Vom Ende der Gänse (Bericht aus Hamm - 11.-12.11.2006)
Bericht: Frank Möbus | Fotos: Michael Drees, Ulli Bussmann
Liebe Leute,

mit arger Verspätung - Pardon, es gab anderes zu tun! - komme ich nun endlich meinem Versprechen nach, ein paar kleine schriftliche Nachträge zum Gänseessen in Hamm zu liefern. Die sind ziemlich lang geworden, und ich könnte es niemand verdenken, wenn er keine Lust hat, alles zu lesen.

Deshalb vorab eine kurze Quintessenz, die sich sehr frei an eine Formulierung unseres Göttinger Ortsheiligen Georg Christoph Lichtenberg anlehnt:

Wenn einem das Geld fehlen sollte, zum nächstjährigen Treffen zu reisen - er aber zwei Fliegenruten hat: Dann verkaufe er eine und fahre nach Hamm!

Etwas ausführlicher, gefällig? Begründung? Na gut. 

Thomas rief, und alle kamen. Alle? Machen wir es etwas genauer:

1. Ein paar Meister der Fliegenrute (Meister in den Disziplinen Werfen, Bauen, Besitzen ...)
2. Ein paar Meister der Fliegen (Meister in den Disziplinen Werfen, Bauen, Besitzen ...)
3. Ein paar Meister der Teller (Auffüllen, Leeren, Auffüllen ...)
4. Ein paar Meister der Gläser (Bestellen, Leeren, Bestellen ...)
5. Ein paar Meister des Erzählens (Ich sag Dir, sooo ein Monstrum ...", "Ehrlich, zwei Stunden Drill, 12er Vorfach ...", "Nee wirklich, Lachse bis zum Abwinken ...")
6. Eine Menge Allrounder (Meister in den Disziplinen 1 bis 5, unter Ausschluss von ... - ach was, lassen wir das!)
7. Ein paar Tiefstapler, die sich in weises Schweigen hüllen - aber alles können, von Punkt 1 bis 4.

Oder noch etwa genauer: Es kamen eine ganze Menge ziemlich verrückter, schräger, ausgesprochen netter Vögel beiderlei Geschlechts (Birgit sei Dank!), die jede Menge Spaß miteinander hatten. Etwas ballaballa waren (und sind) sie allesamt: Wer nicht zum "Club der Infizierten" gehört, wird es wohl nie und nimmer verstehen, was an diesem Wochenende abgelaufen ist. Ein Glück: Ich muss das hier nicht erklären. Nur ein klein bisschen zusammenfassen.
Die meisten Namen lasse ich aber weg; besser ist das.

1. Aufzug (Delecke, Messe bei Flyfishing Europe, Gastgeberin Mirjana
Pavlic):
Im Laufe des Vormittags kommen fast alle diejenigen hier an, die sich am
Abend dann in Hamm treffen werden. Kaum einer kommt herum um den
Begrüßungsschnaps, den Mirjanas Vater destilliert hat - wenn man das Zeug in
einen Fluss schüttet, ist selbst für den kapitalsten Huchen Ende im Gelände.
Aber, zugegeben, köstlich! Ein wunderbarer Stoff. Die meisten nahmen noch ein zweites Gläschen. Ein paar dann noch eines. Die Angehören derjenigen jedenfalls, die ein fünftes Gläschen tranken, hören noch heute im Verkehrsfunk regelmäßig den Text "Gesucht wird der 44jährige X aus Y. Er ist bekleidet mit einer grünen Watjacke und führt wahrscheinlich eine Fliegenrute mit sich. X ist orientierungslos und bedarf dringend ärztlicher Hilfe."
Diejenigen, die unter dem tödlichen Quantum blieben, hatten einen fabelhaften Auftakt. Alte Freunde trafen sich wieder; andere, die sich bislang nur aus dem Internet kannten, schlossen erste persönliche Kontakte; ganz neue Bekanntschaften wurden geschlossen. Rutentests, Fachsimpeleien, dank Mirjanas Gastfreundschaft reichlich Essen und Trinken, gemeinsames Schlangestehen an der Kasse, weil die Rabatte die Brieftaschen gelockert hatten - dieser Beginn war rundum gelungen; die Laune allgemein prächtig.

