Maggov hat geschrieben:Hallo Gabriel und Werner,
Ich denke es kommt darauf an wie man Naturschutz definiert. Wenn man von Arterhalt und Wildbeständen ausgeht ist jede Besatzmassnahme abseits von Abstreifen und Vorbrüten von gewässereigenen Fischen schon "schwierig" wegen bereits genannter Risiken. Selbst wenn ich davon abweiche und eine Kompromisslösung wähle (wobei mir dass eher wie die Illusion von Naturschutz scheint weil ich eben die natürlichen Verhältnisse gemäss meine Wunschvorstellungen verbiege) gefährde ich das Eigenaufkommen zusätzlich und erhöhe die Erwartungshaltung der Mitfischer auf ein Mass dass das Wasser ohne Besatz eben gar nicht leisten kann.
Das hat zunächst noch nicht mal was mit Befischungsdruck zu Tun. Dies kommt m.M. Nach erschwerend dazu und spätestens dann halte ich eine Kompromislösung als kaum noch haltbar... Das fiktive Beispiel von Werner ist ideal: 200 Fischer auf 15km Wasser... Wenn wir mal 5 Fischtage pro Jahr und Fischer nehmen dann sind das bereits 1000 Fischtage im Jahr. Will jeder Fischer auch eine Fisch mitnehmen muss ich schon 1000 Fische jenseits des Laichfähigen Alters (= über Schonmass) on top über das Wasser hervorbringen. Diese Überschüsse musst Du erst mal erreichen oder besetzen...
Wenn ich besetze dann wird bekanntlich nicht alles gefangen / überlebt / bleibt in der Strecke. Wenn ich davon ausgehe dass irgendwas zwischen 20 und 50% gefangen und entnommen wird dann müsste ich bereits zwischen 2000 und 5000 fangfähigen Fischen setzen um rein quantitativ die Entnahme zu kompensieren. Tue ich das ende ich wieder bei der Frage was die 2000-5000 als Nahrung zu sich nehmen (nur Insekten oder auch Brut, wenn ja welche fische sind das?) und welche Standplätze diese Fische einnehmen....
Deshalb finde ich für mich keine Lösung für den Dreisatz Naturschutz - Besatz - Bedienung der Angelnachfrage... Und bin um jeden Vorschlag dankbar.
LG
Markus
Lieber Markus,
das ist in der Tat eine interessante Frage, wie man Naturschutz definiert. Um ehrlich zu sein, habe ich noch nie ernsthafter darüber nachgedacht.
Nun, wie der Wortlaut sagt: Natur schützen. Und was ist Natur? Doch wohl Flora und Fauna, die Tierwelt wie sie leibt und lebt. Ich denke nicht, dass Regenbogenforellen, nur weil sie erst seit hundert Jahren und nicht seit 100.000 auf diesem kleinen Teil der Erde zu Hause sind, nicht unter Natur fallen. Wenn wir das auf die Spitze trieben, müssten wir so gedacht letztlich alles, was irgendwann mal aus einem anderen Winkel der Erde mitgebracht würde, ausschließen (und die Liste wird lang!)
Um ehrlich zu sein, mir liegt es fern. Es ist derselbe Planet und die Natur verändert sich. Ich denke, Naturschutz heißt vor allem, unsere Natur von Belastungen frei zu halten (chemieabfälle und dergl.), zu schauen das die Arten ein vernünftiges Habitat haben und Last but Not least, natürlich nutzt der Mensch die Natur. Zum Spass ebenso, wie für "ernste" Angelegenheiten, ob Rohstoffabbau oder Nahrungsanbau.
Ich glaube, was oft in unseren Köpfen rumspukt ist die Verwechselung von Artenschutz und Naturschutz. Dann kommt der Vogelfreund und schützt seine Art, der Äschen Freund seine, und wiederum ein dritter findet Saiblinge toll und besetzt intensiv damit "sein" Gewässer.
