Kormorane und kein Ende…  „Wie weiter, Herr Minister?“ - fragten am
23.04.02 die Vertreter der Verbände der Thüringer Berufs- und Angelfischerei...  

Am 23. April war es nun soweit, die angekündigte Beratung zur Thüringer Kormoranverordnung mit den Vertretern der Thüringer Fischerei fand unter persönlicher Leitung von Minister Dr. Sklenar in Erfurt statt. Ihm zur Seite standen Herr Dr. Düssel, Abt.-ltr. Forsten; Herr Werres, Sachgebietsleiter Artenschutz; Herr Ramm, Mitarbeiter des Ministerialbüros sowie Herr Hohlstein, Fischereireferent.

Für die Fischerei waren anwesend:
Herr Posselt, Präsident Thüringer Fischereiverband
Herr Karol, Präsident VANT; Herr Kirsch, Geschäftsführer VANT
Herr Ambrosy, Vizepräsident Thüringer Landesangelfischereiverband
Herr Bergner, geschäftsf. Vizepräsident Angelfischereiverband Ostthüringen

In seinen einführenden Worten, versicherte Minister Dr. Sklenar nochmals, alles rechtlich Mögliche zu tun, um die Bedrohung der Thüringer Berufs- und Angelfischerei einschließlich der in und an unseren Gewässern heimischen Fauna durch den wachsenden Fraßdruck der Kormorane auf ein verträgliches Maß zu reduzieren.
Die Betonung liegt dabei auf rechtlich wasserdichten Möglichkeiten zur Ausschöpfung der von der EU- Vogelschutzrichtlinie vorgegebenen Rahmenbedingungen.
Eine anerkennenswerte Willensbekundung, deren praktikable Umsetzung jedoch alles andere als einfach sein wird.
Ausgangspunkt war die Kritik der Fischereiverbände vor allem am subjektiven Handeln und teilweise bürokratischen Verschleppungstaktiken der für die Umsetzung der ThürKorVO zuständigen unteren Naturschutzbehörden.
Gefordert wurde von der Fischerei eine Anlehnung der VO an das in seiner Handhabung unkomplizierte Bayerische Modell.
Nach verwaltungsinterner Prüfung und unter Berücksichtung von „Lösungsvarianten“ der klassischen Naturschutzschutzverbände wurden der Fischerei folgende Vorschläge präsentiert:

1. Für Gewässerabschnitte, an denen bisher Abschussanträge gestellt wurden, sollen Genehmigungen sofort und ohne nochmaliges Prüfverfahren für 5 aufeinander folgende Jahre erteilt werden.
2. Die landesweite jährliche Abschussquote soll deutlich erhöht werden
3. Durch Aufstellung einer Liste von Gewässern, an denen keine Vergrämung stattfinden darf (ein bisschen wie in Bayern), sollen Rückzugsräume für die Kormorane frei gehalten werden
4. An Gewässern mit neu auftretenden Problemen ist die bisherige Verfahrensweise der Antragstellung (einschl. Nachweis erheblicher Schäden und erfolgloser Vergrämung) anzuwenden.

Konkret bedeutet das:
- Genehmigungsbehörden bleiben weiterhin die unteren Naturschutzbehörden
- Die KorVO selbst wird nicht geändert, da mit massivem Widerstand aus dem Bereich des klassischen Naturschutzes und damit weiterer zeitlicher Verzögerung zu rechnen sei
- Neuregelungen werden deshalb in Form eines entsprechenden Erlasses noch vor dem kommenden Herbst zu erwarten sein.

In der Diskussion wurde seitens der Fischerei überzeugend dargestellt, dass vor allem der Vorschlag Nr. 3 in Thüringen jeglicher realen Basis entbehrt.
Selbst in wesentlich wasserreicheren Regionen Deutschlands aber auch in Thüringen sind die Versuche mit sog. „Ablenkgewässern“ gescheitert.

Auf die Fragen:

- Wer soll diese Gewässer zur Verfügung stellen?
- Wer die weg gefressenen Fische nachliefern und bezahlen?
- Was passiert, wenn diese Gewässer zufrieren?
- Wie soll der Fischereiberechtigte in diesen Gewässern seiner gesetzlichen Hegepflicht nachkommen?

konnten keine Antworten gefunden werden.

Als neuer brisanter Schwerpunkt wird die zunehmende „Übersommerung“  immer größerer Kormoranbestände in den verschiedensten Regionen Thüringens beobachtet. Zu Recht wird die Befürchtung geäußert, dass diese Sommerpopulationen Ausgangspunkte für künftige Brutkolonien sein könnten.
Darauf angesprochen, war die Meinung des Ministers: „Wehret den Anfängen!
Dieses neue Problem erfordert neuen Regelungsbedarf, der durch die bestehende KorVO nicht abgedeckt wird.

