AUF LIPAN AM BALKAN
Äschenfischen in Slowenien | Ein Reisebericht von Olaf Lindner
Soca Äsche
Das Gefühl in mir ist eine Mischung aus Ehrfurcht, Stolz und Bewunderung. Nach zwei Stunden, gefühlten 100 Präsentationen und 10 verschiedenen Fliegenmustern am feinen Vorfach spüre ich einen Widerstand an der Rute. Es fühlt sich an wie ein Ritterschlag. 
Die Äsche vor mir hat meine selbstgebundene Trockenfliege im Gin-klaren Wasser der Soca nicht als Fälschung erkannt. Als der Fisch mit der unverkennbaren Rückenfahne aus dem Wasser springt, pumpt mein Herz, um dann wieder abzutauchen und die Fahne wie ein massives Ruder in die Strömung zu stellen. 

Meine Hände riechen nach Thymian, die Äsche erholt sich vor mir in der seichten Strömung und ich sitze am Ufer überwältigt von dem, was geschehen ist. 

Für mich ist es in all den Jahren nie zur Gewohnheit geworden, eine schöne Äsche in den glasklaren Flüssen von Slowenien zu fangen.

Lipan ist das slowenische Wort für die Äsche (Thymallus thymallus).

Ein klangvoller Name für einen faszinierenden Fisch. Bis auf die alpinen Oberläufe und die naturbelassenen, kalten Gebirgsflüsse wie z.B. der Radovna, sind sie in fast allen Flüssen zugegen.

Einer der berühmtesten, ist sicher der Unec mit seinem enormen Aufkommen an Insekten. Vor allem zur Maifliegenzeit ein ganz besonderes Schauspiel. Er wird in einem Tal aus einem unterirdischen Wassersystem gespeist. Die Erde in dem Karstgebiet ist von zahlreichen Höhlen und Wasserläufen durchfressen.

An der Soca 
Am Unec
Es scheint, als würde die Erde einem den Fluss vor die Füße spucken. Ab da fließt er 18 Kilometer über hellen feinen Sand und grüne Wasserpflanzen. Eigentlich gab es im Unec gar keine Äschen, sie wurden erst im Jahr 1955 dort besetzt. Heute gilt er als einer der besten europäischen Äschenflüsse, ist aber auch bekannt für seine kapitalen Bachforellen. Ein Teil ist als reine Trockenfliegenstrecke ausgewiesen.
Am Unec
In Slowenien gibt es zwei verschiedene Gewässersysteme und analog dazu auch zwei Äschenstämme:
Die Soca- und die Donau-Äschen.

Äschen bilden genetisch einzigartige Populationen, welche an die jeweiligen Gewässersysteme angepasst sind. Wie in ganz Mitteleuropa sind die Bestände durch den Fraßdruck der Kormorane stark zurückgegangen.

In Slowenien haben die Angler über den Winter mittlerweile einen Wachschutz entlang einiger Flüsse organisiert. Mit Funkgeräten ausgestattet versuchen Freiwillige die Restbestände der Äschen davor zu schützen, dass sie mit dem schwarzen Vogel wegfliegen. Es gibt Situationen, da könnte man glauben Äschen mit der Fliege zu fangen ist nicht besonders anspruchsvoll.


Halbstarke Äschen in schnellen, flachen Rieselstrecken stürzen sich wie Kamikazeflieger auf die Trockenfliege – nur anders herum. So schnell, dass man gute Reaktionen braucht um den Haken zu setzen. Dabei sind sie nicht sonderlich selektiv. Aber das ist nach meiner Erfahrung nicht die Regel. Vor allem, sobald sie die 40 Zentimeter überschreiten und in tieferen Wasser stehen, kommt der Gourmet in ihnen durch.
An der wunderschönen Soca

"Da vorne steigt regelmäßig eine schöne Äsche", mein Freund deutet ein wenig aufgeregt und mit einem siegessicheren Gesichtsausdruck auf den Auslauf der Strömung, während er bereits eine neue Fliege anbindet. Kaum auszumachen, was sie nimmt, klar ist nur, das sind ziemlich kleine graue Eintagsfliegen, die da schlüpfen.

Es ist September, wir sind an der Soca zwischen Kamno und Volarje. Ich scanne die Stelle. Ein Stieg, ein Ring, ein Eintagsfliegenleben geht zu Ende. Wenn man eh nur einen Tag lebt, muss es eine Ehre sein, von einer stattlichen Äsche im klaren Wasser der Soca gefressen zu werden, denke ich.

Ja ich sehe sie,
schöner Fisch!
Versuch dein Glück!

Ich gönne mir eine Portion Kautabak und setze mich ans Ufer. Das will ich mir ansehen. Hatten wir doch in vielen hitzigen Debatten bei Wein und Käse über die Selektivität von Äschen diskutiert. Das 0,12-mm-Vorfach wirkt fast wie ein Tau an der #20 Trockenfliege und misst vier Meter.


Mein Freund präsentiert die Trockenfliege schräg stromauf. Er muss weit vorhalten, damit die Äsche überhaupt eine Reaktion zeigt. Das Wasser ist glasklar und die Sicht für die Äsche mit ihren tropfenförmigen Pupillen unter Wasser weit. Immer wieder löst sich der Schatten vom Grund, lässt sich knapp unter der Fliege mit der Strömung abtreiben. 

