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Der springende Punkt
Verfasst: 20.07.2011, 12:29
von Bernd Ziesche
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Re: Der springende Punkt
Verfasst: 20.07.2011, 15:30
von Maqua
Da stellt sich mir als Laie sofort folgende Frage: Wenn der Umfang des Stahlkerns bekannt ist, warum werden die Kohlefasermatten dann nicht passgenau zugeschnitten damit die Außenkanten bündig abschließen? (mindestens 2 Wicklungen vorausgesetzt)
Dann wäre die Wandstärke des Blanks überall gleich, oder ist das vom Hersteller zuviel verlangt bei Rutenpreisen von 700,- bis 800,- Euro?
Gruss Manni
Re: Der springende Punkt
Verfasst: 20.07.2011, 17:25
von derflow
Klasse - ne endlose Overlapdiskussion. Jede Menge graue Theorie.......Vorschlag: man nehme 4 identische Blanks - beim Ersten baut man die Ringe auf den Overlap, beim Zweiten um 90°versetzt, beim Dritten auf die gegenüberliegen Seite und beim Vierten verzichtet man völlig auf eine Overlapermittlung. Würde wetten, daß 98% der Werfer hier (mich eingeschlossen) allein durch Werfen (bei allen Ruten mit der identischen Schnur) - natürlich wird ihnen nicht verraten, daß die Ruten unterschiedlich aufgebaut wurden - keinen Unterschied feststellen können.
Re: Der springende Punkt
Verfasst: 20.07.2011, 18:38
von Joerg Giersbach
Hallo Florian!
Genau so siehts aus!!!!!
Das mit dem Overlap wird m.M. nach viel zu viel überbewertet.
Gruß Jörg
Re: Der springende Punkt
Verfasst: 20.07.2011, 19:04
von laverda
Hi Leutchen,
zunächst Fakten:
Es gibt in den allermeisten Fällen nicht die harte einseitige Biegung z.B. im Vorschwung und die weiche im Rückschwung, sondern harte und weiche Biege-EBENE, wobei harte und weiche Biegeebene um 90°zueinander versetzt sind. Wer eine technische Ausbildung genossen hat, erinnert sich bestimmt an die Lage der neutralen Faser bei Biegung und die "gestreckte Länge". Genau dies liegt dieser Tatsache zugrunde.
Die harte und weiche Ebene müssen auch nicht zwangsläufig über die Rutenteillänge mit der Linie der Überlappung übereinstimmen.
Natürlich können z.B. innerhalb der harten EBENE, also im Vorschwung und Rückschwung auch minimale Unterschiede auftreten, ebenso kann dies natürlich bei der weichen der Fall sein.
Der Unterschied der Federkonstanten einer Rute von weicher zu harter Biegeebene betrug bei Messungen bis über 5% bei ~1/4 Spitzenauslenkung der Rutenlänge. Die Unterschiede innerhalb einer Ebene (Biegerichtung um 180° gedreht => entgegengesetzte Biegung) betrugen bis 1%. Ermittelt wurden diese Werte über Schwingungsanalysen.
Wie das jeder für sich einschätzt, soll er selbst entscheiden. Für mich sind 5% Grund genug, die Ringe auf die harte Ebene zu setzen. Das nominale Schussgewicht ändert sich übrigens lange nicht so stark, die 5% äußern sich im wesentlichen in der Rückstellgeschwindigkeit, d.h. geringerer Dämpfung. Wie heißt es so schön: Das Bessere ist des Guten Feind und warum auf Feinheiten verzichten, wenn es so einfach ist, diese Ebenen zu ermitteln.
@Bernd: Wenn ich einen Blank zu Listenpreis als 1A Ware kaufe, geht der zurück, bevor ich anfange mit den Ringen zu mogeln, um den gerade zu ziehen.
Gruß vom platten Niederrhein
Re: Der springende Punkt
Verfasst: 20.07.2011, 21:18
von Bernd Ziesche
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Re: Der springende Punkt
Verfasst: 20.07.2011, 21:28
von hshl
Hallo All,
ich sehe das ähnlich wie laverda. Davon ausgehend, dass gerade die lange Schnur eine kontrollierte Biegung der Rutenspitze braucht, halte ich jede Innen- Außenbiegung oder sonst eine "Schwingung" außerhalb der Wurfebene ("Biegeebene") für nicht optimal. Über Prozentsätze der Innen- Außenbiegungen möchte ich nicht streiten. Die Rutenspitze sollte - exakt - in der Wurfrichtung schwingen. Ansonsten kommen im günstigsten Fall nur Wellen / Ausbauchungen ("Dangle ?") usw. in die Schnur... Bei den Ruten im oberen Preissegment kann ich eine exakte Ausrichtung erwarten.