Um gesicherte Informationen zu dieser Problematik zu erhalten, sind natürlich alle Thüringer Angler und Fischer aufgefordert, alle nur möglichen Daten zu Zahlen, Aufenthaltsorten und -dauer dieser Sommerpopulationen an ihre Verbände zu melden.

Fazit:
Aus dem erhofften Schritt nach vorn, im Sinne eines wirksamen Schutzes der Thüringer Fischerei und der einheimischen Fauna vor einer übermäßigen Kormoranpopulation ist immerhin ein halber Schritt und die Willensbekundung des Ministers für weitere Schritte in diese Richtung herausgekommen.
Neben weiter zu diskutierenden praktikablen Möglichkeiten für ein Koromoranmanagement in Thüringen wird sich der Freistaat in analoge Bemühungen auf Bundes- und EU- Ebene einbringen.

„Mit dem Kormoran leben“  klingt es aus den Reihen des NABU.
Wir sagen ja dazu.
Nur sollten wir schnellsten einen Konsens dazu finden, mit wie viel Kormoranen in Thüringen die gewerbliche Fischerei und die einheimische Gewässerfauna nicht nur gerade mal überleben können. Gleichberechtigung im Artenschutz und das auch unterhalb der Wasseroberfläche ist die Voraussetzung zur Suche nach tragfähigen Kompromissen.

Parallel zu diesem Ministergespräch fanden in Schleusingen und Meiningen weitere Gesprächsrunden zwischen „klassischen“ Natur- und Artenschützern und Fischereivertretern zu gleich gelagerten Themen statt.
Erstaunlich die Feststellung des NABU- Kreisvorsitzenden Dr. Kurz in Schleusingen:
Auch ohne Kormoran gehören die Fließgewässerlebensräume Thüringens bereits zu den am meisten bedrohten Lebensräumen und damit natürlich auch deren Bewohner namens Fische.
Die Erkenntnis: Jeder zusätzliche Belastungsfaktor, z.B. der Kormoran in seinem massen-haften Auftreten, kann sehr schnell zum völligen Zusammenbruch dieser Systeme führen.

Weiter ging’s mit dem:
 
2. Thüringer Rundtischgespräch zu Fragen des Umgangs mit der Thüringer Kormoranverordnung

Zum zweiten Mal nach fast genau zwei Jahren an gleicher Stelle hatte unser Verband zu diesem Gespräch am 23.05.02 in das Anglerheim der Jenaer Anglerunion eingeladen.
In chronologischer Fortsetzung ging es diesmal um die Diskussion der Vorschläge des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt (TMLNU) aus dem Gespräch mit Minister Dr. Sklenar am 22. April.
Teilnehmer des Gesprächs waren Vertreter des TMLNU, des Thüringer Landesverwaltungsamtes, der oberen Fischereibehörde, der 4 Thüringer Verbände der Angel- und Berufsfischerei, der Arbeitsgruppe Artenschutz Thüringen, des NABU Landesverbandes und des Landesjagdverbandes.

Das Ergebnis der Beratung über dreieinhalb Stunden kann wie folgt kurz zusammengefasst werden:

- Eine grundsätzliche Änderung der bestehenden ThürKorVO bedarf der Zustimmung der Thüringer Landesregierung und nicht nur des TMLNU. Das hätte einen langwierigen Gang durch die Instanzen zur folge und würde in absehbarer Zeit keine Veränderung bringen.

- In Vorbereitung ist daher ein Erlass zur Umsetzung der VO, welcher ein einheitliches und zügiges Handeln der Genehmigungsbehörden (i.d.R. untere Naturschutzbehörden) sicherstellen soll. Die bisherige unterschiedliche Auslegung und Anwendung der VO und ihrer Erlasse durch die UNB gehörte zu den Hauptkritikpunkten der Betroffenen. Die UNB sollen dazu durch das TMLNU geschult werden und zur Erleichterung für Antragsteller ein einheitliches Antragsformular entwickelt werden.

- Für Gewässer und –abschnitte, an denen bisher positive Genehmigung zum Vergrämungsabschuss erteilt wurden, sollen nachfolgend Genehmigungen ohne weiter Nachweisverfahren für weiter fünf Jahre erteilt werden (Positivliste der Gewässer)

- Für den Freistaat soll die maximale Abschussquote 50% des Winterbestandes nicht überschreiten. Dazu wurde die Durchführung gemeinsamer und vertrauensbildender Zählungen der Fischerei- und der klassischen Naturschutzverbände angeregt.

