Neuseeland: Time to get serious
Ein Bericht und Fotos von Gebhard Krewitt

Der 1. Oktober ist ein magisches Datum für alle Angler in Neuseeland. Am 1. Oktober beginnt die fishing season! Zwar darf man das ganze Jahr durch in Neuseeland in den Unterläufen der meisten Flüsse fischen, so dass es für die Unermüdlichen immer etwas zu fischen gibt, aber eben dann doch nicht wo man will, in einem der unzähligen Flüsse und Bäche.

Die eine Hälfte der Freude am Fischen in Neuseeland ist, neue Gebiete und interessante Flüsse zu entdecken und zu fischen – und die andere Hälfte der Freude ist natürlich etwas zu fangen.

Wir hatten uns schon etwas besonders für das Wochenende um den 1. Oktober vorgenommen, da fing es ausgerechnet am 30. September ergiebig an zu regnen. Der Motueka River, mein persönlicher Indikator für den waterflow, war an der Messstelle bei Woodstock am 30. September auf über 600 qm pro Sekunde angeschwollen. Viel zu viel zum Fischen und natürlich auch lebensgefährlich, wenn man den Fluss crossen muss, was manchmal unumgänglich ist. Fischen fängt am Motueka River bei 50 qm pro Sekunde an. 
So blieb uns zum Beginn der neuen fishing season erst einmal nichts anderes übrig, als online das langsame Sinken des waterflow der umliegenden Flüsse zu beobachten.
Wo fischen unter diesen Bedingungen? Über 1000 Fließgewässer gibt es auf der Südinsel von Neuseeland. Unsere Überlegungen haben uns dann zum Goulter River geführt. 
Der verhältnismäßig kleine Goulter River wird vom Lake Chalice gespeist und fließt im native forest, der den vielen Regen besser hält und das Wasser im Fluss schnell wieder klar werden lässt. Allerdings kennen den Goulter River auch andere Angler, die zu den selben Überlegungen und Erkenntnissen gelangen können.
5.45 am, der brave Hund bellt. Hansi steht vor der Tür und scharrt mit den Hufen. Wir trinken einen Kaffee, checken noch einmal den waterflow und das Wetter. Der Motueka River hat immer noch gute 120 qm pro Sekunde. Uns erwartet im Goulter River Valley Sonnenschein. Auf geht’s. Um 7.30 am sind wir am Ende des vehicle tracks im Goulter River Valley angekommen. Hierhin gelangt man nur mit einem 4WD. Auf dem Parkplatz steht ein anderes Fahrzeug. Zu unserer Erleichterung befindet sich im Inneren kein Rutenrohr oder andere Angeluten- silien, sondern eine Gewehrhülle. Da es noch sehr früh ist beschließen wir, eine halbe Stunde bis zur Lower Goulter Hut zu laufen und dort mit dem Fischen zu beginnen.
In der Lower Goulter Hut ist der Ofen kalt. Hier scheint weit und breit niemand zu sein. Wir riggen unsere Ruten auf und gehen zum Fluss und von dort langsam den Fluss entlang durchs feuchte Gebüsch zum nahen Pool. Wir haben alle Zeit der Welt, obwohl wir nach 5 Monaten Abstinenz vom Fischen wie getrieben wirken.
Über dem engen Tal liegt Hochnebel, der uns die Ahnung gibt, dass er der Sonne nicht lange widerstehen wird. Das Wasser ist 7,4ºC kalt, ginklar und der Wasserstand höher als normal. Leider kann man für den Goulter River keinen „waterflow“ online abfragen.
Und schon sehen wir den ersten Fisch! Wir beobachten den Fisch eine Weile und tauschen dabei unsere Vermutungen über die Tiefe, in der der Fisch steht, Strömung und Fließgeschwindigkeit des Wassers aus. Die Bachforelle steht an einem drop-off im Einlauf zu einem tiefen Pool in circa 1 m Wassertiefe in sehr starker Strömung 15 m von uns entfernt. Schließlich sagt Hansi: „Du bist dran!“
Ruhe! Ich entscheide mich für eine schwere, grünliche stonefly nymph in Größe 10 und binde sie mit zitternden Fingern an die 16er Spitze des 6 m langen Vorfachs.
Dann ziehe ich Schnur von der Rolle, immer den Fisch fest im Auge.
Fuck!“, der erste Wurf in die neue Saison kommt unplaziert und landet zu nahe am Fisch auf dem Wasser, so dass die Nymphe ungesehen über den Fisch treibt. Das Gewicht der sehr schweren, großen Nymphe habe ich unterschätzt. Der zweite Wurf landet 3 m vor dem Fisch in der Strömung. Zwei endlos lange Sekunden bis der Fisch sich bewegt, das Maul öffnet. Drei Zehntel- sekunden warte ich noch, dann mache ich die Schnur stramm. 8.35 am, zweiter Wurf und erster Kontakt zum Fisch in der neuen Angelsaison. Ruckender Widerstand, aber nur für drei Sekunden. Der Haken hat nicht gefasst. Shit happens...
Hoffentlich ist das kein Omen für die kommende Angelsaison.
Langsam, sehr langsam gehen wir stromaufwärts. Eigentlich ist es noch zu früh. Wir brauchen die Sonne, die das Leben im Fluss anfacht und zur besseren Sicht. Der nächste Fisch, kaum zu erkennen, steht sehr nahe am gegenüberliegenden Ufer unter einem überhängenden Zweig in sehr schwieriger Strömung und scheint obendrein auch nicht besonders aktiv zu sein. Hansi ist dran. Nach zehn Würfen mit drei verschieden Nymphen kann der Fisch endlich der beschwerten stonefly nymph auf 10er Haken nicht mehr widerstehen. 
An Hansis brandneuem Gear hängt zum ersten Mal ein Fisch, der auch noch richtig Alarm macht und die Federwaage im Keschergriff auf die 7,5 lbs Marke zieht. Shake hands und das obligatorische Trophäenbild und dann gibt Hansi seinen Fang behutsam in den Fluss zurück.
Die Sonne kommt endlich durch und macht den Blick frei auf die noch schneebedeckten Gipfel der umliegenden Berge. Schlagartig ist es angenehm warm. Wir sind an einem kleinem Zufluss des Goulter River angelangt und folgenden diesem für 500 m und soweit es einfach zu gehen ist.
Auf diesen 500 m werden wir 3 Forellen sehen und auch alle bis in den Kescher bekommen. Der erste Fisch ist sehr aktiv unterwegs in ruhig strömenden Wasser in ungefähr 1 m Tiefe. Gelegentlich kommt er hoch und saugt etwas aus der Oberfläche. Das sind keine Bedingungen für die bewährte beschwerte stonefly nymph. Ganz verwegen binde ich eine schwarze 16er parachute Fliege an das Ende meiner Schnur und lege sie vor dem Fisch in der Strömung ab. Keine Reaktion. Hansi hat schon eine unbeschwerte 16er pheasant tail nymphe in der Hand. Die geht!
Mein erster Fisch in der neuen Angelsaison: ich drille den Fisch länger als gewollt und nötig, lande ihn schließlich so behutsam wie möglich mit dem Kescher. Als ich ihn am Unterkiefer halte, um die widerhakenlose Fliege zu lösen, schwänzelt er und gräbt die Zähne in meinen Daumen, ein Blutstropfen breitet sich im Wasser aus. „Cheers, Mrs. Trout! See you later!“

