Ich habe gestern mal was für den WhatsApp-Bekanntenkreis bzw. facebook zusammen geschrieben und erlaube mir, das auch hier zu teilen:
Für politisch UND an der Natur interessierte ist es in Bayern gerade sehr spannend: Es findet eines der selten Volksbegehren statt (siehe
https://volksbegehren-artenvielfalt.de/). Gerne mit dem populistischen Slogan "Rettet die Bienen!" beworben, heißt der volle, offizielle Titel des Begehrens "Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern". Seit Wochen geht es wegen des Begehrens hierzulande heiß her - die Befürworter wähnen sich auf Seiten der Weltretter, die heutzutage ja auf einer nicht enden wollenden Erfolgswelle surfen, die Gegner sehen das Begehren als unwirksames Feigenblatt, das nur die Bauern gängeln soll.
Weil Natur und Naturschutz zu meinen Kerninteressen zählen, habe ich mich mal hingesetzt und
- den originalen Gesetzesentwurf des Volksbegehrens gelesen
- mir die Argumente der Befürworter angehört
- mir die Argumente der Gegner angehört
- mich nochmal in die Funktionsweise der direkten Demokratie in Bayern eingelesen
- umfangreich im Familien- und Bekanntenkreis diskutiert.
Am Ende bin ich für mich zu folgenden Ergebnissen gekommen:
1) Inhaltliche Einschätzung:
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Kurz und knapp - einen Großteil der Forderungen des Gesetzesvorschlags finde ich durchaus gut und Begrüßenswert. Erhalt der Artenvielfalt als staatliches Naturschutzziel? Super! Mehr Naturschutzbildung in den Lehrplänen? Warum nicht?! Bewirtschaftung von Staatswäldern mit dem Ziel biologische Vielfalt zu bewahren (anstatt Rehe auszurotten)? Ausgezeichnet! Feuchtgebiete Feuchtgebiete sein lassen und nicht mehr wie vor hunderten von Jahren trocken legen? Absolut sinnvoll! 5 Meter Breite Gewässerrandstreifen einhalten, die es in anderen Bundesländern schon längst gibt? Zeit wird's! Sinnlose Beleuchtung gerade auf dem Land einschränken? Endlich! Wiesen später und nur noch von innen nach außen mähen? Die Wiesenbrüter und Rehkitze werden's danken! Und so weiter, und so fort.
ABER: Es sind leider auch einige Forderungen eingeflochten worden, die so gar keinen Sinn machen. Wichtigstes Beispiel ist sicher eine gesetzliche Quotenregelung zur Bio-/Ökolandwirtschaft (30% ab 2030). Erstens wäre das schlicht und ergreifend Planwirtschaft (die Nachfrage gibt das derzeit gar nicht her!), zweitens frage ich mich, wie das durchgesetzt werden soll und drittens mache ich mir Sorgen um die Frage, ob wir uns dadurch nicht evtl. von anderen abhängig machen, weil die Produktion nicht mehr ausreicht. Ein anderes Beispiel ist das Verbot, Dauergrünland in Ackerflächen umzuwidmen. Wie soll da noch irgendein Bauer den Weg andersrum gehen, sprich: Ackerflächen in Grünland umwandeln, wenn er Gefahr läuft, dadurch den freien Zugriff auf seine Flächen für immer zu verlieren? Ich glaube, das ist nicht zu Ende gedacht.
2) Sinnhaftigkeit und Implikationen Volksbegehren:
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Damit ein Volksbegehren statt finden kann, braucht man einen voll ausgefertigten Gesetzesvorschlag UND 25.000 Unterstützer-Unterschriften.
Damit das Begehren vom Ministerpräsidenten mit eigener Stellungnahme dem Landtag als Gesetzesentwurf vorgelegt werden kann, müssen 10% der Wahlberechtigten (derzeit knapp 1 Million Bürger) eine Eintragung im zuständigen Rathaus vornehmen.
Nimmt der Landtag das Begehren bzw. den Entwurf an, ist das Gesetz durch und das Begehren war erfolgreich. Lehnt er es ab, findet ein Volksentscheid statt. Dabei wird entweder nur der Vorschlag des Begehrens zur Abstimmung gestellt ODER der Landtag kann einen Gegenentwurf vorlegen. Gewinnen tut bei normalen Gesetzen am Ende die einfache Mehrheit.
=> Gerade beim vorliegenden Volksbegehren ist, auch wenn es durch geht, noch lange nichts entschieden. Sowohl CSU als auch Freie Wähler sind als Bauernparteien bekannt, und die Bauern sind freilich die größten Gegner des Begehrens. Mithin wird der Landtag dem Entwurf keinesfalls zustimmen und mit großer Sicherheit einen bauernfreundliche(re)n Gegenvorschlag vorlegen. Erst im Volksentscheid wird es dann "um die Wurst" gehen. Ich sehe aber im Begehren einen Riesenvorteil: Das Thema wird endlich mal sowohl in der Bevölkerung, als auch in der Legislative thematisiert, und es wird sich etwas tun - WENN zumindest das Begehren durchgeht.
Und zumindest eine Sache hat das Begehren schon erreicht: Leute wie ich haben sich sowohl mit der Sache, als auch mit der direkten Demokratie auseinander gesetzt.
(Meine Bedenken hinsichtlich direkter Demokratie sind allerdings eher größer geworden... Wer setzt sich wirklich so detailliert mit der Frage auseinander? Wer hört nur "Rettet die Bienen", sieht dann sein ökologisches Gewissen beruhigt und lässt weiter den Rasenmäherroboter den Rest an Gras im Natursteingarten kurz halten, während er mit dem SUV zum Biomarkt fährt?)
3) Mein persönliches Fazit:
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Ich werde das Volksbegehren unterstützen, weil ich denke, dass es am Ende mehr nutzen als schaden wird. Auch wenn ich großer Gegner von Eingriffen ins Eigentumsrecht bin, halte ich sie an dieser Stelle doch für angezeigt. Beispiel Gewässerrandstreifen: Werden diese nicht eingehalten und ein Gewässer dadurch negativ in Flora und oder Fauna beinträchtigt, betrifft das die Natur, also uns alle. Eine Entschädigung lässt sich aber kaum modellieren. Also hilft (leider) nur ein Gesetz, das verhindert, dass überhaupt Entschädigungsfälle eintreten.
Wir alle sollten uns aber vor Augen halten, dass die Landwirte sicher nicht alleine die Verantwortung tragen. Jeder Gartenbesitzer kann seinen Teil beitragen! Jeder, der die Natur als Kulisse für seine Freizeitaktivitäten benutzt, sollte kritisch hinterfragen, was er da tut (Stichwort: Skigebiete). Jeder, der einkauft, kann überlegen, ob er No-Name-Produkte oder regionale Lebensmittel kauft. Jeder, der ein Eigenheim besitzen will, sollte sich Gedanken drüber machen, ob es auf der grünen Wiese außerhalb der bisherigen Ortsbebauung sein muss, oder ob nicht bauen im Bestand möglich wäre. Und so weiter, und so fort...