2. Aufzug (unterwegs nach Hamm).
Markus und ich - wir sind gemeinsam nach Delecke gekommen - haben uns ein wenig im Laden verquasselt und auch noch ausführlich eine der wunderbaren Gespließten getestet, die Ralf gebaut hat. Au Backe. Die anderen sind schon alle unterwegs. Markus' Handy klingelt: "Ja, schon klar, Thomas. Wir fahren gleich los." Hat dann aber doch noch ein paar Minuten gedauert. Dann, eine halbe Stunde später, wieder das Handy: "Nee, ehrlich, Thomas - wir fahren gerade nach Hamm rein!" Wieder zehn Minuten später: "Wir sind schon da, sozusagen. Heiwi in Sichtweite." Langer Rede kurzer Sinn: Thomas, der große Organisator und Pastor Bonus, treibt seine Herde zusammen - fürsorglich, nachdrücklich, besorgt. Man kann ja nie wissen, was passiert.

Und natürlich passiert etwas später wirklich etwas, aber nicht uns. Einem anderen unserer Freunde ist unterwegs der Sprit ausgegangen. Der muss dann aufgesammelt und zum Essen gebracht werden. Dann später noch mit dem Kanister zur Tanke, und zurück in die Kneipe. Markus macht das, Thomas fährt mit. Andere hätten das wohl nervig gefunden. Aber hier gibt es keine Spur von Gereiztheit: Ist passiert, wird ausgebügelt, basta. Zwischendurch gab es offenbar ein spektakuläres Foto-Shooting auf einer Wiese, aber das habe ich verpasst.
Abschleppdienst zurück, große Wiedersehensfreude, nur gelinder Spott - "Kein Sprit mehr? Die haben da was  erfunden. Man nennt es: Tankuhr." Endlich Zeit für Thomas' Ansprache und Begrüßung. Birgit als einzige Frau unter uns Kerlen wird von ihm besonders herzlich begrüßt - wir alle freuen uns sehr, wenigstens eine Frau unter uns zu haben (vielleicht haben wir im nächsten Jahr eine bessere Quote?). Und sie erhält ein wunderbares Präsent von Thomas, mit dem sie in unserem Kreise willkommen geheißen wird: ein Jahresabo der Zeitschrift "Fliegenfischen"! Infizieren muss man sie gar nicht mehr, das ist längst geschehen. Aber die Lektüre wird ihr über die finsteren Monate hinweghelfen und das Virus am Leben halten.
Aber kommen wir zum

3. Aufzug (Kalorienzufuhr).
Thomas hat tatsächlich so lange gewartet, bis (fast) alle in der Kneipe eingetroffen sind. Dann gibt er das Signal: "Gänse Marsch!" Nun beginnt ein furchtbares Gemetzel; die Feder sträubt sich zu schildern, was nun geschieht. Wäre ein Dokumentarfilmer beauftragt worden, das im Bild festzuhalten, liefe das jetzt im Discovery-Channel unter einem Titel wie "Unter Räubern" oder (aber das gibt es ja leider schon) "Das große Fressen". Fliegenfischer sind zivilisierte Menschen. Dachte ich. Bis ich sie beim Gänseessen sah. Übrigens habe ich Fotos davon gemacht. Aber keine Sorge -
die sind sekretiert. Niemand wird sie sehen, versprochen! 
Die ersten fünf Vögel werden ratzfatz verputzt, samt Klößen, Grünkohl, Sauce. Angeblich gab es noch weitere Beilagen, aber die haben es bis zu meinem Platz nicht geschafft. Schon sehr schnell sind überall Skelette zu sehen. Löffel scharren vergeblich in leeren Schüsseln. Allerletzte Klöße werden eilfertig in den Hamstertaschen verstaut (Ihr wisst schon, wen ich meine?). Und ich glaube, sogar Knochenknacken gehört zu haben. 
Die Meute knurrt. Sabbert. Knurrt lauter. Thomas gibt Signal: "Mehr Gänse, Marsch!" - und drei weitere Gänse sorgen für Frieden. Zwischendurch gibt es allen Ernstes eine Diskussion über die - - - Vogelgrippe. Vergessen wir's.
Pappsatte Fliegenfischer lehnen sich zurück, rülpsen dezent (Birgit sei Dank!), nehmen sich eine kurze Bedenkzeit für die Vorbereitung der kleinen Geschichten, die ihn dann begleiten werden, den...

