Auf Hecht im Baltischen Meer | Letzter Teil
Ein Report von Erik Hakkert

Merikarvia statt Kvarken
Im ersten Teil dieses Berichtes habe ich von der schönen Kvarken-Region gesprochen, in deren wunderschöner und malerischer Natur der Wettbewerb stattfinden sollte. Sollte ist richtig. Denn es gab Eis. Immer noch Eis. Der schwerste Winter seit 70 Jahren hat dem Veranstalter gezwungen, in einen südlicheren Teil Finnlands auszuweichen. Und das war bestimmt leichter gesagt als getan. Aber Simon Graham hatte uns geschworen, er würde den Wettbewerb nicht annulieren, egal was passieren würde. Und er hat Wort gehalten.
Als Alternative wurde die Flussmündung der Merikarvia präsentiert, etwa 150 Kilometer südlich von Kvarken. Genau so wie in Kvarken, ist hier das Wasser hier eher brackig als salzig. Und auch was die zahllosen Inseln und Felsen betrifft, sind sich die beiden Gegenden ähnlich. Also hofften wir, daß uns trotz des Stellenwechsels viel Gutes erwartet.
Die Reise
Am 9. Mai fing es dann endlich an. Die wegen des Ausbrechens des Islandischen Vulkanes über Europa schwankende Aschewolke hatte den Flugverkehr einigermaßen gelähmt, aber wir konnten noch gerade rechtzeitig abreisen. Die erste Hürde war geschafft. Auf dem Flughafen von Helsinki trafen wir das kanadische Team; tolle Jungs, mit denen wir manches Bierchen haben verschwinden lassen. Von Helsinki flogen wir weiter nach Vaasa, ein zweiter tadelloser Flug. Bewaffnet mit Unmengen von Angelzeug zuzüglich einer Unterhose und einer Zahnbürste stiegen wir in den Minibus, mit dem Simon uns abholte. Das britische Team war schon an Bord. Wir machten Bekanntschaft mit den Engländern und fuhren ab. Zwei Stunden lang wurde geplaudert übers Fliegenfischen. Eigentlich haben wir die ganze Woche fast ausnahmslos nur dieses Thema berührt. Sachen gibt’s…..
Unterwegs bewiesen uns ein paar Elche, die sich unweit der Landstraße an einer offenen Stelle im Wald aufhielten, daß wir tatsächlich in Finnland waren.

Die Eumer Lodge
Nach zwei Stunden Fahrt trafen wir im Ort Merikarvia ein. Am Ufer des gleichnamigen Flusses steht hier die Eumer Lodge. Diese Lodge, die eine umgebaute ehemalige Wassermühle ist, steht ihrem früheren Leben gemäß sogar teilweise über dem Wasser. Ein sehr schönes Ambiente. Die Zimmer waren ziemlich klein, aber sauber und äußerst funktionell. Mehr braucht man auch nicht, wenn man nur zum Schlafen im Zimmer ist. Ausser den Zimmern befanden sich in der Lodge ein Restaurant und ein großer Fliegenbinderaum, in dem während des Wettbewerbs ständig Bindestöcke und Bindematerialien nach Bedürfnis vorhanden waren. Diese Sachen wurden zur Verfügung gestellt von der Firma Eumer, dem weltweit bekannten Produzenten von Tubenfliegen aller Art.
In dem gemütlichen Restaurant genossen wir alle zusammen eine gute Mahlzeit, die von François, dem südafrikanischen Koch, zubereitet worden war. Jeden Tag schaffte er es wieder, uns mit einer neuen kulinarischen Höchstleistung zu überraschen. Der absolute Gipfel war der gerade vor der Tür der Lodge zubereitete Räucherlachs. Die ganze Bude war vor Rauch fast unsichtbar. Aber geschmeckt hat es...

Fotos: Ganz oben: Merikarvia im Panoramablick | 2. von oben: The Dutch Four :-)
Oben: Streamer ohne Widerhaken, auch weil Catch & Release angesagt war! | Unten: Die Rute wird geladen...
Die Gegend
Merikarvia ist wie eine Nußschale: Bäume, Felsen und Wasser. Mehr gibt’s nicht. Lesen Sie diese kurze Geschichte, damit Ihnen klar wird, was das bedeutet: Als wir das erste Mal auf dem Weg zum Bootssteg waren, rief Simon den Inhaber der Lodges an, weil er nicht mehr genau wußte wohin. Als er dann gefragt wurde: “Wo bist du denn jetzt, was siehst du?”, konnte der Südafrikaner nur sagen (in seiner Muttersprache): “Trees man, trees!”. Aber Scherz beiseite; das Merikarviadelta ist wirklich eine bezaubernde Gegend. Mehrmals haben wir Seeadler kreisen gesehen über diesem mehr als 7 Quadratkilometer großen Imbiß, der vor Leben wimmelt. Das saubere Wasser, die vielen Inseln und die zahllosen Schilffelder bieten den Fischen Schutz, Nahrung und auch Laichplätze im Überfluß.
Es ist also im Grunde kein Wunder, daß viele Hechte aus dem Baltischen Meer im Frühling gerade dorthin ziehen zum Laichen.

