Pro und Contra: Kormoran
Walter von Langen / Luise Melzer.
Der Kormoran. In der Luft ein Tölpel, im Wasser ein Künstler.
Vogelfrei - holt er sich an reichgedeckten Tischen seine Fische.
Gesellig, hochintelligent und pfeilschnell fischt der Kormoran in bis zu 60m tiefen Wasser. Eigenschaften, die schon unsere Vorfahren nutzten, vor allem Chinesen und Japaner. Sie brachten deshalb diese flinken Jäger zur Zucht, "dressierten" sie. Vögel fischten von nun an für Menschen, angebunden an einer Leine, um den Hals einen Ring, damit die Beute nicht verschluckt wird, und vom Boot aus. 
Doch das "Idyll" trügt! Kormorane treiben hierzulande seit einigen Jahren so manchen Fischer in wirtschaftliche Nöte; bereiten aber auch zunehmend mehr Naturfreunden Kopfzerbrechen. Die großen schwarzen Vögel haben überhand genommen. Wie man ihnen "regulierend" beikommen kann, ist bislang ein Rätsel. 
Zumeist hängt die Beurteilung der Kormoran-Situation von der jeweiligen Interessenlage der Kontrahenten ab. Naturwissenschaftler sind da "neutraler, doch leider agieren  d i e  mehrheitlich offenbar hinter den Kulissen.
Wer sich zu weit aus dem Fenster lehnt, gerät unter Beschuß. Das wissen sowohl die "Kormoran- als auch die Fischfans".
Doch eins steht fest: Natur- und Tierliebe sollte sich nicht nur auf einige Tierarten beschränken, denn der liebe Gott schuf alle.
Frank Hoffmann, Vorsitzender AV Gebesee:
In der Unstrut und allen anderen Pachtgewässern unseres Vereins fischen ständig viele hunderte Kormorane fleißig mit.  Ein Zustand, der unseren kleinen Verein langsam aber sicher ruiniert, zumal Pacht und Besatz viel Geld kosten. Unsere Erfahrungen zeigen auch, dass genehmigte Abschüsse von Kormoranen zwar eine geringe Wirkung zeigen, auf Dauer aber vor allem aus Zeit- und Kostengründen, ungeeignet sind. Lösungen sind deshalb dringlich.
Dieter Schröder, Vorsitzender AV Mihla:
Die Zunahme der Kormorane an der Werra ist für uns erschreckend. Wenn es stimmt, daß jeder dieser großen Vögel etwa 1 Pfund Fische am Tag frißt, dann Gnade Gott unseren Fischen. Doch wie erreichen wir ein Gleichgewicht an den Gewässern?? Wir sind ratlos!!

Udo Gudd, Vorsitzender AV Kahla:
Seit Jahren ist über unserer Saale der Himmel oft schwarz. Hitchcock läßt grüßen! Jetzt ist unser Verein soweit, daß er keine Gastangelkarten mehr ausgeben kann, weil die Fische in unseren Gewässern immer knapper werden. Ein Zustand, den wir auch als Naturschützer nicht verantworten können.

Dr. Jörg Meese, Verband der Berufsfischer Thüringes:
Es entspricht dem Ziel der Berufsfischerei, daß deren Gewässer einen deutlich höheren Fischbestand aufweisen, als die natürlichen Gewässer, wie Seen, Flüsse und Bäche. Für den Kormoran, einen aktiven Jäger, besitzen sie folglich eine höhere Anziehungskraft. Welche Schäden diese Fischräuber dort regelmäßig anrichten, soll am Beispiel eines 13 ha größen Karpfenteiches verdeutlicht werden, der im betreffenden Jahr für die Aufzucht von zweisömmrigen Karpfen genutzt wurde.
Ab Juli fanden sich etwa 20 Kormorane ein, um täglich diese schnabelgerechte Beute zu fischen. Beim Ablassen des Teiches Ende Oktober zeigte sich das traurige Resultat: von den erwarteten 10 Tonnen Karpfen wurden nur 3 Tonnen gefischt und von diesen wiederum waren nur 100kg (!) nicht durch die messerscharfen Schnäbel der Kormorane verletzt.
Da die Fische durch die ständigen Treibjagden von ihren Freßplätzen vertreiben und umher gejagt werden, sind sie schlecht gewachsen und sehr mager. 
Den darauf folgenden Winter überlebte nicht ein einziges Tier. Die Energiereserven reichten nicht aus. Die Fischer haben damit nicht nur ein ganzes Jahr umsonst gearbeitet, ihnen fehlen nun auch die Speisekarpfen für das Folgejahr.
Wird der Kormoran durch effektive Vergrämungsmaßnahmen, wie zB. dem möglichen Einzelabschuß´, von den Teichen vertrieben, muß er auf andere Freßplätze ausweichen.
Betroffen ist somit ein Kollege der Berufsfischerei oder es beginnt das Gemetzel in den von den Sportfischern gepachteten Gewässern. 

