Die Königin der Alpenseen im Reich der Bachforelle
Bericht und Bilder: Daniel Göz (dg) & Matthias Meyer (mm)

Die Laichhabitate der Seeforelle – eingebettet in eine atemberaubenden Schluchtenkulisse (dg)
In 2011 konnte Daniel Göz im Rahmen des Filmprojektes „Gaula – River of Silver& Gold“ wertvolle Erfahrungen beim Filmen und Fotografieren von Großsalmoniden während der Laichzeit unter Wasser sammeln. Sein Wissensschatz über den atlantischen Lachs war der Grundstein für ein Fotoprojekt, dessen Ausgang sehr viel ungewisser war.
Das ehrgeizige Ziel war es, das einzigartige Naturschauspiel von laichenden Seeforellen authentisch in Bild und Film zu dokumentieren. Dies konnte nur im natürlichen Lebensraum gelingen – typische  Aufnahmen aus Aquarien waren keine Option.
Als Projektpartner und zur fachlichen Unterstützung wurde Matthias Meyer, der in der Abteilung für Gewässerökologie bei den Kraftwerken Oberhasli fundierte Praxiserfahrung zum Laichverhalten von Seeforellen sammeln konnte, hinzugezogen.
Seeforellen warten auf den optimalen Wasserstand, um das natürliche Wanderhindernis zu überspringen (dg)
Als ideales Projektgebiet wurden die Seeforellen-Laichgewässer im östlichen Berner Oberland der Schweizer Alpen ausgewählt. Weitläufig hatte sich einer dieser charakteristischen Gebirgsbäche in das harte Granitgestein geschnitten, sodass in den Jahrtausenden eine tiefe Schlucht entstanden ist – eine atemberaubende Fotokulisse, wie sie ihres Gleichen sucht!
Wildes, weißes Wasser gestaltete die Suche nach den idealen Fotostandorten nicht gerade leicht. Foto- und Kameraausrüstungen von bis zu 40 kg pro Person mussten durch das unwegsame Gelände geschleppt werden...
Eine Seeforelle kämpft sich stromaufwärts durch das tosende Wasser des Gebirgsbaches (mm)
In der Laichzeit 2012 und 2013 folgten wir den großen Seeforellen des Brienzer- und Thunersees zu ihren Laichhabitaten – „ins Reich der Bachforelle“. Während mehrerer Wochen Arbeit entstanden viele spektakuläre Unterwasseraufnahmen der seltenen Seeforelle  während ihrer natürlichen Reproduktion. Mit dieser Auswahl an Unterwasserbildern wollen wir den Lesern des Fliegenfischer-Forums einen Einblick in das Laichgeschehen aus einer anderen Perspektive bieten.
Strömungsberuhigte Pools sind in den Gebirgsbachoberläufen eher rar – die Seeforelle nutzt die Gelegenheit für eine Verschnaufpause (dg)
Des Weiteren wird in den kommenden Wochen der Film „Salmo trutta lacustris“ mit spektakulären Szenen über die natürliche Fortpflanzung der Seeforelle und ihrem Lebensraum erscheinen. Besonders stolz ist der Produzent Daniel Göz, dass selbst der eigentliche Geschlechtsakt sowie zuvor nie gesehene Verhaltensformen in einer noch nicht dagewesenen Qualität gefilmt werden konnten. Die Leser des Fliegenfischer-Forums werden selbstverständlich über das Board auf dem Laufenden gehalten.
Die ersten Milchner sind auf den Laichplätzen eingetroffen (dg)
Hintergrundinformationen zur Lebensweise der Seeforelle
Über die Seeforelle (Salmo trutta lacustris) ist aufgrund ihrer verborgenen Lebensweise bisher noch vieles ungeklärt. Etliche Mythen ranken um diesen außergewöhnlichen Fisch. 
Während ihres gesamten Lebenszyklus beansprucht sie durch ihr charakteristisches Migrationsverhalten verschiedene Lebensräume, was sie gegen äußere Einflüsse besonders anfällig macht. Geeignete Fortpflanzungsgewässer sind leider selten geworden, dort wo sie sich erfolgreich vermehren kann, ist die Natur weitestgehend intakt. 
Um auf die Gefährdung der Seeforelle aufmerksam zu machen, wurde die heimische Forelle in Deutschland und Österreich zum Fisch des Jahres 2013 gewählt (2011 in der Schweiz).
Das Buhlen um die Rogner beginnt (dg)
Die Seeforelle gilt als starkwüchsigste Form unserer heimischen Forelle (Salmo trutta). Sie ist aber keine eigenständige Art, sondern stellt eine Lebensform, ein sogenannter Ökotyp, wie auch die Bach- und Meerforelle dar. Nachkommen von seelebenden Forellen müssen nicht zwangsläufig den gleichen Lebenszyklus bestreiten wie ihre Eltern, sondern können auch standorttreu als Bachforellen in ihrem Geburtsgewässer bleiben. Andererseits können Nachkommen von standorttreuen Forellen nach etwa zwei Jahren Aufenthalt im Fließgewässer abwandern, um sich im See als Seeforellen zu entwickeln und heranzuwachsen. Bis zum heutigen Zeitpunkt konnte aus wissenschaftlicher Sicht nicht vollumfänglich geklärt werden, was die jungen Forellen dazu bewegt, in ihrem Geburtsgewässer zu bleiben und als Bachforellen zu leben oder in einen großen Voralpensee abzuwandern.