Der Wettbewerb
Wir haben gedacht, zu viert als ein Team in den Wettbewerb einzusteigen. Aber das lief anders. Weil die Kanadier und auch die Finnen nur zu zweit waren, wurde einmündig beschlossen alle Teams auf zwei Mann zu beschränken. Infolgedessen formten Harmen-Jan und ich Team NL1, Henk-Jan und Sander Team NL2. 
Die Regeln und Vorschriften waren sehr einfach: 
- zwei Mann (ein Team) pro Boot;
- nur Fliegenruten und widerhakenlose Streamer erlaubt;
- die Gesamtlänge der maximal 10 größten Hechte pro Boot pro Tag zählten (doch jeder Hecht sollte mindestens 70 cm lang sein);
- ein Übungstag und drei Tage Wettbewerb von 08.00 bis 16.00 Uhr;
- es gab ebenfalls Preise für den größten und für den kleinsten Hecht.

Der Übungstag
Den Übungstag wollten wir zum Erkunden des Gewässers nutzen und weniger zum Fischen. Während des Wettbewerbs wollten wir ja nicht wie Verrückte quer durch die besten Stellen fahren oder den ganzen Tag mit Suchen verbringen. So haben wir gedacht, am besten vorgehen zu können. Später wurde uns klar, daß die Lage jeden Tag wieder anders war als vorher; der Pegel änderte sich ständig, das Wetter auch, über Nacht erschienen links und rechts Netze, die einem das Angeln unmöglich machten und an der Topstelle von heute bleibt man morgen Schneider. Das ist eben Angeln ...
Die meisten Teams fingen nur wenige Hechte. Trotz der Anwesenheit vieler Hechte, war es schwer, einen an den Haken zu bekommen. Das Laichgeschäft fanden sie offenbar wichtiger, als das Fressen. Das Finnische Team hatte sich trotzdem ziemlich gut durchgeschlagen - mit Fischen bis über einen Meter.

Tag 1
Am ersten Tag des Wettbewerbs mußten wir uns wieder jeden Fisch hart erarbeiten. Und mancher gefangene Hecht brachte keine Punkte, weil er zu kurz war. Am Ende des Tages konnten sowohl NL1 als NL2 nur Photos von zwei maßigen Hechten vorzeigen. Nur etwa anderthalb Meter pro Team also. Das erste englische Team (GB1) hatte mehr Erfolg mit um die drei Meter. Gastland Finnland setzte sich mit über fünf Metern bequem auf die Pole-Position. 

Tag 2
Der zweite Tag zeigte aber, daß das finnische Team, obwohl ein formidabeler Gegner, nicht unschlagbar war. GB1 und auch NL1/NL2 fanden wieder einigermaßen den Anschluß durch Tageserfolge, die den der Finnen weit überlegen waren.

Die ersten vier Plätze waren aber immer noch für Finnland, England (GB1) und die Niederlande (NL1 und NL2). Der Unterschied zwischen diesen Plätzen war jeweils ungefähr ein Meter. Ein Meter, das ist nur ein einziger großer Fisch oder zwei Kleinere. Das bedeutete, das jedes Team eine gute Chance hatte, seine Position während des letzten Tages zu verbessern. Der letzte Tag war also unheimlich spannend, weil sich alles noch ändern konnte. Die Kanadier und auch GB2 hatten aber leider den Anschluß an die Spitze definitiv verloren.

Fotos: Oben: Catch and Release / Erik mit einem 105 cm. Brocken
Links: Harmen-Jan hat zugeschlagen
Unten: Henk-Jan weiß nicht was schöner ist, der Hecht oder die formidabele Vosseler S3 Rolle

Tag 3
Alles konnte sich noch ändern, hab ich soeben gesagt. Aber nur geträumt; nichts hat sich geändert. Die Finnen zeigten am dritten Tag aufs Neue ihre Spitzenklasse. Auch GB1, NL1 und NL2 schafften es alle, ihre Positionen mit Erfolg zu verteidigen. Mit mehr als 14 Metern gewannen die Finnen den Wettbewerb. An zweiter Stelle GB1 mit mehr als 11 Metern. NL1 hatte mehr als 10 Meter und NL2 mehr als 9. Der kleinste Fisch (38 cm.) wurde ebenfalls von den Finnen gefangen. NL1 schaffte es aber, den größten Hecht zu überlisten (105 cm). So kam ein schöner Wettbewerb zum Ende. Trotz jahrelanger Erfahrung mit dem Hechtangeln haben wir eine ganze Menge dazu gelernt. Sich schnell anpassen zu können an eine sich ständig wechselnde Lage war äußerst wichtig. Was gestern noch erfolgreich war, muß heute nicht unbedingt wieder gut sein.
Nach dem Wettbewerb
Die Temperaturen stiegen nach dem Wettbewerb weiter an bis auf 26°C. Immer mehr Hechte machten Schluß mit dem Laichen und gerieten erst jetzt richtig in Beißlaune. So schwer es gewesen war, die Hechte zu fangen, so einfach kam es jetzt; im sommerlichen Finnland wurden pro Boot und Tag problemlos zwei Dutzend und mehr Hechte erwischt. Hätte der Wettbewerb nur zwei bis drei Tage später angefangen, wäre es ein total anderes Spiel gewesen. Nochmals wurde uns klar daß mit Bezug auf Hechtangeln nichts klar ist. Klar?