4. Aufzug (Hochwasser).
Nun hilft auch Birgits Anwesenheit kaum mehr etwas; die Rülpser werden im Laufe des Abends lauter. Diese Stunden, in denen wahre Ströme von Bier die Kehlen passieren, bilden nun eigentlich wohl den Hauptteil des Events - und sind in kurzen Worten einfach nicht zu schildern. Es bilden sich immer neue Grüppchen, die mal über dies, mal über das, gelegentlich über jenes plaudern. Da werden Freundschaften geschlossen, gemeinsame Ausflüge verabredet, Tipps gegeben, Erfahrungen ausgetauscht, kurzum: Wir verstehen uns, und zwar ganz prächtig. Diejenigen, die dabei waren, wissen, warum es hier nicht präziser wird. Diejenigen, die nicht dabei waren, werden ahnen, was sie verpasst haben. Und im nächsten Jahr hoffentlich dabei sein. Das lohnt sich! Gemeinsam verbringen wir einen wunderbaren Abend, für den wir Thomas danken. Sollte im Laufe des Abends gelegentlich Anglerlatein gesprochen worden sein - was soll's? Wer seinen Spaß nicht hatte, der werfe den ersten Stein!
Aber ein paar von uns bleiben nüchtern, weil sie für die Fahrt ins Hotel verantwortlich zeichnen. Dank, auf den Knien meines Herzens! Und Respekt vor dieser Leistung! Und alle Achtung, dass ihr den trunkenen Zungen lauschen konntet, ohne euch dem Suff zu ergeben. Nur am Rande: Auch vom Endzustand einiger Teilnehmer habe ich Fotos. Danke! Sollte ich mal eine zweite Karriere als Erpresser starten wollen, dann fürchtet euch! Es wäre euch sicher eine Sage wert, die Bilder gelöscht zu wissen ... Aber ich will durchaus nicht ausschließen, dass es auch von mir solche Bilder gibt - seid so gnädig, wie ich es bin, bitte!
Für mindesten einen von uns wurde es dann noch ganz schlimm, im...
5. Aufzug (Hotel, Nacht).
Kaum liege ich im Bett, geht es los. Irgendwo ein paar Zimmer weiter wollen Grünkohl, Gans und Bier an einen anderen Ort - in die Kanalisation, vermute ich. Du meine Güte! Da geht die Post ab, grauenhaft. Doch ich freue mich über meinen Pferdemagen, gestehe mir ein, völlig blau zu sein und entschlummere sanft, während nebenan noch immer geysirhaft der Grünkohl ins Freie will: "Wuurbs! Kuuöörz! Wuuhuurbs!"
Ich kontere, vermute ich, mit heftigem Schnarchen. Der Wecker steht auf 7.30 Uhr, und bis dahin ist es wirklich nicht mehr lange hin.

6. Aufzug (Warteschleife).
Um 8 Uhr wollen wir frühstücken. Thomas hatte die Parole ausgegeben, dass wir um 9 bei Heiwi starten, um gemeinsam in den Forellenp*** zu fahren. Aber wir stehen vor einer verschlossenen Gasthaustür, im Raum ist es
stockfinster. Klopfen, Klingeln - nichts. Aber da steht eine Handynummer vermerkt, wo man sich in solchen Fällen melden kann. Dort rufe ich an und erkläre unser Anliegen - dem Anrufbeantworter. Während ich noch schwätze, höre ich merkwürdigerweise meine eigene Stimme noch einmal: Der Anrufbeantworter steht hinter der verschlossenen Tür! Da steht er vielleicht ganz gut, aber nützen tut er nichts.
Nun steht schon ein ganzes Rudel hungriger, graugesichtiger Wölfe vor der Tür. Rasch klärt sich das Problem - ursprünglich sollte erst um 10 Uhr gestartet werden. Frühstück war für 9 Uhr bestellt. Irgendwie hat sich die Terminplanänderung nicht bis zum Gasthof herumgesprochen. Also warten wir, was bleibt uns übrig? Telefonate mit Thomas - wir werden später kommen.
Um kurz vor 9: Nahrungsanflug. Die Wirtin kommt, ist peinlich berührt, kann gleichwohl nichts dafür. Im Eiltempo wird das reichhaltige Buffet geplündert, mangels Zeit fehlt es zwar am heiß ersehnten Rührei, aber alle werden satt. Unsere Gesichter sind nun nicht mehr ganz so blass; die Laune ist prächtig; auch Kuuöörz scheint sich erholt zu haben .