Grüße, Tobias
Re: Der springende Punkt
Verfasst: 20.07.2011, 23:11
von laverda
Bernd Ziesche hat geschrieben:laverda hat geschrieben:Für mich sind 5% Grund genug, die Ringe auf die harte Ebene zu setzen.
Hallo Laverda,
das tust Du, um was genau zu erreichen?
Gruß
Bernd
Hi Bernd,
sehr einfache Antwort: Geringst mögliche Dämpfung, die ja wie allgemein bekannt, bei der Energieübertragung für eine Minderung des Wirkungsgrades verantwortlich ist. Eine Rute macht schließlich nichts anderes als die Eingangsgrößen Kraft und Weg in die Ausgangsgrößen Beschleunigung und Geschwindigkeit umzuwandeln. Da erscheint mir ein maximal möglicher Wirkungsgrad sehr sinnvoll.
Wenn man berücksichtigt, welche Anstrengungen unternommen und massiv beworben werden, um dies auf dem Wege der Faser-Harz-Optimierung zu erreichen, ist dies eine vergleichsweise sehr sehr einfach durchzuführende Maßnahme. (Wenn man seine Stecken selber baut).
Ich hatte im letzten Winter 2 identische Blanks gekauft und wollte die zu Vergleichszwecken mit identschen Komponenten aber bezüglich "Overlap" unterschiedlich aufbauen, wobei ich auch bei der Beringung und Lackierung einige Details hinsichtlich der Reibungsverluste optimieren wollte. Die erste Rute ist allerdings so gut und überzeugend geworden, dass ich nicht Zeit und Geld verschwenden wollte, um eine Rute 2. Wahl zusammenzubauen zumal mir die Auswirkungen technisch vollkommen einleuchtend sind. (Der 2. Blank steht jetzt als Reserve im Schrank, keine "lebenslange" Garantie auf die Aufgebaute)
Gruß vom platten Niederrhein
@Tobias: Wenn du eine qualitativ vernünftige Rute, inklusive durchgängig hochwertiger Komponenten sowie handwerklich ohne versteckte Mängel möchtest, bleibt eigentlich nur der Selbstbau. Aber das ist ein Thema, das bei Wurf-Taktik und -Technik weniger passt.
Re: Der springende Punkt
Verfasst: 21.07.2011, 09:19
von Bernd Ziesche
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Re: Der springende Punkt
Verfasst: 21.07.2011, 18:46
von hshl
...vielleicht sollten die Begrifflichkeiten zurvor klar definiert werden. Die "Außenkante" muss ja nicht immer mit der harten / weichen Seite (dem "Springpunkt") identisch sein. "Overlap" = Überlappung, Überstand (engl.) ist wohl eher die Außenkante und nicht der springende Punkt...
Re: Der springende Punkt
Verfasst: 21.07.2011, 20:48
von tea stick
Guten Abend, Ihr Physiker!
Bei meinem Einlesen in den Bambusrutenbau bin ich überraschenderweise auch auf einen Overlap-Effekt gestoßen: Obgleich Bambusruten per definitionem gar keinen Overlap haben können, scheint es doch immer wieder derartige "springende Punkte" zu geben, ob sie nun durch Verwendung von Spleißen aus unterschiedlichen Rohren entstanden sind (was man ja vermeiden soll) oder mit dem Knotenversatz zusammenhängen, ist nicht eindeutig geklärt - sie sind einfach da und mehr oder weniger stark ausgeprägt.
Aus folgender Überlegung - sei bitte nachsichtig mit mir, laverda - winde ich die Ringe auf der "Schwachseite" an: Beim Wurf über die "Starkseite" (=Overlap) werfe ich sozusagen auf der Kante. Und da eine Rute auch nur ein armer Teufel ist, wird sie sich den Weg des geringsten Widerstands suchen und zu den Seiten auszubrechen versuchen; das macht den Wurf weniger kontrollierbar. Bei Zug über die Schwachseite bleibt sie aber in der anbefohlenen Richtung und ich brauche mir keine Gedanken über skurrile Figuren in der Wurfschnur zu machen.
Liege ich damit so falsch? Dann steinigt mich bitte nicht - ich bin immer noch lernfähig, gleichwohl physikalisch völlig unbegabt
LG
vom Freimut
Re: Der springende Punkt
Verfasst: 21.07.2011, 21:04
von Bernd Ziesche
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Re: Der springende Punkt
Verfasst: 21.07.2011, 21:23
von Blauzahn
Servus zusammen,
da ich auch so ein "verrückter Vermesser" bin, verfolge ich diesen Thread Aufmerksam
und möchte ein paar Erfahrungen meinerseits beisteuern.
So messe ich z.B. vor einem Aufbau den Blank in "alle vier Richtungen".