Man geht davon aus, dass ihre Entscheidung unmittelbar von der Lebensraum- und Nahrungsverfügbarkeit abhängt, d.h. je mehr Platz und Nahrung die einzelnen Individuen haben, umso mehr Nachkommen werden als standorttreue Bachforellen im Fließgewässersystem bleiben. Wo auch immer die heimische Forelle ihre Wachstumsphase verbracht hat, eins haben alle drei Lebensformen gemeinsam: die Forelle wird als geschlechtsreifer Fisch versuchen, an den Ort ihrer Geburt zurückzukehren, um sich dort zu vermehren.
Ein Seeforellen-Pärchen auf der Laichgrube (mm)
Zur Welt kommt sie in strukturreichen, naturnahen Gewässerabschnitten mit klarem, sauerstoffreichem Wasser der Gebirgsbäche- und Flüsse mit Seeanschluss. In den gut durchströmten Kiesbänken, mit geringen Anteilen an Feinsedimenten sind die tief eingegrabenen Forelleneier gut gegen äußere Einflussfaktoren, wie z.B. Winterhochwasser geschützt.
Das Schlüpfen der kleinen Seeforellenlarven findet im Frühjahr statt und ist abhängig von der vorherrschenden Wassertemperatur im Fließgewässer. Sind die jungen Forellen geschlüpft, verbleiben sie noch einige Wochen im Kieslückensystem, bis ihr Dottersack aufgebraucht ist. Erst jetzt erblicken sie das Tageslicht und werden mit der Strömung des Baches in seichte, strömungsarme Bereiche verdriftet, die ihnen in den nächsten Wochen als Standplatz dienen werden. 
Die natürliche Reproduktion der heimischen Seeforelle (dg)
Mit zunehmender Größe werden sie ihr Revier ausweiten und in die Pools verlagern.
Hier wächst die Seeforelle heran und verbringt in der Regel die ersten beiden Lebensjahre, bis sie als sogenannter Smolt die flussabwärtsgerichtete Wanderung zu den großen Voralpenseen antritt. In den Seen folgt sie als gefräßiger Räuber den Renken- und Weißfischschwärmen und vollzieht aufgrund der guten Nahrungsverfügbarkeit ihre stärksten Wachstumsphasen. Im Spätsommer, nach gut zwei Jahren Seeaufenthalt, steigt die Seeforelle das erste Mal in das Fließgewässersystem ihrer Geburt zurück, um sich in der kalten Jahreszeit von Oktober bis Januar fortzupflanzen. Mit akrobatischen Sprüngen überwindet sie natürliche Felsriegel und kämpft sich flussaufwärts gegen das tosende Wasser des Gebirgsbaches. Am Ort ihrer Geburt angekommen, sucht sich das Seeforellenweibchen (Rogner) einen geeigneten Laichplatz.
Die beiden Autoren während des Fotoprojektes (mm)
Meist befindet sich dieser auf der Kiesbank am Auslauf eines größeren Pools. Hier schlägt sie mit Hilfe ihrer Schwanzflosse in kräftezehrender Arbeit eine Laichgrube in die kiesige Gewässersohle und gibt ihre Eier hinein, die Männchen buhlen derweil um das Weibchen und kämpfen erbittert untereinander, was deutliche Bissspuren auf den gezeichneten Fischen hinterlässt. Die Eier werden bei der Abgabe umgehend durch ein oder mehrere Seeforellenmännchen (Milchner) befruchtet. 
Das Weibchen deckt dann wiederum mit starken Schwanzschlägen die Laichgrube zu, um so die nun befruchteten Eier gegen äußere Einflüsse zu schützen.
Sehr seltene Impression aus der bald erscheinenden Naturdokumentation zur Seeforelle (dg) (1/2)
Sehr seltene Impression aus der bald erscheinenden Naturdokumentation zur Seeforelle (dg) (2/2)
Der Lebenskreislauf der Seeforelle beginnt somit von Neuem.
Nach Beendigung der Laichzeit schwimmen die Elterntiere nach und nach in den Voralpensee zurück. Die Seeforellen, welche die Wanderung und das kräftezehrende Laichgeschäft unbeschadet überstanden haben, werden sich auch in den Folgejahren am Laichgeschehen beteiligen. Für einige Tiere endet das anstrengende Laichgeschäft jedoch tödlich, sie überleben die Strapazen nicht.
Der Fotograf und Filmemacher Daniel Göz bei der Arbeit (mm)
Eier der heimischen Forelle unmittelbar vor dem Schlupftermin sowie ein frisch geschlüpfter Dottersackbrütling – sie werden noch einige Wochen im Kieslückensystem verbleiben, bis ihr Dottersack verbraucht ist (mm)
Nach einem Winter mit geringen Einflüssen durch Hochwasser, können im frühen Sommer in den strömungsberuhigten Zonen unterhalb der Laichbetten überall kleine Forellen beobachtet werden (mm)

Kontaktdaten der Autoren:
Daniel Göz Matthias Meyer
Dipl. Geograph Dipl.-Ing. (FH)
Still & Motion Picture Fachspezialist Gewässerökologie KWO
daniel (at) danielgoez.com matthias.meyer (at) kwo.ch
www.danielgoez.com



© Ein Beitrag von Daniel Göz & Matthias Meyer für www.fliegenfischer-forum.de - Juni 2014. 
Das unerlaubte Kopieren und Verbreiten von Text- und Bildmaterial aus diesem Bericht ist verboten.

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