Es scheint, als würde sie die Fliege anstarren, um im letzten Moment wieder seitlich abzutauchen und ihren Standplatz einzunehmen. Mein Freund übt sich im Fliegen wechseln. Kleine Fliegen, die normale Menschen von Staubfusseln kaum unterschieden könnten.

Zwischendurch steigt die Äsche zielsicher nach natürlichen Fliegen, teilweise nur wenige Zentimeter neben der Imitation. „Das gibt es doch nicht #%!!“,ist einer der harmlosen Flüche meines Freundes, den ich mich traue zu zitieren.



Es dauert über eine Stunde und unzählige Fliegenmuster, bis die Äsche bei einer perfekten Drift die Imitation verwechselt. Nach der Landung löst er den Fisch vom Haken und hält die Äsche in mit dem Kopf gegen die Strömung bis sie aus eigener Kraft wegschwimmt. Äschen sind empfindlicher als Forellen, es besteht die Gefahr das sie nach dem Drill in der Strömung verdriften und an Sauerstoffmangel sterben.

Der Schatten verschwimmt und wird wieder eins mit dem Gewässergrund. Mein Freund sieht glücklich aus. Ich habe zwischenzeitlich ein paar Fotos als Erinnerung gemacht. Damit beenden wir den Tag. Die Sonne steht schon tief und das Wasser fließt glasklar vor unseren Füßen. Wir entscheiden darum, den Fischtag mit einem kühlen Laško-Bier am Ufer der Soca ausklingen zu lassen. 



CHARLES RITZ SCHREIBT
IN SEINEM BEMERKENS-
WERTEN BUCH „ERLEBTES FLIEGENFISCHEN“:

„Wer die Äsche in den Äschenflüssen Österreichs, Bayerns, der Schweiz, Jugoslawiens oder der Tschechoslowakei befischen konnte, für den kann gar kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß für den Fischer mit der trockenen Fliege Salmo Thymallus unter den Salmoniden die Krone gebührt.“




WER ES SELBST EINMAL AUSPROBIEREN MÖCHTE:

Die bekanntesten Strecken auf die Äsche in Slowenien sind neben dem Unec, die Soca zwischen Kamno und Volarje, oder am Oberlauf zwischen Bovec und Trenta. Dazu zählt auch die Sava Bohinjka vom Bohinj See bis zur Mündung mit der Sava Radovljica. 
Auch die Savinja oder der Grenzfluss zwischen Slowenien und Kroatien – die Kupa bieten gute Möglichkeiten. Auch wenn das nur eine kleine Auswahl der möglichen Flüsse ist.



Grenzfluss Kupa
REISEZEIT & KOSTEN:

Die beste Zeit ist für gewöhnlich das Frühjahr – bis zur Schneeschmelze – und der Herbst in der Zeit vom September bis zum Anfang des Oktobers. Die Ausgabestellen für die Tageskarten sind jeweils vor Ort zu finden. Die Lizenzen kosten zwischen 30,– bis 100,– € pro Tag. 

Grenzfluss Kupa
Wir kommen auf jeden Fall wieder und versuchen uns an dem Fisch, dem laut Charles Ritz unter den Salmoniden die Krone gebührt.

Wer Glück hat, kann im Gewässersystem der Soca auch eine Marmorata überlisten. Analog dazu finden sich im Gewässersystem der Donau gute Huchenbestände. Es gilt aber zu beachten, dass diese von März bis November Schonzeit haben.




Wie komme ich zum Fisch?

Die Karten bekommt man mittlerweile alle Online unter: https://www.ribiskekarte.si/de/zavod-za-ribistvo-slovenije

Auf die Besatzforellen, die noch nicht zu lange im Fluss sind, geht im Grunde alles, was die bunte, UV-aktive, tungstenbewehrte Fliegendose so hergibt. Das gilt aber längst nicht für alle Besatzfische, irgendwann werden auch die selektiv. Abseits vom Streamern und fischen in Rauschen sind feine Vorfächer in dem glasklaren Wasser trotzdem Pflicht: 0,12mm ist Standard. Auf Äsche auch mal 0,10mm auf die Flussmonster (unterhalb der Huchen) auch mal 0,14mm. 

Für Puristen: Köcherfliegen, Eintagsfliegen und Steinfliegen in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien und auch entsprechend angeboten. Die großen adulten Steinfliegen von 3cm sind im Juni eher in den kalten Zuflüssen wie der Radovna zu finden, dafür gibt es später im Jahr an der Sava „Needle Flies“ der Gattung Leuctra. Bei allem was weniger Strömung hat (auch die großen Pools mit diffus kreisender Strömung) können kleine, spärlich behäckelte versunkene Spider-Muster #18, dead-drift angeboten Erfolge bringen. Spätes Frühjahr bis Hochsommer ist die Abenddämmerung bis Nacht die Zeit, der Köcherfliegenschlüpfe. Match the hatch!

Insgesamt sind kleine Eintagsfliegennymphen #18-#20 am langen Vorfach oft erfolgreich, aber auch nicht einfach zu binden und in entsprechender Tiefe zu fischen. 

Tipp der FF-Red.: Mehr Reiseberichte im Fliegenfischer-Forum aus Bosnien, Kroatien und Slowenien mit jeder Menge nützlichen Reiseinfos und Links finden Sie auch hier: (KLICK)
 

Needle Flies an der Sava Bohinjka 



Ein Beitrag und Fotos von Olaf Lindner für www.fliegenfischer-forum.de - Dezember 2020.
Das unerlaubte Kopieren und Verbreiten von Text- und Bildmaterial aus diesem Bericht ist verboten.

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