Fotos: Links: ohne Worte
Unten: Sander mit einem strammen Hecht

Technisches

Streamer
Mit nicht weniger als 200 Streamern sind wir nach Finnland gezogen. Das durchschnittliche Maß der Streamer war ziemlich groß, sprich um die 25 cm, so wie wir das in den Niederlanden gewohnt sind. Diese großen Streamer aus z.B. Kaninchenfellstreifen, die uns selten im Stich lassen und von deren Qualität wir 100% überzeugt sind, waren aber diesmal nicht das richtige Rezept. Deutlich mehr Erfolg hatten wir mit relativ kleinen Streamern (ca. 15 cm). Besonders erwähnenswert sind die Streamer aus EP- (Enrico Puglisi) Fibern. Egal ob in grün, in grau/weiß oder in gelb/braun, sie waren der absolute Hammer. Henk-Jan allein hat mit nur einem dieser Streamer 37 Hechte gefangen. Und noch war er nicht kaputt. Strapazierfähiges Zeug, würde ich sagen.

Ruten
Nach ausführlichem Testen hatte jeder von uns die folgenden Ruten im Gepäck:
- ECHO2 SW 9’0” #9 (www.balticflyfisher.com)
- Temple Fork Outfitters AXIOM 9’0” #10 (www.templeforkflyrods.com)
- Temple Fork Outfitters TiCr X 9’0” #10 (www.templeforkflyrods.com)
Zwölf Ruten mitzuschleppen, ist Ihrer Meinung nach vielleicht etwas übertrieben. Aber es ist immer schön, wenn es etwas zum Auswählen gibt. Alleine die Windverhältnisse lassen einen an einem Tag nach einer Rute der Klasse 9 greifen, und am Nächsten nach einer #10.

Wie oben erwähnt haben wir weniger mit großen Streamern geangelt, für die eine #10 erforderlich wäre. Das spielt auch mit eine Rolle. Und natürlich kommt es dann und wann zu Brüchen; wenn ein Streamer bei "Lichtgeschwindigkeit" mit der Rute kollidiert, ist es sofort aus. Und mangels Ersatzruten dann das Angeln einstellen zu müssen, das wäre unerträglich.
Welche Rute uns am besten gefallen hat, kann ich eigentlich gar nicht sagen. Die ECHO 2 SW #9 war natürlich etwas leichter als die anderen Zwei und ließ sich daher etwas bequemer werfen. Andererseits habe ich manchmal zufrieden zugeschaut als mein Streamer von der AXIOM quer durch den Wind genau an die richtige Stelle abgeliefert wurde. Und auch die TiCr X ist wirklich eine gute, kräftige Hechtrute. 

Rollen
Von unseren Vosseler S3 Salzwasserrollen (www.pro-flyfishing.com) sind wir total begeistert. Wenn’s drauf ankommt sind es zuverlässige Partner. Die meisten Hechte drillten wir übrigens, ohne die Rolle zu benutzen. Nur bei wirklich schweren Hechten kam die Bremse der S3 ins Spiel; sofort nach dem Setzen des Hakens zwei, dreimal die Kurbel anzustoßen, genügte um die lose Schnur auf die Rolle sausen zu lassen. Großkern eben. Die Bremse, die für diese Aufgabe ziemlich scharf eingestellt worden war, federte jede Flucht, auch die rasanteste, problemlos ab. Spitze!
Die Engländer wollten sofort wissen, wo sie diese Rollen finden können; Liebe auf den ersten Blick.

Zum Schluß
Tagsüber Hechtangeln, dann gemeinsam essen, nach dem Essen vielleicht noch ein Paar Stündchen mit der Trockenfliege los, ein Bier, fachsimpeln mit Angelkollegen aus aller Welt, noch ein Bier, ein Saunagang, so ungefähr muß auch der Himmel aussehen. Nächstes Jahr wieder?



Ein Report von Erik Hakkert für www.fliegenfischer-forum.de - September 2010.
Das unerlaubte Kopieren und Verbreiten von Text- und Bildmaterial aus diesem Bericht ist verboten.

zurück zu Schweden, Norwegen | zurück zu Reise & Report | zurück zur Startseite
Copyright © 2010 | www.fliegenfischer-forum.de  |  DAS Fliegenfischen Online Magazin |  Kontakt