Doch wiederum, es ist ja alles Natur, selbst gezüchtete Fische sind, ja ob wir wollen oder nicht, Natur und Lebewesen. Man muss dann eben den vielbeschworenen Kompromiss finden, damit nicht aufgrund von einer Lobbyübermacht die Population des einen Artenfreaks die des anderen vernichtet.
Und das Werten von Lebewesen nach deren Herkunft und Aussehen, das muss jetzt mal möglich sein zu sagen, ist im mindesten sehr unchristlich, wenn nicht mehr. Es sind alles Lebewesen und sie sind, ist jetzt pathetisch, alle gleich. Warum soll das, wofür unsere Vorfahren mal gekämpft haben, nicht auch in diesem Zusammenhang einmal gesagt werden?
Ich könnte jetzt polemisch werden und das ganze auf unsere Gesellschaft und den Umgang mit Kranken, Alten, Behinderten oder auch einfach nur Andersdenkenden beziehen. Wir sind in Deutschland, mit Ausnahmen, doch sehr ausschließend in meinen Augen. Aber ich glaube, dass wird hier dann großen Rumor machen. Insofern lassen wir das mal, ist ja auch weg vom Thema.
Ok, und noch mal zurück zum Artenschutz oder erhalt des Status quo:
Ich denke, dass das Schiksal des Menschen, grundlegend immer zu forschen und sich und sein Umfeld weiter zu entwickeln, krass diametral zum Erhalt des Status quo steht. Es ist meiner Ansicht nach eine Sentimentalität des abzivilisierten Menschen, Dinge für immer gleich erhalten zu wollen.
Wenn wir immer so wie heute aus allem Museen gemacht hätten, ja Leute, dann wären wir nicht nur geistig immer noch im Mittelalter. Was die Menschen in der Romantik an Kultur und Architektur der Vergangenheit übermalt, angebaut, oder auch einfach brutal rausgerissen und durch neues ersetzt haben, machen wir uns gar nicht mehr klar. Man schaue sich nur mal eine alte, durchschnittliche Kirche in Deutschland an: die besteht oftmals aus stilistisch und architektonisch vier Epochen.
Komisch, dass das aufstrebende China sich so verhält, und komisch dass wir darüber derart entsetzt sind.
Wenn ich mir die Zuchtforellen in oben gennantem Gewässer ansehe, dann weiß ich, dass auch hier ein enormer Fortschritt vollzogen wurde.
Und das Genmaterial stammt aus einem wilden Stamm, so dass man auch nicht mal den Genverfälscherpunkt bringen kann. Und auch dazu: natürlich muss man wissen, was man kreuzt, doch haben wir nicht seit Jahrtausenden genau das zu unserem Vorteil betrieben? Habt ihr mal wildes Obst gegessen? Ich meine nicht Beeren, sondern ungepflegte Apfelbäume oder Birnen? Da lob ich mir meine zugegebenermaßen alten (auf Geschmack, nicht auf Ertrag getrimmten) Sorten.
So ist auch bei der Fischzucht, nicht diese an sich ist zu verteufeln (und sie wird ja ebenfalls schon ewig betrieben), sondern eher das Motiv. Alles, was aus Geld- (oder anderer, etwa Fisch-) Gier betrieben wird, ist verwerflich. Diese Verallgemeinerung gönne ich uns jetzt mal.
Doch glaube ich kaum, dass das in Vereinen flächendeckend, ob in Bayern oder sonstwo, praktiziert wird.
Die zwei Vereine, deren Gewässer ich befischen darf, machen das mit Brutboxen in Nebenbächen bzw. Zukauf aus hochwertiger Fischzucht mit ursprünglich einem regionalen Stamm. Das halte ich für legitim und als "Tuning" für mehr "Leistung" im Bach, mit der dem Angeldruck standgehalten werden kann, durchaus vertretbar.
Ok, ich glaub jetzt sollte ich aufhören. Wie seht ihr das? (Nicht das mit dem aufhören..)
(Sorry für den Monolog)