Der Kormoran- ein heimischer Vogel
Bericht von der NABU- Tagung am 22.11.2003 in Saalfeld

Das Fazit dieser Tagung lässt sich wohl kaum treffender zusammenfassen als mit den Worten von Dr. Winkler (UNI Rostock), eines der Vortragenden:
„Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Fische im Thüringer Naturschutz wohl keine Lobby haben...“
Diese Einschätzung, die übrigens nicht nur von den anwesenden Vertretern der Fischerei geteilt wurde, kam immerhin von einem Außenstehenden. Sie sollte den Veranstalter zumindest nachdenklich stimmen.
Sicher ist es ungewöhnlich, die Zusammenfassung eines Ereignisses an den Anfang eines Berichts zu stellen, aber die Worte Dr. Winklers wären wohl die passendere Überschrift für dieses Event gewesen.
Die Diskussion darüber, ob der Kormoran nun heimisch ist oder nicht, hatte sich spätestens seit der Neufassung des BNatSchG im Jahre 2002 erledigt. 
Dort kann man im § 10 Abs. 2 Nr. 5 nachlesen, welche Voraussetzung Arten mitbringen müssen, um die „Deutsche Staatsangehörigkeit“ mit allen Rechten und Pflichten zu erlangen. Doch was dem einen recht, ist dem anderen billig, denn über Nacht waren auch solche Fischarten wie die Ur- Amerikaner Regenbogenforelle, Bachsaibling oder Zwergwels ebenso zu Neudeutschen erklärt worden wie der Kormoran. Dass dieser Umstand manchen „Naturschützern“ noch nicht zu Bewusstsein gelangt ist (oder nicht wollte?), zeigt ausgerechnet eine Klage des gastgebenden NABU Kreisverbandes gegen den Besatz der Saale mit Regenbogenforellen im Frühjahr 2003.

Doch zurück zum Tagungsprogramm, den eingeladenen Experten und ihren Vorträgen:
Etwas eigenwillig ist es schon, den Thüringern den Einfluss des Kormorans auf die Küstengewässer der Ostsee nahe bringen zu wollen. Sicher nicht uninteressant sollte man meinen, aber letztlich belanglos für die Probleme hier. Dass dieser Nachweis dann von zwei einmaligen Speiballenuntersuchungen von jeweils nur einem Tag der Jahre 1997 und 1999 herzuleiten sei, wollte auch Vortragende Dr. Winkler nicht in den Raum stellen. Immerhin eine ehrliche Meinung, verknüpft mit dem Wunsch nach mehr Geld für weitere Untersuchungen. 

Umstritten auch die Quintessenz aus dem zweiten Vortrag von Dr. Keller aus Bayern. 
Unzweifelhaft gelang ihm der Nachweis, dass man den Kormoranbestand in Bayern selbst durch Abschusszahlen in gleicher Höhe wie die Zahl des durchschnittlichen Winterbestandes nicht dezimieren konnte und damit sicher auch die gleiche Menge an Fisch gefressen wurde. Zweifelhaft waren jedoch die Aussagen zu den Auswirkungen des Kormorans auf die Fischbestände. Diese fußten auf bayerischen Gutachten der Jahre 1991- 1994, wo nach eigenen Angaben Dr. Kellers der Kormoranbestand gerade mal 1/3 des jetzigen Kormoranbestandes betrug! Den notwendigen Aktualisierungsbedarf nach 10 Jahren, wollte auch Dr. Keller nicht von der Hand weisen. 

Die mehr oder weniger überzeugenden Alternativen zum Abschuss waren mit Ausnahme der Netz- Überspannung hochintensiver und kleinflächiger Forellenzuchtanlagen eher theoretischer Natur denn von praktisch relevanter Bedeutung für die Thüringer Erwerbsfischerei. Dass der Einfluss des Kormorans in den großen Voralpenseen oder großen Flüssen wie Donau und Main ein geringerer ist als in der Äschenregion kleinerer Fließgewässer, war uns nicht neu. Ebenfalls wussten wir schon, dass es in Thüringen keine Seen und Flüsse dieser beschriebenen Dimension gibt. Also, wohin mit den Kormoranen in Thüringen? Leider gab’s auch darauf keine Antwort.