Ich beginne auf dem von mir "händisch" ermittelten Overlap (Rute ist komplett in Overlap-Richtung zusammengesteckt - egal ob dabei Krumm) mit meiner Messung (Theos 15° Power-Messung) und drehe die Rute jeweils um 90°.
Die ermittelten Werte 3,75° wie auch 15° lagen noch nie im von Laverdas angesprochenen "5%-Bereich" (Federkonstante)!
Immer waren die Unterschiede im Bereich
unter Zwei Prozent meißt sogar
unter Einem Prozent was die statische Auslenkung anbelangt.
Und diese statische Auslenkung ist meiner Meinung nach entscheidender für das Werfen als die Federkonstante, da ja die Fliegenschnur in
beide Richtungen auf den Blank wirkt und erst beim "Schiessenlassen" die angesprochene "5% Direktionskonstante" ins Spiel kommt.
Soweit meine bescheidene Meinung zum Thema Overlap.
An Bernd noch...
ich würde die Ringe so anbringen, dass der Blank gerade ist
Abendgruß,
René
Re: Der springende Punkt
Verfasst: 21.07.2011, 21:44
von Bernd Ziesche
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Re: Der springende Punkt
Verfasst: 21.07.2011, 22:19
von laverda
Hi liebe Rutengreunde,
es spielt überhaupt keine Rolle, wie genau der sogenannte Overlap verläuft, das ermittelt kein Mensch mit der sogenannten "Overlapermittlung" oder Springpunkt-Test. Jede Stabfeder, die nicht aus absolut homogenem Material sowie Geometrie besteht, wird nicht in allen Richtungen einer Biegung den gleichen Widerstand entgegensetzen. Das gilt dann eben auch für Gespließte. Inhomogenitäten des Materials/in der Geometrie, die unterschiedliche Biegewiderstände verursachen, können neben dem Verlauf der Mattenkanten noch etliche andere Gründe haben. Alle zusammen verursachen die unterschiedlichen Biegewiderstände. Mir persönlich ist es eigentlich auch ziemlich egal, wo dies genau herkommt, mir reicht die Tatsache, dass dies eindeutig messbar ist, bei fast allen Blanks mehr oder weniger ausgeprägt vorhanden ist und ich die Lage eindeutig bestimmen kann, um die bestmögliche Ringflucht zu ermitteln.
Zur Beringung:
Bei allen bekannten Methoden der "Overlapermittlung" wird dir Rute/das Rutenteil so gehalten/gebogen, dass es sich unter Drehung frei in die eine Lage dreht, die der Biegung den geringsten Widerstand entgegensetzt, in diese Lage quasi hineinspringt. Die Rute legt sich auf die "faule Haut", wie es ein sehr erfahrener professioneller Rutenbauer gerne zu sagen pflegt.
Die Innen- und Außenlinie dieser Biegung bilden die weiche Ebene. 90° versetzt dazu befindet sich die Ebene des größten Widerstandes.
Wenn ich dies also mit einer beringten Rute mache, bei der die Ringe in der harten Ebene sitzen, stehen diese exakt waagerecht zur Seite ab. Stehen die Ringe auf der Innen/Außenseite der frei gebogenen Rute senkrecht nach oben oder unten, befinden sich diese in der weichen Biegeebene.
Um es nochmal ganz deutlich zu betonen: Verschiedene sich überlagernde Effekte verursachen dieses Verhalten und es kann (in sehr seltenen Fällen) durchaus zu recht deutlichen Abweichungen kommen. Dann muss man etwas genauer Biegen und Messen, um die geeignete Ringflucht zu finden.
@Blauzahn: Bei statischer Messung ist der Unterschied tatsächlich, wie auch ich erwähnt habe marginal. Die statisch ermittelte Federkennzahl (Hooksche Methode) liefert auch nur Aufschluss über den Wert des AuslenkungsPUNKTes. Ich ermittel dies dynamisch über eine Schwingungsanalyse (Biegungsbereich um einen Belastungspunkt) und die Rute bewegt sich eben beim Wurf eher, als dass wir statische Verhältnisse vorfinden.
Der letztjährige "Wettbewerbsblank" hatte übrigens eine maximale Abweichung von 5,6% von der weichsten zur härtesten Biegung bei einer Auslenkungs-/Schwingungsbelastung von 87gr.
Was jetzt jeder mit diesen Tatsachen anfängt, muss man selbst entscheiden. Mir ist nur wichtig, um möglichst viele Effekte zu wissen, um in Summe der Kleinigkeiten meine Stecken (für mich) immer weiter zu verbessern.
Gruß vom platten Niederrhein
@Bernd: Es war zu keiner Zeit von einer Geschwindigkeitsmessung der unbelasteten Rute die Rede.