-Arbeitsgemeinschaft für
Fischarten- und Gewässerschutz in Norddeutschland (AFGN) fordert gewässerökologische
Kriterien für Subventionierung von Wasserkraftwerken. Kein Pfennig
Zuschuss dürfe mehr aus dem Steuersäckel für mittelalterliche
Fischhäckselanlagen ohne Auf- und Abstiegshilfen für Fische gezahlt
werden, sondern nur für zeitgemäß ausgerüstete Anlagen,
betonte AFGN-Sprecher Ede Brumund-Rüther. Altertümliche Wasserkraftanlagen
seien Haupthindernisse für die nach dem teuren Ausbau der Kläranlagen
mögliche ökologische Aufwertung der Flüsse, wobei
sie sich in der Energiebilanz Norddeutschlands nur hinter dem Komma bemerkbar
machten.
Ein Treffen fast aller mit der Wiedereinbürgerung
von Lachsen, Meerforellen und anderen Wanderfischen im Wesergebiet befassten
Angelvereine, Fischereigenossenschaften, Anglerverbände und Fischereiinstitutionen
in Gronau (Leine) Mitte Oktober brachte wieder einmal deutlich an den Tag,
dass die rund 100 Milliarden DM, die in Deutschland in den Kläranlagenbau
investiert worden sind, sich direkt in ökologischer Qualität
der Flusssysteme auszahlen könnten, würde nicht eine große
Zahl von Querverbauungen jede Bemühung um Verbesserung und Wiederherstellung
des natürlichen Fischartenspektrums behindern oder ganz in Frage stellen.
Gewässerbegehungen mit dänischen
Lachsexperten von „Danmarks Center for Vildlaks“ im Leine- und Okergebiet
hatten nämlich eindeutig ergeben, dass sich allein im Umland des Harzes
viele hundert Kilometer erstklassiges Lachswasser befinden, die nach der
längst erfolgten Beendigung der Verschmutzung sofort und problemlos
dauerhaft für Wanderfische wiederbesiedelbar wären. Die Dänen
gaben den Gewässern „Traumnoten“ in der Bewertung als Lachsflüsse,
die weit über jenen dänischen Flüssen liegen, die bis heute
ihre eigenen Lachsstämme noch haben.
Weiter weserabwärts einmündende
Zuflüsse wie Auter, Örtze, Wümme, Delme und Hunte
haben längst die ersten Lachse wieder, obwohl sie höheren Renaturierungsbedarf
haben als die flussaufwärts gelegenen. Aber während Delme und
Wümme dank großer Bemühungen der Wasserwirtschaft und des
Landes wieder weitgehend durchgängig seien, gebe es im Huntegebiet
sowie im Aller-, Leine-, und Okergebiet viele Wasserkraftwerke ohne Fischpässe,
so die AFGN.
Denn insbesondere die Turbinenanlagen
zur Verstromung von Wasserkraft sind den Gewässerschützern ein
„Pfahl im Fleisch“ ihrer Bemühungen.
„Zwar gibt es erfreulicherweise
eine steigende Zahl von Turbinenbetreibern, die bereit sind, ihren Beitrag
zum Gewässerschutz zu leisten, doch werden sie durch das pauschale
Bezuschussungssystem gegenüber jenen benachteiligt, die rigoros ihre
zum großen Teil alten und überhaupt nicht mehr zeitgemäßen
Privilegien ausnutzen. Während erstere hohe Investitionen tätigen
und dann auch noch Wasser für die Fischpässe abgeben müssen,
das für die Stromgewinnung wegfällt, kassieren die anderen die
öffentlichen Zuschüsse rigoros ab“, beklagt Ede Brumund-Rüther.