Eher putzig aber wohl kaum seriös, sowohl vom Inhalt als auch von seiner Vortragsweise war der nachfolgende Beitrag eines Physikprofessors namens Putzner aus NRW zur mathematischen Darstellung der Populationsdynamik von Kormoranbeständen. So ergötzte er sich am Nachweis der mathematischen Exaktheit seiner Kurven als Bestätigung der gesetzmäßigen Dynamik des Räuber- Beute- Verhältnisses in der Natur,  eine Weisheit die heute jeder Realschüler aus dem Biologieunterricht kennt. Dass die schöne Progression seiner Kurven die unschöne Degression der Kurven mancher Fischbestände zum Ergebnis hat, fand er dann nicht mehr lustig. Geradezu beleidigend war sein Bild vom neidischen deutschen Sportangler, der ja dem Kormoran nicht die paar Fische gönnt, weil er dann seinen Sport nicht mehr ausüben kann. Für ihn sind die deutschen Angler vor allem Sportler, denn sie sind ja im Deutschen Sportbund organisiert- so seine wissenschaftliche Logik. Nun kann man sicher beim etwas unglücklich gewählten Namen der größten deutschen Anglerorganisation solche Assoziationen von Laien verzeihen. Nur ist eben dieser Verband genau so ein anerkannter Naturschutzverband wie NABU oder BUND und stellt das tagtäglich ebenso wie der Deutsche Anglerverband durch das Engagement seiner Mitglieder für den Gewässer- und Artenschutz unter Beweis. Des Professors Kompetenz gipfelte darin, dass er kein Problem beim Angeln auf einer einsamen Atlantikinsel habe, die Fische mit Sturmvögeln und Albatrossen zu teilen. Unser Problem war, dass dieser neunmalkluge Professor seinen beschränkten persönlichen Anglerhorizont allen Anglern unterstellen wollte. Diesem „Atlantik- Insel- Sportangler“ sind die Fische in Deutschen Gewässern eher Wurscht - wer kann es ihm verdenken? Ob dieser Professor Kompetenzen auf dem Gebiet der Physik hat, mag dahin gestellt bleiben. Statt auf diese Tagung hätte man ihn wohl lieber per „one way ticket“ zum Angeln auf seine Atlantikinsel schicken sollen!

Den nachfolgenden Vortrag Dr. Wiesners (TLUG Jena) zur gemeinsamen Kormoranzählung des vergangenen Winters kann man auf unserer Homepage bzw. in unserer Verbandsinfo nachlesen. Hätten die zahlreich erschienenen  NABU- Mitglieder auch schon längst haben können, wenn sie unserer Einladung zum Kormoranrundtisch am 17. Juni dieses Jahres nach Jena gefolgt wären.

Wesentlich aufschlussreicher war dann schon der Vortrag von Frau Seiche aus Dresden zum Kormoranmanagement in Sachsen. Unkompliziert erhalten die sächsischen Teichwirte notfalls auch per Telefonanruf die Erlaubnis zum Vergrämungsabschuss von Kormoranen. Offensichtlich besteht dort die Einsicht selbst bei den Naturschutzbehörden, dass der Abschuss zwar wenig nützt aber auch dem Kormoranbestand nicht schadet (s. Bayern); also eine etwas weniger verbissene Sicht der Dinge als hierzulande. Mit beträchtlichen Fördermitteln wird im Gegenzug die Teichwirtschaft auf ein betriebswirtschaftlich nicht tragfähiges Niveau von 600 kg/ha aus Naturschutzgründen heruntergefahren. Man fragt sich natürlich, wie lange bei leeren Länderkassen die Extensivierung der Teichwirtschaft noch bezuschusst werden kann. Parallelen zum Abbau der Subventionen der unwirtschaftlichen deutschen Steinkohleförderung und ihren Folgen drängen sich förmlich auf. 
Neu ist in Sachsen, dass die Kormorane seit zwei Jahren auch die Äsche als lukrative Nahrungsquelle in den Fließgewässern entdeckt haben. Ratlos steht man allerdings ebenso wie im Thüringer Freistaat auch dort der Frage gegenüber: Wie soll man an die Verhinderung der bekannten Schäden an dieser und anderen bedrohten Fischarten ran gehen?

Ungläubiges Staunen löste bei manchem NABU- Mitglied die Darstellung von Fischbestandserhebungen durch das, glücklicherweise fischereipolitisch neutrale Hydrolabor der Bauhaus- UNI Weimar aus. Sie zeigten recht anschaulich, dass sowohl wissenschaftlich als auch emotionsfrei Daten in Gewässern (Saale und Ulster) erhoben wurden, welche seit mehreren Jahren unter hohem Kormorandruck zu leiden hatten. Leider wurden selbst die pessimistischsten Annahmen des Untersuchungsteams noch übertroffen, ja zweifelten sie an der Funktionsfähigkeit des Elektro- Fischfanggerätes, als sie feststellen mussten, dass ganze Abschnitte der Gewässer nahezu fischfrei waren. Lediglich innerhalb besiedelter und damit eher naturferner Abschnitte konnten vergleichsweise noch annähernd intakte Populationen der typischen Fischfauna registriert werden. 

