Gerätebesprechung - Fliegenruten:
Scott S4 855/4 - 8’6’’ - #5 - 4-teilig
Mit der S-Serie hat Scott im Jahre 2001 seine langjährigen STS (Scott Tactical Series)-Ruten ersetzt. Beide weisen – im Gegensatz zur G-Serie – eine schnelle Aktion auf. Die S3 konnte bis Ende 2007 vor allem in den USA unter den Liebhabern eines flotteren Wurfstils reüssieren. Der Nachfolger, die S4, hat ebenfalls schon markante Zeichen gesetzt: Im letzten Jahr entfielen nach Firmenangaben rund 25 Prozent aller verkauften Ruten auf diese Modellreihe der  traditionsreichen US-Rutenbauschmiede. Das Credo, das sich das Unternehmen mit den S-Ruten selbst auferlegt hat: Fliegenfischern exquisite Gerten mit schneller Aktion nicht nur fürs Werfen, sondern vor allem fürs Fischen an die Hand zu geben. In mehrerlei Hinsicht sind die S4-Ruten etwas Besonderes und Außergewöhnliches.
Stand Februar 2009 sind 18 verschiedene S4 (All Water-, Einhand)-Fliegenrutenmodelle verfügbar: von der Schnurklasse # 3 bis # 8 mit  Längen von 8’0’’ bis 9’6’’, wobei alle Gerten in vierteiliger Ausführung angeboten werden. Sie werden handgefertigt am Firmenstammsitz in Montrose/Colorado.
In unserem Test: das Modell „S4 855/4“, Länge 8’6’’, Schnurklasse # 5, 4tlg. 

Ausstattung und technische Details:
Teilung und Maße: Vierteilige Fliegenrute, Länge 8’6’’ (zusammengesteckt und nachgemessen; exakt 256 cm), vier etwa gleichlange Teile mit cirka 68 cm. Transportlänge (Rohr) 73 cm; Rutenrohrdurchmesser 5 cm (ohne Deckel). Das Rutengewicht beträgt (gemessen) 81 Gramm, das Rutenrohr wiegt 358 Gramm.

Ausstattung:
Blanks: Drei (!) verschiedene dunkelgraue (graphitfarbene) hochmodulierte Blank-Typen – vom Hersteller als „multi-direktional Layups“ bezeichnet, UV-beständig lackiert, nicht sandgestrahlt; Spitzenteil (1) ungeschliffen; nachfolgendes Segment (2)

geschliffen, die zwei anschließenden (3) ebenfalls. Die Verbindungen sind in der Art des Ferralite-Systems konzipiert, Scott nennt das „sleeve ferrule“ (im Gegensatz zu den Zapfenverbindungen in „internal ferrule“-Ausführung bei der G2). Die Einsteckteile sind unlackiert und abgedichtet. Die Ringwicklungen an den Steckteilen sind ebenfalls dunkelgrau gehalten, mit silbernen Zierwindungen. Punktmarkierungen an den Rutenteilen zum leichteren Ausrichten beim Zusammenstecken. Zudem: Längenmarkierungen zum schnellen (groben Messen von Fischen) mit Aufschrift 12’’ (30,48 cm) und 20’’ (51,60 cm) in silberner Farbe.
Beringung: Hochwertige Beringung; Verwendung von Nickel-/Titan. Handteil ohne Beringung; über dem Griff gibt es eine Fliegen-Einhängeöse. Gefütterter Leitring (Fuji SiC Concept, Futter 100 Prozent Titan) am zweiten Teil sowie ein Schlangenring, drei Schlangenringe (von REC) am dritten Teil, fünf Schlangenringe am Spitzenteil. Alle Schlangenringe in Nickel-Titan für große Bruchsicherheit und hohe Langlebigkeit. Ringbindungen transparent/halbtransparent.

Griff / Rollenhalter: Der ebenfalls qualitativ hochwertige Griff aus portugiesischem Kork (1st Grade) ist genau 17,7 cm lang und aus rund 12 mm langen Korkscheiben zusammengesetzt.
Leichter und edler sowie leichtgängig funktionierender REC-Alu-Schraubrollenhalter, Silber/Nickel-anodisiert; wirksam griffaufwärts. Scott-Schriftzug (graviert) an der Endkappe.

