Die kleinen Gebirgsgewässer und ihre Schätze
Ein Heimatbericht aus der Slowakei von Andrej Polcic
Als professioneller Fliegenfischer verbringe ich mehr als 200 Tage am Wasser im Jahr und werde stets von meinen Gästen gefragt, ob mir das Fliegenfischen noch  immer so viel Spaß macht. Meine Antwort lautet stets ja, denn für mich ist das Fliegenfischen eine Lebenseinstellung und jeder neue Tag bringt immer etwas Neues mit sich. Das maßgebende beim Fliegenfischen für mich ist die Kreativität und Innovation. Sei es beim Binden neuer Fliegenmuster, beim Ausprobieren neuer Fangtechniken oder beim Entdecken neuer Fliegenfischerdestinationen.

Gebirgsbach: Forellen und Äschen leben hier in einer Symbiose, fast hinter jedem Stein wartet eine Überraschung ...

Auf der Suche nach den neuen Flifi-Spots  orientiere ich mich nach folgenden Kriterien:
1. Wo möglichst weit weg von der Zivilisation entfernte Strecken, wo ich annehmen kann, dass Sie kaum befischt werden und dass dort auch nur wenig, bzw. keinerlei Gefährdung bzw. Verschmutzung durch den Menschen vorhanden ist.
2. Die geographischen Gegebenheiten spielen bei meinen Entscheidungen auch sehr große Rolle. Da ich das Glück habe und mitten in drei Hochgebirgen der Slowakei, nämlich West-Tatra, Niedere Tatra und Hohe Tatra (interessant ist, dass diese Gebirge die kleinsten Hochgebirge der Welt sind) lebe und als Fliegenfischer-Guide meinen Lebensunterhalt verdiene, bin ich umgeben von unzähligen Gebirgsgewässern. Bei allen Bächen und Flüssen dieser Region handelt es sich um Forellen- bzw. Äschengewässer. Die meisten liegen oberhalb der 800 Metergrenze und manche liegen sogar über 1200 m hoch.
3. Wasserqualität und Wassertemperatur sind für die Fische, vor allem für die Salmoniden, von ganz großer Bedeutung. Das Wasser in diesen Gewässern ist meistens so klar und sauber, dass man ohne Bedenken daraus trinken kann. Die Insektenfauna ist sehr vielfältig und reich, was man sofort beim Umdrehen der, in Wasser liegenden, Steinen feststellen kann. Slowakische Flüsse wie Orava , Oravica, (über die ich hier bereits Artikel verfasst habe) gehören zur Weltspitze, was die Produktivität (Insektenmenge und Artenvielfalt pro Quadratmeter) anbelangt. Nichts anderes gilt auch für ihre Zuflüsse, die wortwörtlich vollgestopft sind mit Nahrung für die Forellen und Äschen.
Im Umkreis von 50 km sind es über 30 Gebirgsgewässer, welche kostbare Schätze beherbergen.
Das Beste dabei ist, dass die meisten einheimischen Fliegenfischer davon nichts wissen, weil sie ihre Leidenschaft lieber an bekannten, größeren und gemütlichen Flüssen, welche nicht so große Ansprüche an das Waten und Werfen stellen, nachgehen.
„Wer sucht der findet“ - Gerade vor kurzem, auf der Suche nach neuen Gewässern, hatte ich eines der schönsten und intensivsten Flifi-Erlebnisse. Mein Ziel war ein Gebirgsfluss namens Kvacianka, welcher einer der Vah-Zuflüsse ist. Das kleines Gewässer versteckt in der unberührten und wunderschönen Landschaft der West Tatra Gebirge - weit, weit weg von jeglicher Stadt oder Dorf, also genau das, wonach ich suchte. 

Oben: Selbstfilmen und Fotografieren am Kvacianka-Fluss
Links: vielversprechende Stelle

Das Wetter war hochsommerlich und die Sonne sehr intensiv. Kristallklares, sehr kaltes Wasser, ein schmales Flussbrett und schnelle Strömungen waren Indizien für das Vorkommen von wilden, ursprünglichen Bachforellen. Das Präsentieren der Fliege war durch die dichte Flora nicht einfach, aber umso interessanter. Da es keine Hinweise auf das Steigen der Fische gab, entschied ich mich für langes Stromauf–Nymphen mit Bissanzeiger. Als Muster verwendete ich die Köcherfliegelarven- Imitation. Die Bisse in der starken Strömung waren sehr intensiv und vehement. Der Anhieb musste daher sehr schnell und rechtzeitig durchgeführt werden. Die Forellen, die ich gefangen habe, waren herrlich gekennzeichnet, mit stark gelben Tönen und schwarzen Flecken. Ihre top Kondition war im Drill spürbar. Ich war überglücklich, solche Forellen, die vermutlich noch niemals einen Fliegenfischer gesehen haben, fangen zu dürfen.
Die eigentliche Überraschung ist aber erst dann gekommen, als ich an einem tiefen, schmalen Gumpen vorbei ging und plötzlich paar kleine Fische sah, die aber keine Forellen waren. Bei näherer Betrachtung hat stellte sich heraus, dass es Äschen waren. Äschen? Was suchen diese denn so hoch oben und so weit von ihrem eigentlichen Lebensraum? Die Laichzeit war längst vorbei und diese Äschen waren noch nicht geschlechtsreif. Vielleicht wurden sie hier ausgesetzt? Eigentlich nicht, denn so hoch und weit entfernt wurde nie mit Äschen besetzt.

Oben und Links: gierige Forelle beim landen, die wilde Bachforelle hatte außer meiner Nymphe noch eine Koppe im Maul...

Dann mussten sie auf natürliche Art und Weise hierher gelangt sein. Diese These hat sich dann bestätigt, als ich Exemplare in allen Größen beobachten konnte. Äschen von 10 bis 50 cm schwammen im kristallklaren Wasser und zwar in einem kleinen Gebirgsbach über 1000 m hoch – für mich ein echtes Wunder. So viele Äschen auf so kleinem Raum habe ich noch nie gesehen und gefangen. Ein typisches Forellengewässer hat sich als top Spot für Äschen entpuppt...
 
 

Eine der vielen Äschen ...

Wieso die Äschen eine solange Reise absolviert haben und sich auf ganz andere Lebensverhältnisse angepasst haben? 
Das Beantworten dieser Frage will ich nach näheren Studieren und Beobachten dieses Phänomens vielleicht in einem anderen Bericht probieren.

Fest steht aber: „Wer sucht, der findet“.

Viel Spaß bei der Suche nach neuen Fliegenfischerdestinationen und tight lines
wünscht 
Andrej Polcic
 

Schönheit aus den Bergen


 
 

Äschen - Pool

Nähere Infos über das Fliegenfischen in der Slowakei finden Sie auf der Homepage: www.flyfishing-slovakia.com und auf der brandneuen interaktiven Homepage www.brothersinflyfishing.com.

Ein Bericht von Andrej Polcic für www.fliegenfischer-forum.de
Das unerlaubte Kopieren und Verbreiten von Text- und Bildmaterial aus diesem Bericht ist verboten.
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