Wie nicht anders zu erwarten, wurden sofort die ewigen Zweifler wach und Argumente, wie Hochwasser, Fischbesatz und Verfahrensfehler aufgerufen, um diese Daten ins Reich der Fabeln herunter zu ziehen. Die Frage, wozu dann überhaupt noch Gutachten oder Fangstatistiken vom behördlichen und organisierten Naturschutz gefordert werden, blieb ebenfalls unbeantwortet im Raum. Wir meinen, es gibt genug davon, nur sollte man diese nicht mit der Filzbrille lesen! 

Nach dem Motto „Hier steh ich und ich kann nicht anders“ zitierte Herr Dr. Wengerodt aus der Abteilung Naturschutz des TMLNU mit einer brillanten Powerpoint- Präsentation die für das enge Korsett seiner Kormoranverordnung verantwortlichen bekannten Rechtsvorschriften.
Erstens kannten wir diese schon und zweitens stand die Thüringer Verordnung überhaupt nicht zur Disposition. Wenn es an der VO etwas auszusetzen gibt, dann ist es deren mitunter sehr eigenwillige Auslegung bzw. Blockadehaltung durch die vollziehenden unteren Naturschutzbehörden.

Der letzte Tagesordnungspunkt, Diskussion eines Fragenkatalogs der Thüringer Fischerei blieb aus Zeitgründen auf der Strecke, so wie insgesamt die Diskussion zwischen den Vorträgen vom Moderator der Veranstaltung nicht zu beherrschen war. Immerhin wurde uns auf unseren Wunsch deren schriftliche Beantwortung versprochen. Wir sind gespannt!

Unsere Frage in der Mittagspause an NABU- Landeschef Bollendsdorff nach dem eigentlichen Ziel der Veranstaltung wurde mit einem vielsagenden „na schau`n wir mal“ beantwortet. 
In der Einladung war zu lesen: Die Tagung soll die Frage nach dem „Manangement“- Gedanken nicht abschließend klären, jedoch eine breite Diskussion darüber ermöglichen.
Für uns stellt sich die Frage, wer soll hier was und vor allem wann klären? 

In diesem Sinne haben wir nochmals unser Angebot erneuert, einen Thüringer Arbeitskreis Kormoran aus ganz wenigen aber dafür kompetenten Experten der Verbände und Behörden ins Leben zu rufen. Nur so können nach unserer Überzeugung Probleme wirklich zu Ende diskutiert und Lösungsansätze gefunden werden.

Propagandistische Großveranstaltungen, zumal ohne klare Zielvorgabe können natürlich auch kein Ergebnis haben. So waren unsere Bedenken von Anfang an- leider sind sie genau so bestätigt worden. Wenn man auch seitens des NABU ehrlich an einem Management der Probleme interessiert sein sollte, und das ist wahrscheinlich die Kernfrage; dann gehört ein Schlussstrich unter Verzögerung, Verweigerung und Blockade.

Auch Fische sind Tiere, selbst wenn sie keine Federn haben und nicht kuschelig sind. Sie sind Bestandteil der Natur oder besser Kulturlandschaft und haben den gleichen Anspruch auf Schutz vor Ausrottung einzelner Arten. Sie sind jedoch zugleich ein nutzungsfähiges Naturgut,  auf dessen nachhaltige Nutzung das Fischereirecht aber auch das BNatSchG abstellt.

Es geht schon längst nicht mehr um neidische Angler dafür aber um irreversible Schäden an Fischpopulationen der Thüringer Gewässer und die wirtschaftliche Existenz manches Fischereibetriebes, wenn man sich weiter dem Kormoran- Management- Gedanken verweigert. 
Unter diesem Aspekt sollten wir die Diskussion ergebnisorientiert in dem vorgeschlagenen Arbeitskreis weiterführen. 

Und zum Schluss können wir den Kollegen vom NABU versichern: 
Unter den Thüringer Anglern und Fischern gibt es genügend Experten mit einem Meister-, Fachschul- oder Hochschulabschluss auf ihrem Gebiet. Sie bieten die Garantie für eine wissenschaftlich fundierte und praxisbezogene Diskussion zu den anstehenden Problemen. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit gleichermaßen qualifizierten Partnern der „klassischen“ Naturschutzverbände.

Andreas Kirsch
Vizepräsident für Gewässer, Natur und Umwelt
im Verband für Angeln und Naturschutz Thüringen e.V.