Als wir über ein Geröllfeld zum Goulter River zurück gehen, sehen wir in großer Entfernung drei Gestalten am Wasser stehen. Eine Schrecksekunde.

Die Gestalten bewegen sich allerdings stromabwärts und sind für Angler viel zu schwer bepackt. 10 Minuten später treffen wir einen Vater, der seine beiden heranwachsenden Söhne in den Schulferien an das Jagen heranführt. Der ältere der beiden darf schon das Gewehr tragen. Ein freundliches Gespräch und die Information, dass die drei keine Angler am Fluss gesehen haben.
Weiter am Fluss entlang sagt Hansi dann mal irgendwann in das Schweigen hinein: „Ist doch besser als Sex.“ Genau verstehe ich nicht, ob das von ihm als Frage formuliert ist, oder nur Ausdruck seiner Begeisterung ist. Zum Glück brauche ich dazu weiter nichts sagen, denn wir haben schon wieder einen Fisch im Visier.
Mir selbst erscheint das Fliegenfischen, wie auch der Sex, in drei äußerst ungleiche Teile unterteilt zu sein. Die beiden weitaus größten sind die Vorfreude und die Erinnerung. Zwischen diesen ist der kleinste der drei Teile die eigentliche Performanz (des Fangens) und dauert oft nicht länger als 5 Minuten.
Von dieser Art von „5 Minuten“ haben wir auf unserem Weg entlang dem Goulter River entlang bis zur Mid Goulter Hut heute allerdings reichlich. Insgesamt haken wir 15 große Fische, von denen wir 12 Forellen bis in den Kescher bekommen.
Jeder von uns beiden fängt drei Fische mit einem „Ass“. Nur unter uns ist ein „Ass“, einen Fisch mit dem ersten platzierten Wurf an den Haken zu bekommen.

Der kleinste von den gefangenen Fischen ist 5,5 lbs schwer und der schwerste ein 8 pounder. Zwei dieser Fische sind allerdings „skinny“ und haben sich offensichtlich noch nicht vom Laichen erholt. Eigentlich sehen wir relativ wenige Fische an diesem Tag.

Das wir dennoch so gut fangen, ist sicherlich dem glücklichen 
Umstand geschuldet, das wir heute die einzigen Angler am Fluss sind und in den vorangegangenen Tagen der Saison wetterbedingt auch noch nicht sehr viel am Goulter River gefischt worden ist.

4.00 pm, die Schatten der steilen Berge legen sich über den Fluss. Das Wasser hat sich auf 9,8ºC erwärmt. Wir haben die Mid Goulter Hut erreicht und packen unsere Angeln für den Rückmarsch zusammen.

10 Kilometer weit sind wir den kleinen Fluss durch sein schönes, enges Tal fischend aufwärts gelaufen, die wir nun zurück marschieren müssen.

Nach 2 Stunden sind wir dampfend am Auto zurück, in dem ein Sechserpack Bier auf uns wartet. Mann, war das ein Angeltag!
„That’s how fishing should be!“, sagt Hansi dazu, während er das Feuerzeug unter den Kronkorken hebelt. So ist der Hansi, my best fishing mate und gerade der glücklichste Angler der ganzen Südinsel.

Text, Fotos & Copyright: Gebhard Krewitt | www.trout-bum.de

Ein Bericht von Gebhard Krewitt für www.fliegenfischer-forum.de - November 2010.
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