Wieder an der oberen Möhne
Mai 2004. Von Michael Müller

Mit einem leisen Plopp versinkt der kleine Streamer exakt vor dem üppig blühenden Weißdornbusch auf der anderen Uferseite, der mit seinen weit in das Gewässer reichenden Zweigen fast die Wasseroberfläche berührt.

Sofort greift die Strömung zu und trägt den Köder stromab, ein Stück unter den Busch und auf eine kleine, alte Betonbrücke zu.

Als der Streamer die Brücke erreicht, straffe ich die Fliegenschnur und verleihe ihm mit einigen Zupfern etwas Leben.

R U U M M M S S S S ... !!!  Die Bachforelle war zu Hause und hatte sich diese Chance auf einen fetten Happen nicht entgehen lassen. Den Betrug nicht ahnend, hatte der Fisch herzhaft zugegriffen...

Groß und schwer, ihres Heimvorteils sehr wohl bewusst, flüchtet die Forelle sofort unter den überhängenden Weißdornbusch, um sich dort im hintersten Winkel im Äste- und Wurzelgewirr zu befreien.

Nur mit Mühe kann ich die erste Flucht bremsen und den Fisch von seinem Vorhaben abhalten. Kaum etwas herangedrillt, versucht die Forelle das gleiche Spiel noch mehrmals. Ein wahrhaft starker Gegner!

Als ich die Bachforelle schließlich vom Haken befreit in die Freiheit entlasse, kommt in mir ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit hoch: es war ein schönes Fliegenfischer-Erlebnis, von dem noch ich lange zehren kann...
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Foto oben: Der "First Pool" in Allagen. Rechts: zwischen Allagen und Niederbergheim. Unten: Blick vom Fluss auf die Ortschaft Allagen. Vorteilhaft für Wassergüte und Biotop: Der Fluss wird nur von Wiesen und Wäldern gesämt.

Im ersten Teil des Möhneberichtes vom September 2003 (Hier klicken: Bitte zuerst diesen Bericht lesen, da der neue Bericht auf diesen aufbaut...) habe ich bereits angedeutet, dass es eine Fortsetzung nach einem Besuch zu einer anderen Jahreszeit geben würde. Über Himmelfahrt 2004 reisten wir, diesmal zu Sechst, abermals für einige Tage an die Möhne, um im Monat Mai die Gegebenheiten an diesem Fluss zu erkunden, ausgiebig zu Fischen und die Erfahrungen des letzten Besuches zu vertiefen. Nach einer Hochwasserperiode war der Fluss gerade wieder auf den Normalwasserstand gefallen. Dadurch und durch den fehlenden Befischungsdruck in den vergangenen Wochen hatten wir ideale Voraussetzungen für die Fischerei.
Die in der Einleitung beschriebene kleine Geschichte ereignete sich am recht verwilderten Kraftwerkskanal, der zwischen Dassel und der „Altherrenstrecke“ gelegen, vermutlich fast nie von Fischergästen frequentiert wird. Darauf deutete jedenfalls das Fehlen von Pfaden und menschlichen Spuren im hohen Gras hin.

Vielleicht bot dieser Abschnitt gerade deshalb einige schöne Überraschungen. Zunächst konnte ich im oberen Teil zwischen Haus Dassel und Fahrradwegbrücke eine dicke rund 60 cm lange Regenbogenforelle überlisten. 

Dieser folgte bald eine schön gezeichnete, ca. 45 cm lange Bachforelle. 

Beide Fische nahmen eine kleine Trockenfliege, die nach dem Herumschwenken in Ufernähe herangezupft wurde. 
Danach folgten etliche weitere Kontakte, die auf die selbe Weise zustande kamen aber von mir nicht in gehakte Fische umgesetzt werden konnten.

Ganz wichtig bei der Fischerei – gerade an diesem Gewässerabschnitt – ist die Unsichtbarkeit des Fliegenfischers! Läuft dieser hochaufgerichtet am Ufer entlang, wird er keinen einzigen „Stich machen“.