7. Aufzug (zum und am P***).
Nun werde ich ein klein wenig einsilbiger . Dafür gibt es mehrere Gründe, aber ich will nur ein paar davon aufzählen: Regen, Wind, Kälte - und unterwegs der erste Schnee! Das Wetter ist wirklich eklig, und trotz unserer kleidungsmäßigen Hochrüstung ist es einfach nur schweinekalt. Auf dem Parkplatz kratzt dann noch das eine an dem anderen Fliefi-Gefährt - Kotflügel und Rückleuchte demoliert. Das ist der allgemeinen Stimmungslage zwischenzeitlich nicht vollends förderlich.
Dann gab es noch die Panne mit der Erbensuppe. Zwölf bis auf die Knochen durchgefrorene Fliegenfischer freuten sich darauf, aber das Töpflein Suppe, das dann kam, war entschieden untermaßig. Für einige von uns gab es kein einziges Löffelchen mehr zu kosten, und wenn Markus nicht einen reichlichen Vorrat an Eichsfelder Mettwurst bei sich gehabt hätte, wäre vielleicht die eine oder andere Forelle roh verschlungen worden. Aber Schwamm drüber, Shit happens, langes Lamentieren hat keinen Zweck. Vergessen und Verziehen! 

Ja, meine Güte, was berichte ich aber vom Fischen im Forellenp***? Nehmt es mir nicht übel, bitte. Denn ich berichte - nichts. Versuch macht klug, hatte ich gedacht, aber meine Sache ist das nun einmal nicht (und ich war weiß Gott nicht der einzige, dem das so ging). Es wäre nun vollends sinnlos, hier Bemerkungen zur Philosophie des Fliegenfischens einzustreuen, deshalb halte ich besser die Klappe.
Was man allerdings ehrlicherweise sagen sollte: Hier konnte man wirklich ein paar Meister unseres Faches bewundern, die ihre Streamer olympiaverdächtig in die Ferne schossen: Hut ab, und zwar tief! Und ergänzen sollte man auch, dass Birgit als Frischling ihre Sache ganz fabelhaft gemacht hat. Noch einmal: Hut ab, und zwar tief!

Liebe Leute, das sind ein paar entschieden subjektive Aufzeichnungen über ein Wochenende, das sehr verschiedene Seiten hatte. Den Ausflug zum P*** mögen andere anders als ich beurteilen, aber ich hülle mich da in Schweigen.

Das Treffen in Hamm (und das Vorspiel am Möhnesee): Das waren wirklich wunderbare Aktionen, von denen ich aber auch keine einzige Minute missen möchte. Wer nicht dabei war, der sollte sich die Haare raufen! Thomas hat das fabelhaft organisiert. Alle, aber auch alle haben davon profitiert, dass wir in so vergnügter, fröhlicher Runde die Köpfe zusammenstecken konnten:

Hab herzlichsten Dank, mein Lieber!  Und sollte ich im nächsten Jahr kein Geld haben, um die Reise zu bezahlen -
dann verkaufe ich eine meiner Fliegenruten und fahre nach Hamm.

Euer Frank

Weitere Kommentare dazu lest Ihr im: (BOARD)


zurück zu "Allgemeine Reports" | zurück zur Übersicht "Reise & Report" | zurück zur Startseite