„Deutschland steht am Ende
trotz milliardenschwerer, erfolgreicher Bemühungen um die Sauberkeit
der Gewässer da wie eine Bananenrepublik, und das obwohl viele technische
Neuerungen zur Entschärfung der Wasserkraftwerke hierzulande entwickelt
oder erprobt werden. Viele Wasserkraftanlagen besitzen, obwohl sie großenteils
schon seit fast hundert Jahren bestehen, nicht einmal Fischaufstiegshilfen
oder sehr veraltete, die diesen Namen kaum verdienen“, erläutert der
Sprecher. „Sie blockieren einfach einen ganzen Fluss, obwohl das weder
nach deutschen Standards noch nach den Richtlinien der Europäischen
Union so sein dürfte.
Und was beinahe noch schlimmer ist:
Für absteigende Fische sind alle diese Anlagen eine je nach Turbinentyp
und Fischart unterschiedliche Bedrohung. Das reicht von schweren Schädigungen
der Augen, der Schwimmblasen über Rückgratbrüche beispielsweise
bei jungen Lachsen und Forellen bis zum Häckseln absteigender Blankaale
oder zum qualvollen Verenden in den automatischen Reinigungsanlagen vorm
Turbineneinlauf. Stehen verschiedene Turbinentypen hintereinander im selben
Flusslauf, was sehr oft der Fall ist, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit,
dass schließlich mehr oder weniger alle absteigenden Fische geschädigt
werden, erheblich.“
Sein Fazit: „Es ist grauenhaft,
was da abläuft! Zu allem Überfluss wird diese Barbarei auch noch
mit öffentlichen Zuschüssen subventioniert, obwohl sich
die Wasserkraft in der norddeutschen Energiebilanz überhaupt erst
hinter dem Komma bemerkbar macht und niemals ein ernsthafter Faktor sein
wird. Wenn einerseits schon Angler wegen Tierquälerei verurteilt werden,
weil sie große Karpfen zurücksetzen, statt sie zu verwerten,
aber andererseits Fischhäckselei aus Gewinninteresse erlaubt ist,
dann sagen wir: Hier wird mit zweierlei Maß gemessen!
Wenn die Betreiber durch die Subventionierung
schon quasi eine Lizenz zum Gelddrucken besitzen, muss man doch wenigstens
verlangen können, dass die Dinger entweder mit modernen Auf- und Abstiegshilfen
nachgerüstet oder eben abgerissen werden, falls das nicht lohnt!
Stattdessen aber werden noch ständig
neue Anlagen beantragt und geplant, und das ist angesichts der gewaltigen
Althypotheken schon eine Unverschämtheit, die sich die Betreiber nur
erlauben können, weil die Befürworter alternativer Energien einfach
wegsehen und diese Probleme ignorieren ...als hätten wir nicht heute
schon mehr als genug Staue, durch welche die Fließgewässer in
Stücke zerschnitten werden!“
Die Fischartenschützer verweisen
auf das Wanderfischprogramm der ARGE -Weser, also der Gemeinschaft der
Weseranrainerländer. Hier sei der politische Wille manifestiert, das
natürliche Fischartenspektrum wiederherzustellen, und deshalb kümmerten
sich laut AFGN im Wesergebiet bereits Dutzende von Anglerinitiativen, hinter
denen mehr als eine Viertelmillion organisierte Sportfischer stehen, mit
viel Arbeitseinsatz und hohen Geldausgaben um die Rückkehr des Lachses
und anderer Wanderfische.
„Es geht, wenn man will“, fasst
AFGN-Sprecher Ede Brumund-Rüther im Einklang mit den norddeutschen
Landessportfischerverbänden, den Trägern der AFGN, zusammen.
„Die Weserzuflüsse und die meisten anderen deutschen Fließgewässer
waren von Natur hochkarätige Lachsgewässer, und soweit man sie
nicht zu sehr begradigt, entkiest und kanalisiert hat, sind sie das bis
heute. Aber ohne Hilfe der Politik werden wir kaum schaffen, sie wieder
richtig in Gang zu bringen. Mit beherzter Rückendeckung bei der Wiedererlangung
der Durchgängigkeit wäre das bei der heutigen Sauberkeit der
meisten Gewässer sehr gut möglich!