Fotos: Oben und unten: An der Waldstrecke zwischen Dassel und der "Altherrenstrecke".
Weiter unten rechts: Stefan am Anfang der "Altherrenstrecke" - heftig im Drill.
Vielmehr sollte man sich gebückt schleichend, kniend, robbend :-), unter Ausnutzung jeder Deckung in eine günstige Wurfposition bringen.

Unterhalb der Radweg-Brücke schließt sich ein sehr verwachsender Bereich an, der zwar recht mühsam, aber befischt werden kann, z.B. an der Eingangs erwähnten Stelle.
Der Kanal mündet schließlich am oberen Ende der „Altherrenstrecke“ wieder in den Hauptfluss: ein hochinteressanter Platz, der uns auf kleine, hell-oliv-farbene Zonker eine ganze Reihe prächtiger Forellen brachte.

Wenn man nun schon einmal in diesem Bereich fischt, sollte man sich auch den wassergeschwächten Hauptfluss (Waldstrecke) bis hinauf zum Stauwehr gründlich anschauen. Hier kommen immer wieder schöne Stellen, die beim behutsamen Befischen überwiegend Bachforellen zwischen 30 und 45 cm zum Vorschein bringen.
Entweder fischt man mit der Nymphe stromaufwärts oder mit der Trockenfliege stromab (das funktioniert auch gut, wenn gerade mal nichts steigt...).

Foto links: da drüben im Schatten steigen Fische... Hier mündet der Werkskanal von links ein. Unten: Schöne Bachforellen aus der Waldstrecke.

Eine ergiebige Fischerei bietet auch der obere Teil des Werksgraben, bis zur Rechenanlage vor dem Turbinenhaus. Tagsüber kann man mit Nymphe und Streamer gelegentlich an sehr starke Regenbogenforellen und Saiblinge geraten und Abends bietet dieser Abschnitt, wie auch der Staubereich oberhalb des Wehres, eine zuverlässige Trockenfliegenfischerei.

Gerade in diesen Gewässerabschnitten wird klar, warum die Mitführung eines langstieligen Keschers Pflicht ist: hier ist er unabdingbar.