Spezialholz-Spacer: Farbenprächtiger Spacer aus ausgewähltem Buckeye Burl Wood; aus der Wurzelknolle einer Roskastanienart, die nur in einer bestimmten Region von Kalifornien vorkommt. Die unter dem Boden wachsenden Knollen können einen Durchmesser von bis zu sechs Meter annehmen. Die Bearbeitung dieses speziellen und außergewöhnlichen Holzes ist höchst anspruchsvoll. Jeder Spacer ist ein Unikat.
Sonstiges: Ausgeliefert wird die S4 in einem bestickten Futteral sowie einem Aluminium-Rohr. Lebenslange Garantie für den Erstbesitzer, egal wie die Rute zu Schaden kommt (Registrierung drei Wochen nach dem Kauf  erforderlich, auch über Scott-Homepage möglich). 
Preis der Rute: 779,- Euro (inkl. MwSt.)
Nähere Betrachtung und Praxistest:
Begutachtet man die Rute nach dem Auspacken aus der Nähe, so fällt die sehr saubere Verarbeitung und hohe Qualität auf. Hält man die Rute nach dem Zusammenstecken in der Hand, ist Folgendes auf- und augenfällig: Man meint, man hat es mit einem filigranen Leichtgewicht zu tun. Und mit einer exquisiten Rute der Preisoberklasse. Design mit Ringanordnung, Ausstattung mit Korkgriff, Lackierung oder Rollenhalter – alles passt. Zudem ist der Buckeye Burl Wood Spacer etwas absolut Besonderes; ein richtiger Hingucker. 
Unterzogen wurde die Rute einem zehnmonatigen Praxistest. Dabei meisterte sie alle nur erdenklichen Situationen und Aufgaben mit Bravour. Nicht ein einziges Mal mussten die Teile der Rute nachjustiert oder (nach)befestigt werden. 
Ja, man hat es mit einer schnellen Rute zu tun, die eine hohe Schnurgeschwindigkeit und engen Schlaufen erzeugt. Der Fokus der Aktion liegt im oberen Drittel der Rute. Nein, es ist beileibe keine Wurfmaschine. Sie entspricht der Philosophie und dem Credo, die Scott herausstreicht: „Eine Rute ist zum Werfen und zum Fischen da!“ Die Gerte mit ihrer „fast action“ offenbart sich Fliegenfischern alles andere als ein harter Prügel. Ganz im Gegenteil. Mit dem gegenüber der S3 neu verwendeten Spitzenteil – eine Art „Soft Tip“ – ist es Scott gelungen, Schnelligkeit hier, gefühlvolles Fischen dort, weiter zu harmonisieren beziehungsweise zu optimieren. 
Die S4 lädt sich schnell auf. Trotz des leichten Gewichts ist die  Leistungsfähigkeit der Rute enorm. Und: das fein wirkende Teil kann hart rangenommen werden. Die unterschiedlichsten Würfe, samt Spezial-Würfen, gelingen auf Anhieb und zum Wohlgefallen des Fischers. Wobei die S4 das Zeug hat, sowohl für fortgeschrittene Werfer wie auch für solche, die noch nicht so lange mit der Fliegenfischerei und Werferei zu tun haben, ihre Anhänger zu finden. Man kann sagen, die S4 ist eine benutzerfreundliche Rute.
Zwar sind Würfe jenseits der 25-Meter-Marke spielend möglich, und auch bei stärkerem Wind meistert sie ihre Sache prächtig, doch für den Weiteneinsatz wurde diese Gerte sicherlich nicht konzipiert. 
Sie hat sich im Test in Verbindung mit einer leichten Large-Arbor-Rolle als ein wahres Top-Allround- und treues „Fliegenfischer-Tool“ erwiesen. Präzise, kraftvoll, aber trotzdem mit Gefühl befördert sie kleine Trockenfliegen ebenso wie schwerere Nymphen oder auch Streamer dorthin, wo man eine Fliege hin haben will. 
Noch eine Auffälligkeit beim Werfen: Mit der Rute gelingen überdurchschnittlich akkurate und kontrollierbare Würfe. Scott führt diesen Umstand auf die dreierlei verwendeten Blank-Typen zurück, die zum Einsatz kommen. 
Beim Drill eines Fisches wirken die „Multi-Direktional-Layups“ ebenfalls. Den vorherrschenden komplexen und komplizierten physikalischen Kräfteverhältnissen beim Drillen wird besser entgegengewirkt, erklärt ein Scott-Manager auf Nachfrage. Rückgrat hat die Rute genügend. 
Durch das flexiblere Spitzenteil, kann bei der S4 gegenüber der S3 mit feineren Vorfächern gefischt werden, da eine stärkere (weichere) Abfederung erfolgt. So gibt es beim Drillen eines Fisches weniger Ausschlitzer oder Vorfachbrüche. Und: Selbst feine Bisse spürt man bis ins Handteil.
Fazit:
Mit der „S4 855/4“ stellt Scott für die Fliegenfischerei in mittelgroßen und durchaus auch größeren Gewässern eine eindrucksvolle Gerte mit zum Teil besonderen Ausstattungsmerkmalen und Features zur Verfügung. Man kann nur vage erahnen, wie lange der in den USA bekannte Fliegenruten-Designer Jim Bartschi immer wieder probiert und getestet hat, um eine derart außergewöhnliche Fliegenrute zur Marktreife zu bringen. Das Fischen mit ihr zum Beispiel auf Forellen, auch auf dickere Brocken, ist jedenfalls ein ausgesprochener Genuss – ein hoher Spaßfaktor inbegriffen.
Bezug
Nur noch evtl. auf dem Gebrauchtgerätemarkt. 
Herstellerwebseite: www.scottflyrod.com.

Testbericht: Alexander Kobler für www.fliegenfischer-forum.de | Fotos ©: Alexander Kobler
Das unerlaubte Kopieren und Verbreiten von Text- und Bildmaterial aus diesem Bericht ist verboten.

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