Einen schönen guten Tag Ihnen und Euch allen, sehr verehrte Damen und sehr geehrte Herren, Euer Merkwürden und auch ein simples "Servus" ans Volk,
interessante Diskussion, wirklich prima. Bisher geht die Diskussion ja sehr stark in Richtung "Sprache/Sprachentwicklung". Interessante Ansätze zur "DUZ- oder SIEZ-Kultur" finden sich m.E. aber auch in den (nicht sprachlichen) Kulturdimensionen wie z.B. nach dem Hofstede Model. Hier dürften m.E. die Werte der Machtdistanz unterschiedlicher Kulturen eine Rolle spielen (Hofstede ist hier nur ein Beispiel, Hall, Trompenaars, die Globe Studie oder andere wissenschaftliche Arbeiten zur Diskussion/Untersuchung von kulturellen Unterschieden geben ebenfalls einige Ansätze her; und natürlich gibt es zu allen Modellen auch Befürworter und Kritiker; letztere sind oftmals die anderen Forscher

).
Z.B. hat Japan eine höhere Machtdistanz mit einem Wert von 54 verglichen zu den Schweden mit einem Wert von 31.
Für die Schweden gilt daher (tendenziell eher, keine Regel ohne Ausnahme), dass z.B. Ungleichheit zwischen den Menschen so gering wie möglich sein sollte, Eltern ihre Kinder wie ihresgleichen und Kinder ihre Eltern ebenfalls wie ihresgleichen behandeln sollten, Lehrer Eigeninitiative erwarten sollen und Experten sein sollen, die Wissen vermitteln, Schüler ihre Lehrer wie ihresgleichen behandeln sollen, usw. usw. Eine hierarchische Organisation erfolgt hier nur aus praktischen Gründen, Mitarbeiter wollen einbezogen werden, Vorgesetzte wollen einbinden, Statussymbole und Privilegien werden i.d.R. nicht gebilligt.
Für Japaner gilt daher (tendenziell eher, keine Regel ohne Ausnahme), dass z.B. Ungleichheit zwischen den Menschen erwartet wird und erwünscht ist, Eltern ihre Kinder zu Gehorsam erziehen sollen, Kinder ihre Eltern mit Respekt behandeln sollen, Initiative vom Lehrer ausgehen soll, Lehrer Gurus sind, die Wissen vermitteln, Schüler ihre Lehrer mit Respekt behandeln sollen. Eine hierarchische Organisation ist hier Spiegelbild einer Ungleichheit von Natur aus, Mitarbeiter erwarten Anweisungen zu erhalten, der ideale Vorgesetzte ist der wohlwollende Autokrat, Privilegien und Statussymbole sind populär, usw. usw.
Dies spiegelt sich auch in der Sprache und im Umgang miteinander wider. (Und hat natürlich ebenfalls wieder politische/historische Hintergründe.)
So gibt es nicht umsonst gerade in Skandinavien viele "quasi-institutionelle" Gleichheitsgrundsätze, wie z.B. das Jedermannsrecht, das Janteloven (Jantegesetz) und und und. Auch in der hanseatischen Kultur "Kein Herr über, kein Knecht unter Dir", aber auch im Gastgewerbe (DUZEN durch den Köbes, Umgang in Straußwirtschaften, Marktschreier, etc.) gibt es ja viele interessante Feinheiten. Wohingegen ja Militär und Kirche wieder durch andere Feinheiten bestimmt werden.
Ich persönlich bringe Menschen jedenfalls nicht mehr (weniger) Respekt entgegen wenn ich sie SIEZE (DUZE). Auch habe ich nicht mehr oder weniger Respekt vor Titeln. Vielmehr finde ich es interessant, mich mit einem Angelernten W oder einem Ausgebildeten X oder einem Dr. Y oder einem Prof. Z über das zu sprechen, WER die Person ist, WORIN die Person ein Experte ist, WOFÜR sie sich interessiert, WAS sie so macht etc.
Am Wasser finde ich es allerdings immer schwierig, weil man ja nie weiß, wer einen da erwartet. Meistens beginne ich daher mit einer "nicht personalisierten" Frage wie "Petri, und wie läuft´s?" Oder "Hallo, hat sich schon was getan?". Manchmal merke ich an der Reaktion, dass der andere ähnlich unsicher ist, nämlich dann, wenn er ähnlich antwortet. Manchmal merke ich aber auch sofort, dass man sich die Hand geben und direkt in einen "Schnack" verfallen kann. Da ich schon in diversen Bundesländern gewohnt und/oder gefischt habe, habe ich hier auch Unterschiede erlebt.
Am schönsten ist es, wenn die Situation irgendwie schon den Umgang miteinander vorgibt. So haben mein Schwager und ich an der Kyll am Parkplatz am Wasser mal ein holländisches Auto und 2 Fischer gesehen. Wir sind dann woanders hin und haben dort gefischt. Als wir zum Nachmittag wieder an den Parkplatz zurückgekommen sind, standen dort 2 nette, komplett montierte Fliegenruten am Zaun, das Auto war weg. Wir haben dann die Ruten an eine weniger exponierte Stelle gestellt, weil auch ein Fahrradweg an der Stelle vorbeiführt. Dann haben wir einen Zettel vorbereitet, den wir am Zaun anbringen wollten. Als der Zettel gerade fertig war, kam das Auto zurück. Die beiden Kollegen waren sichtlich aufgeregt und sahen uns eher unsicher an. Ich bin dann direkt mit dem Zettel auf sie zu und habe unser Vorgehen erklärt. Als die beiden sahen, dass wir zur "netten, hilfsbereiten Fraktion" gehören, waren sie sofort offen und sprachlich eher auf "DUZ-Level" (mal die Feinheiten zwischen Niederländisch und Deutsch außen vor). Die hätten glaube ich in jeder Sprache "Wir danken Euch" statt "Wir danken Ihnen" gesagt...
Oder ich habe mal einem mir unbekannten Kollegen beim Keschern geholfen, weil die Situation schwierig war, der war auch sofort beim DU... der Fisch war aber auch quasi der Fisch seines Lebens, ich glaube der hätte mich auch geheiratet
Lange Rede - kurzer Sinn, pro Respekt und Pro Du, wenn der Gegenüber will.
Viele Grüße
HRH

Erik