Im Flussaufwärts anschließenden Bereich bis hinauf nach Allagen – für uns nach wie vor der interessanteste Abschnitt – finden sich (neu) einige Renaturierungs- und Strukturverbesserungsmaßnahmen: Totholzeinbringungen, Strömungslenker, Sohlschwellen, Umströmer, Steinpackungen ...
In diesem vielseitigen Abschnitt kann man einen oder mehrere Fischtage verbringen, ohne dass es langweilig wird. Zahllose Mäander, Kolke, Gumpen, Rauschen und tiefe Pools halten jeden Menge Forellen, auch die berühmt berüchtigten „Riesen“.
Im „First Pool“ konnte ich nun auch den ersten Kontakt mit einer Möhne-Äsche herstellen.
Da die Wasserführung (nun Normalwasser) diesmal um ein Vielfaches höher war als bei unserem letzten Besuch im September 2003, waren die Fische zwar nicht so einfach auszumachen, dafür allerdings bei Weitem nicht so heikel und bedeutend beißfreudiger. Allerdings war auch das Thema „Deckung nehmen“ ausschlaggebend für Erfolge, zumal noch keine natürlichen Deckungsmöglichkeiten (Springkraut und Brennnesseln) herangewachsen waren. Schon seltsam, die jetzt gerade mal 15 cm hohen Springkrautpflänzchen zu sehen und zu wissen, dass diese Pflanzen an der gleichen Stelle im Spätsommer einen über 2 Meter hohen dichten Wald bilden.
In den Tagen unserer diesjährigen Fischerei gab es leider aufgrund der extrem wechselhaften Witterungs- bedingungen und den noch sehr niedrigen Wassertemperaturen keine größeren, nennenswerten Insektenschlüpfe. Unter den wenigen vorhandenen Insekten auf der Wasseroberfläche war auch eine etwas größere, zitronengelbe Eintagsfliegenart, die von den Fischen jedoch weitgehend ignoriert wurde.
In Ermangelung der Notwendigkeit spezieller Fliegenmuster fischten wir unsere jeweiligen Standartkollektionen, verschiedene Streamer, Nymphen und Trockenfliegen in allerlei Farben, Größen und Ausführungen, die fast alle Erfolge brachten. 
Bei den Streamern hob sich die weiter oben erwähnte Zonker-Ausführung bezüglich Fängigkeit weit von allen anderen ab. Sehr dunkle Nymphen in braun oder schwarz gingen schlechter als solche in beiger, oliver, hellbrauner oder apricot – Färbung. Varianten mit Gold- oder Silberkopf waren fängiger als solche ohne. Trocken waren graubraune Köcher- und Eintagsfliegenmuster auf 14er bis 10er Haken erfolgreich. Maifliegen sollen im Gewässer vorkommen, wir waren dafür jedoch zu früh dran.
Bei strahlendem Sonnenschein war die Beißlust übrigens besser, als bei starker Bewölkung und Regen (meist ist es ja umgekehrt). 
Unterkunft und Logis nahmen wir diesmal im Niederbergheimer Hof (Foto links / Info: HIER KLICKEN), direkt und vorteilhaft an der Möhne gelegen, etwa in der Mitte der Strecke. Genau genommen, braucht man dann nicht einmal ein Auto, um die Strecke zu befischen...
Sehr lobenswert war das sehr reichhaltige Frühstück, welches pünktlich 08:00 Uhr bereit stand und die Möglichkeit, auch abends nach 22:00 Uhr noch etwas Warmes zu Essen zu bekommen. Auch die Zimmer und Servicemöglichkeiten (u.a. Trockenraum für Watbekleidung) ließen keine Wünsche offen, ebenso wenig wie das Essen.
Lobenswert auch der ständige Fischereiaufseher Manfred (Foto rechts), der bei seinen täglichen Kontrollen immer freundlich und zu einem kleinen Plausch aufgelegt war.

Unser Fazit: Nach wie vor ist Brinkhoffs Möhne ein lohnenswertes Ziel, um einige Tage fliegenfischereilich auszuspannen. Fischerei & Fische sind erstklassig, die Möglichkeiten vielseitig und das Möhnetal landschaftlich reizvoll gelegen. Auch sonst bietet die Region nahezu alles an touristischen Möglichkeiten.
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Wiederholt schwebt die Fliege über der unergründlich tiefen Rinne und wieder hebt sich aus der nebligen Tiefe ein großer Schatten empor...

Ich knie oben auf dem Steilufer in guter Deckung und habe von meinem Platz aus einen guten Blick ins Wasser.

Meine Nerven sind bis zum Zerreißen gespannt. Der gewaltige Fisch begutachtet meine Eigenkreation und lässt sich wieder in die dunkle Tiefe sinken.

Seit einer Viertelstunde zeige ich dem Fisch alles, was ich an Fliegen dabei habe. Und jedes Mal, wenn eine Fliege sein Interesse weckt, wiederholt sich das selbe Spiel. 

Immerhin weiß ich bereits, dass den Fisch Fliegen unter 3 cm Länge absolut nicht interessieren.

Schließlich klappt es doch ! Die große Regenbogenforelle kommt hoch, nimmt vehement den Streamer und der Tanz beginnt.

Diese Forelle braucht keine besonderen Tricks. Sie setzt einfach ihr Gewicht und ihre ungestüme Kraft ein um mir zu zeigen, dass sie es ist, die den Kampf bestimmt.

Mit der Zeit werden die Fluchten schwächer und schließlich kann ich den prächtigen Fisch aus der Nähe anschauen, von der Fliege erlösen und wieder in sein Element entlassen.

Elegant schwimmt er davon, hinein und zurück in die nebligen Tiefen seines Flusses...

(c) Fotos: 1 - 13, 15 - 20, 24 – 25, 30 - 32: Michael Müller / 14, 21 - 23, 26 - 29: Stefan Beier 
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