DAV Nachricht 10/2004, Berlin, 14. September 2004 (Quelle: http://www.anglerverband.com)
 
Anmerkungen zur Stellungnahme der Bundesregierung zu der Entschließung des Bundesrates zur Kormoranpolitik vom 30.01.2004, Drucksache Bundesrat 111/04 vom 05.02.04 

1.) Die Feststellung der Bundesregierung, dass seit Jahren eine Abnahme der Zuwachsraten festzustellen ist, was darauf hindeutet, dass sich die Bestände allmählich der Lebensraumkapazität annähern, ist völlig falsch. In den letzten Jahren hat sich die Bestandsentwicklung auf weitere, vorher nicht oder nur geringfügig betroffene Bundesländer ausgedehnt, in stark betroffenen Bundesländern ist eine Zunahme der Populationen zu beobachten. 

So hat das am stärksten betroffene Bundesland Mecklenburg-Vorpommern eine Entwicklung der Anzahl der Brutpaare von 8.700 noch 1999 auf 11.600 im Jahr 2003 erfahren, in 4 Jahren eine Zunahme um 33 % in einem bereits übermäßig stark mit Kormoranen belegten Land. 

Nachprüfungen in einzelnen Kolonien haben dazu noch ergeben, dass die von Naturschützern vorgenommenen Zählungen nicht immer stimmen. Es wurden in ausgewiesenen Kolonien wesentlich mehr Brutpaare gezählt, so dass in Wirklichkeit mit einer noch höheren Gesamtzahl der Brutpaare gerechnet werden muss. 

2.) Der Hinweis, dass das nationale Artenschutzrecht hinreichende Möglichkeiten zur Abwehr von Schädigungen bietet, ist absolut unzutreffend. Eine Abwehr ist lediglich an kleineren Teichanlagen technisch und ökonomisch noch vertretbar möglich, in Fluss- und Seenbereichen und insbesondere in Küstenregionen gibt es keine tatsächlich wirksame Möglichkeit der Schadensabwehr. Auch die in mehreren Ländern erlassenen Kormoran-Verordnungen bieten hierfür keine Basis, da ein ohnehin begrenzt erlaubtes Schießen auf Kormorane für die zahlreich ausgewiesenen Schutzgebiete keine Anwendung finden darf und der Abschuss einzelner Tiere auf größeren Seenflächen bzw. Bodden, Buchten und Haffen, wo Kormorane in Gruppen bis zu mehreren tausend Exemplaren fischen, absolut ohne jede reale Wirkung bleibt. 

Der Hinweis der Bundesregierung, dass die genannten Regelungsmöglichkeiten für ausreichend gehalten werden, zeigt eindeutig, dass die Bundesregierung in diesem Punkt offenbar ohne jede Sachkenntnis ist, was die tatsächlichen Verhältnisse anbelangt. 

3.) Die Bundesregierung bezweifelt, dass in größeren natürlichen Gewässern wie Binnenseen, Flüssen und Küstengewässern durch die Nahrungssuche erhebliche Schäden eintreten. Diese Zweifel sind unverständlich, da nachgewiesenermaßen der Fressbedarf je Kormoran bei etwa 500 g je Tag liegt. Für das Beispiel Mecklenburg-Vorpommern bedeutet das bei einem Gesamtbestand von etwa 50.000 Vögeln, die mit Sicherheit bei einer Brutvogel-Gesamtzahl von etwa 24.000 Exemplaren vorhanden sind, eine tägliche Fischentnahme von 25 t Speisefisch. Dazu kommt, dass der Kormoran erheblich in den Bestand wertintensiver Speisefische wie Aal und Barsch eingreift und speziell im küstennahen Ostseebereich mit Sicherheit erhebliche Schäden am Jungdorsch-Bestand anrichtet und damit die Existenz der noch vorhandenen Fischereibetriebe ernsthaft gefährdet. 

Untersuchungen im Auftrag der Universität Rostock haben zum Beispiel in der Kormorankolonie Heuwiese (Boddenbereich Westrügen) 1999 ergeben, dass der Nahrungsanteil zu 46 % aus Dorsch bestand. Beobachtungen an der Küste belegen dazu seit Jahren eindeutig, dass die Kormorane nach erfolgter Dezimierung der Fischbestände in den küstennahen Seen und den Boddengewässern täglich zu Tausenden ihren Nahrungsbedarf in der Ostsee suchen. Diese Beobachtungen werden ebenso an der Ostseeküste von Schleswig-Holstein gemacht. 

Das bedeutet ganz klar, dass der Kormoran zunehmend den streng fangquotierten Ostseedorsch-Bestand in erheblichem Maß beeinträchtigt. 

4.) Die Behauptung der Bundesregierung, dass einer wirksamen Reduzierung der Kormoranbestände praktische Schwierigkeiten und sehr hohe Kosten entgegenstehen, ist unrichtig. Abgesehen von der Tatsache, dass die Bundesregierung seit Beginn der neunziger Jahre trotz aller dringlichen Hinweise von Kennern der Verhältnisse auf die unbedingte Notwendigkeit rechtzeitiger Regulierungsmaßnahmen die völlig ungehinderte Bestandsvervielfachung selbst verschuldet hat, ist eine vernünftige Regulierung in einem überschaubaren Zeitraum mit vertretbarem Aufwand möglich, indem eine festzulegende Anzahl von Brutkolonien eliminiert wird. 

Als wichtigste Methode dazu dient das restlose Abräumen von Bodenbrutkolonien, Abschießen der Jungkormorane in Kolonien und das Verhindern der Erbrütung durch beispielsweise Verscheuchen der Brutvögel mit Lasergeräten von den Nestern bei angebrüteten Eiern wie auch Besprühen der Eier mit Öl an solchen Gelegen, die erreichbar sind. 

Stattdessen verweist die Bundesregierung auf mögliche intelligente Management-Maßnahmen direkt an Gewässern, verschweigt aber dabei, dass solche Maßnahmen, die tatsächlich zu einer Regulierung der Bestände führen könnten, nicht bekannt sind. 
 
Dr. Egon Schlieker