Dr. Franz Nenntwich, Präsident Landesjagdverband:
Das DJV-Präsidium vertritt übereinstimmend die Auffassung, dass der Kormoran nicht dem Jagdrecht unterliegen sollte. Um jedoch die ständig wachsenden Schäden infolge der wachsenden Population der Kormorane in der Fischereiwirtschaft einzudämmen, ist die Jägerschaft bereit, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten in Absprache mit den Betroffenen über gezielte Maßnahmen, wie Vergrämungsabschüsse und Einsammeln der Gelege in den Brutkolonien die Teichwirte, Angler und Fischer zu unterstützen.
Auch beim Kormoran kann nur eine vertretbare Populationsdichte akzeptiert werden.
Naturschutzmaßnahmen der Angler, wie beispielsweise die Bestandsstützung bedrohter, sowie Wiederansiedlung von derzeit nicht mehr vorhandenen Fischarten sind zum Scheitern verurteilt, wenn Kormorane die Gewässer zu intensiv bejagen.
Um hier Abhilfe zu schaffen, bedarf es vor allem einer weiteren naturwissenschaftlichen Kormoran-Forschung mit Lösungsvorschlägen, die eine breite gesellschaftliche Akzeptanz finden.

Herbert Grimm, Naturkundemuseum Erfurt:
Im gewässerarmen Thüringen wird jeder m² Wasserfläche z.T. mehrfach genutzt (Angeln, Jagd, Freizeit etc.). Auch den Tieren der Gewässer, selbst wenn sie Fischfresser sind, muß eine Möglichkeit eingeräumt werden, dort zu leben. Wenn Kormorane von Anlagen der Fischproduktion vertreiben werden, ist dies, aus der Sicht der Berufsfischer, verständlich. Der Angler, der sein Hobby nicht zu seinem Lebensunterhalt ausübt, sollte in der Lage sein, auch die anderen an den Gewässern lebenden Organismen zu tolerieren. Kormorane können sich nicht aussuchen, ob sie von Fisch leben wollen. Das sie Gewässer leer fischen, ist biologischer Unsinn. Als Fischfresser wären sie vorher schon selbst verhungert.

Dr. Frank Wengerodt, Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt:
Das Bundesnaturschutzgesetz verbietet grundsätzlich u.a. Fang und Tötung von besonders geschützten Tieren. Zur Abwendung wirtschaftlicher Schäden hat das zuständige Thüringer Landwirtschaftsministerium Fischereibetrieben und Anglervereinen in den letzten Jahren zahlreiche Genehmigungen zur Tötung von Kormoranen erteilt. 1997 wurden von 140 zur Tötung freigegebenen Kormoranen jedoch nur 2 Tiere als getötet gemeldet. Auch auf Fischereiseite wächst zunehmend die Einsicht, daß der Einzelabschuß kein Allheilmittel ist und die Tötung einer größeren Zahl von Kormoranen offensichtlich auch an technischen Problemen scheitert. Das erhoffte europaweite gemeinsame Vorgehen mit gezielten Eingriffen in die großen Brutkolonien konnte bisher nicht erreicht werden. Unter diesen Voraussetzungen erscheint ein Strategiewandel in Richtung sinnvoller Kombination aktiver und passiver Schutzmaßnahmen an Zuchtgewässern und naturnaher Strukturierung  natürlicher Gewässer überprüfenswert. Am 21.12.1998 ist die Thüringer Kormoranverordnung  in Kraft getreten. 

Dr. Wolfgang Beese, Präsident VDSF LV Thüringen:
Der Abschuß von Kormoranen darf, wenn überhaupt, nur eine Notlösung sein. Sinnvoll ist das nur selten. Der Abschuß führt zur Vergrämung der anderen Tiere, die sich dann dem Nachbargewässer "zuwenden". Mittel- und langfristig bleibt wohl nur der nachhaltige Eingriff in den Brutgebieten der Population, um die Reproduktion einzuschränken.

Foto: Einträchtig an der Ilm: Die "Bosse" der drei größten Thüringer Naturschutzverbände: vlnr.: Dr. Wolfgang Beese (VDSF), Dr. Dietrich von Knorre (NABU) und Dr. Franz Nenntwich (DJV). Doch bei allem guten Willen - auch sie haben keine Patentrezepte zu einer "ausgewogenen Lösung" der Kormoran-Konflikte.