- Bei Neuanträgen an bisher nicht genehmigten Gewässern soll in einem schnellen (max. 14 Tage) Antragsverfahren auf Grundlage eines nachvollziehbaren Schadensnachweises (materieller aber vor allem ökologischer Schaden in nicht berufsfischereilich genutzten Gewässern) durch die UNB entschieden werden. Grundlage wird das noch zu entwickelnde einheitliche Antragsformular sein.

- Umstrittenster Punkt war der Vorschlag zur Erstellung einer Negativliste für Regionen, welche von einer Bejagung grundsätzlich ausgeschlossen sind. Erste Gedanken des TMLNU und des Landesverwaltungsamtes gehen in Richtung ausgewiesener und noch auszuweisender Naturschutz- und Wasservogelschutzgebiete. Durch die Vertreter Fischereiverbände wurde die Ausweisung spezieller „Ablenkgewässer“ zurückgewiesen. Der Entwurf der Negativliste wird den Verbänden in den nächsten Tagen zur Stellungnahme übergeben.

- Für Naturschutzgebiete, in denen das Schutzziel durch übermäßiges Auftreten des Kormorans gefährdet erscheint, besteht die Möglichkeit Ausnahmegenehmigungen auf Befreiung von Verboten beim Landesverwaltungsamt zu stellen. Ein erstes Beispiel könnte das NSG Ulster im Biosphärenreservat Rhön sein.

- Die von der Fischerei gestellte Frage zur Duldung möglicher Brutkolonien wurde vorerst dahin gehend klargestellt, dass es diese Kolonien zu verhindern gilt. Entsprechende Zählungen der zunehmenden Sommerbestände des Kormorans werden folgen.

Fazit dieses Rundtischgesprächs:
Mit einer Verschärfung der Bejagung allein ist das Problem nicht zu lösen auch wenn künftig mit entsprechenden Anträgen unkomplizierter umgegangen werden soll.
Gefragt ist ein weiteres Engagement der Thüringer Landesregierung auf Bundes- und EU- Ebene, um den eigentlichen ökologischen Ursachen des Kormoranproblems in Europa entgegenzuwirken.
Begleitend wurden Vorschläge zu Gewässerstrukturverbesserung einschließlich deren Aufnahme in das Thüringer Fließgewässerschutzprogramm durch die Behörden vorgetragen.
Die klassischen Naturschutz- und die Fischereiverbände werden sich um eine vertrauensvollere Zusammenarbeit zur Erhaltung und Verbesserung der Fließgewässerlebensräume bemühen.
Bis Mitte Juni diesen Jahres soll der Erlass mit den o.g. Erleichterungen verabschiedet werden.

Aktuelle Anmerkung:

Die so genannte „Negativliste“ liegt uns mittlerweile vor. Sowohl die Fischereiverbände aber, was besonders wichtig ist, auch der Landesfischereibeirat lehnen diese Liste kategorisch ab.

- Zum einen sind wir der Auffassung, dass allein mit den vorhanden NSG bzw. gemeldeten FFH- und Vogelschutzgebiete einschließlich menschlicher Siedlungsgebiete mehr als genug „jagdfreie Zonen“ und damit Rückzugsräume für den Kormoran existieren.
- Jede weitere Aufnahme von Gewässern oder Regionen dient in erster Linie dem Schutz des Kormorans, wohl aber nicht dem angestrebten Ziel der Verbesserung des Schutzes der Fischerei und der Fischbestände.

Am Ende bleibt die Frage an den Minister:

Was wird aus der versprochenen Änderung der Thüringer Kormoranverordnung?

Der geplante Erlass ist bestenfalls ein Teilergebnis unserer unermüdlichen Bemühungen.
Ein Rückzug auf die Position, dass eine tatsächlich Änderung der VO langwierig und kompliziert sei, entbindet nicht von der Einhaltung eines einmal an über 20 000 Thüringer Angler und Fischer gegebenes Versprechen.
Leider hatten wir mit drei vorhergehenden Erlassen zur ThürKorVO keine Gelegenheit Vertrauen in den Umgang der Genehmigungsbehörden mit diesen zu fassen.
Somit ist die Diskussion noch längst nicht am Ende. Bisher kennen wir nur Vorschläge für einen neuen Erlass und eine „Negativliste“. Was am Ende wirklich und wann aufs Papier gebracht und vor allem, wie damit umgegangen wird wissen wir nicht. Auf jeden Fall werden wir weiter zum Fortgang dieser „endlosen Geschichte“ so aktuell wie möglich informieren.
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Auszug aus der Verbandsinformation 02/2002 des Verbandes für Angeln und Naturschutz Thüringen e.V. Suhl (VANT).
Die vollstandige Info und ständig aktuelle Informationen aus der Thüringer Fischerei findet Ihr auf der Verbandshomepage www.anglertreff-thueringen.de
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