbinentechnik erneuert und einiges an baulichen Maßnahmen
durchgeführt werden. Ein bestehendes Altrecht konnte nicht schlüssig
nachgewiesen werden.
Das Landesverwaltungsamt in Weimar
ist als Genehmigungsbehörde für die Erteilung einer neuen Betriebserlaubnis
zuständig. Anstatt den Wasserkraftantrag auf Wirtschaftlichkeit und
Umweltverträglichkeit zu prüfen, anschließend zu richtigen
Schluss zu kommen und den Antrag, gesetzlich begründet, abzulehnen,
erstellt der zuständige Bearbeiter Herr Luft einen 17-seitigen Bescheid
für die Genehmigung. Da drängt sich doch geradezu die Frage auf:
Was hat der Mann persönlich davon, sich derart ins Zeug zu legen?
Erst auf unseren Widerspruch hin,
wo übrigens über viele Monate nichts passiert, wird die TLU Jena
mit der Erstellung eines Gutachten beauftragt, welches im Februar diesen
Jahres endlich vorliegt und Ergebnisse im Sinne der Natur bringt. Aber
was passiert nun? Man erstellt im Landesverwaltungsamt Weimar wiederum
einen 15-seitigen Bescheid, indem unser Widerspruch negativ beschieden
wird, jedoch eine nachträgliche Erhöhung der für die Ilm
verbleibenden Restwassermenge angeordnet wird. Staunend lesen wir auch,
dass die Fischaufstiegshilfe schon seit über einem Jahr fertig sein
müßte.
Und nun, alles Paletti? Weit gefehlt.
Nun beweist uns der aus Westfalen hergekommene Öko-Wasserkraftanlagen-Betreiber,
der übrigens während der gesamten Widerspruchsphase munter seine
Anlage zu Ende bauen ließ und jetzt auf einmal ganz überrascht
fürchtet, „sein“ Geld in den Sand gesetzt zu haben, wie genau er es
mit dem Schutz der Natur und der Einhaltung von behördlichen Auflagen
nimmt: Die Anlage geht in Betrieb, in der Ilm bleibt erst einmal Null Restwasser
und eine Fischaufstiegshilfe ist nirgendwo in Sicht. Ebenso fehlt ein Meßpegel
für das einfache Ablesen der für die Ilm verbleibenden Restwassermenge.
Jetzt sind das staatliche Umweltamt
in Erfurt und das Landesverwaltungsamt gefordert: Das staatliche Umweltamt
erstellte für das Landesverwaltungsamt die fachlichen Zuarbeiten bezüglich
Restwassermenge und Fischwanderhilfe. Diese sind als Auflagen und Bedingungen
Bestandteil des Genehmigungsbescheides. Nachdem schon in den ersten beiden
Wochen nach Inbetriebnahme der Wasserkraftanlage klar war, dass sich der
Betreiber an keine der beiden Auflagen hält, stellt sich die Frage,
wieso nicht die sofortige Einstellung des Betriebes bis zur Erfüllung
der Auflagen verfügt wird ? DOCH SIE TUN NICHTS ! Statt dessen gibt
es Etagengerangel und die Zuständigkeit wird hin- und hergeschoben.
Aber es gab in den Amtstuben noch
weitere sehr nachdenklich stimmende Vorfälle. Auf unsere Eingabe wegen
ungenehmigten Bautätigkeiten auf den Martinswerksgelände kam
vom Leiter der Unteren
Bauaufsichtsbehörde im Landratsamt
Apolda Herrn Gebauer nach einer Sitzung mit der PfK die lapidare Auskunft,
alle erforderlichen Genehmigungen würden vorliegen, bzw. es würden
keine benötigt, obwohl die Fakten eindeutig eine andere Sprache sprechen.
Sie können sich sicher selbst
ausrechnen, was Ihnen blüht, wenn Sie auf Ihrem Grundstück eine
ungenehmigte Baumaßnahme durchführen und das Amt davon Wind
bekommt!
Auf eine Anzeige wegen umfangreichen Baumfällarbeiten auf dem gleichen Gelände an die Umweltämter in Apolda und Erfurt kam bis auf den Hinweis, dass eine „Totholzfällung“ genehmigt war, ebenfalls keine Reaktion und schon gar keine Ahndung, obwohl wir mit Fotos belegt hatten, dass es sich nicht um Totholz handelte. Jeder Bürger, der in seinem Garten ein „Hölzchen“ ungenehmigt entfernt, muss mit einer hohen Geldstrafe rechnen. Haben den Wasserkraftbetreiber einen Freibrief, weil ihre Machenschaften politisch gewollt und unterstützt werden ?
Nun beschäftigt die Sache demnächst die Gerichte und eines sollte allen Beteiligten jedoch klar werden: Ämter-Nachlässigkeiten und Bürger- und Umweltfeindlichkeiten zum Nutzen einzelner Geschäftemacher müssen nicht geduldet werden. Dafür werden wir kämpfen!
Im Auftrag des Ilmtal-Fliegenfischer
Vereins
Michael Müller / 1.Vorsitzender