Thomas Michael berichtet von seiner Jagd auf den "Silver King"
ERGÄNZUNG - WICHTIGER HINWEIS! (Stand Januar 2003)
Der nachfolgfende Bericht hat offenbar bei vielen Anglern den Eindruck erweckt, man könne an dieser speziellen Destination ohne weiteres auf eigene Faust jene Traumfische fangen, für die man sonst überall auf die Unterstützung eines üblicherweise bis zu 450 US-Dollar pro Tag teuren Guides angewiesen ist.
Erfolgreiches Fliegenfischen auf eigene Faust funktioniert aber auch dort nur, wenn man in dieser speziellen Fischerei über jahrelange Erfahrung verfügt. Wäre ich mit meinem Kenntnisstand von vor 16 Jahren dort gewesen, hätte ich wahrscheinlich keinen einzigen Fisch gefangen. 
Die Bonefish hätte ich nicht gesehen, selbst wenn sie direkt vor meinen Füßen herumgeschwommen wären. Und ohne profunde Kenntnis über die Zusammenhänge zwischen Tiden, Mondphasen, Wind, Meereströmungen und Verhalten der jeweiligen Fischart hätte ich die ufernahen Tarponstellen nicht lokalisieren können. Selbst mit meinem heutigen Wissen war es sehr schwierig, die guten Angelstellen überhaupt zu finden. In 14 Tagen 
haben wir weit über 1.500 Kilometer mit dem Auto auf der Suche danach zurückgelegt.
Ich möchte mich deshalb an dieser Stelle dafür entschuldigen, wenn ich bisher bei den Lesern des nachfolgenden Berichtes unrealistische Hoffnungen geweckt habe. Dennoch wünsche ich Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre.
Ihr Thomas Michael
SILBERNE KÖNIGE
Fragt man einen Salzwasser-Fliegen-Freak nach seinem Lieblingsfisch, so kommt in 99,9 % der Fälle die selbe Antwort - wie aus der Pistole geschossen:" Tarpon." Während die Lippen dieses Wort formen, huscht meist ein kurzer Anflug der Verklärung durch die Augen des Antwortenden. Fragt man, welche Fischart Platz 2 auf der Traumfisch-Skala belegt, so kommt die Antwort mit Verzögerung. Denn bei Bonefish, Permit, Snook und all den anderen kampfstarken Salzwasserfischen fällt das Abwägen der "Qualitäten" nicht mehr ganz so leicht.

Was macht den Tarpon zur Nummer EINS? Er ist wunderschön. Mit seinen riesigen, silbernen Schuppen erinnert er an einen stolzen Ritter in seiner Rüstung. Er ist ein eleganter und schneller Schwimmer. Berüchtigt für lange Fluchten. Er springt. Sofort nach dem Anschlag. Und danach immer wieder. Er hat Charakter. Mal stürzt er sich aggressiv auf die Fliege, mal inhaliert er sie ganz "cool" im Vorbeischwimmen, mal interessiert er sich für keinen Köder der Welt. Sein Maul ist so hart, dass in den meisten Fällen der Haken gar nicht eindringt. Oder sich bei einem der vielen Sprünge löst. Er wird groß. Richtig groß. Fische bis ca. 50 Pfund bezeichnet man als Babies. Ab 100 Pfund spricht man von "Giant" Tarpon. In bestimmten Regionen werden diese Fische bis zu 300 Pfund schwer.

Der Mythos Tarpon ist uralt. Seit über 20 Millionen Jahren hatte die Evolution keinen Einfluss mehr auf den perfekten Bauplan dieser Fischart. Den Azteken war der Tarpon heilig und wurde als Gottheit verehrt. Ob diese alten Pyramidenbauer mit der Fliege fischten? Wer weiß...

Fliegenfischer stellen dem "Silver King" in Florida, Belize, Costa Rica und anderen karibischen Regionen klassischerweise mit Boot und Guide nach. Das Boot bringt den Angler zu den "Hot Spots", die fast immer ein gutes Stück weit vom Land entfernt sind. Darüberhinaus eröffnet das Boot die Möglichkeit, dem Fisch bei seinen langen Fluchten zu folgen, bevor die Rolle leer ist. Der Guide weiß, wo die die Fische zu finden sind. Er sagt dem Fliegenfischer, wann, wie und wo er die Fliege zu präsentieren hat. Er steuert das Boot und folgt dem Fisch im Drill. Nun, so sieht das "klassische" Fliegenfischen auf Tarpon in der allgemein üblichen Praxis aus. Damit genug der einleitenden Worte. 

Fliegenfischen auf Tarpon, ohne Boot, ohne Guide... dieser Traum geistert schon seit langer Zeit durch meinen Kopf. Einen Silberkönig vom Strand aus anzuwerfen, den Haken zu setzen... hier endet der Traum, denn was danach folgt, ist eine unbekannte Größe.

So machte ich mich auf die Suche nach Gebieten auf diesem Globus, wo ich hoffte, Tarpon (der Plural heißt übrigens nicht "Tarpons", oder etwa Tarpune) dicht unter Land zu finden. Keine einfache Sache, denn kaum jemand scheint bisher den gleichen Traum gehabt zu haben. Info's waren kaum zu finden. Im August 2002 endlich kam ich dem Ziel näher. Gemeinsam mit meiner lieben Gattin Ria und Sohn Matthias ging die Reise tief in die Inselwelt der Karibik. Und hier beginnt die Geschichte, interessant zu werden.

 
DIE ERSTEN FANGERFOLGE
Den ersten Urlaubstag verbringe ich mit dem intensiven Studium von Land- und Seekarten, Gesprächen mit den Einheimischen über Tiden, Wassertiefen an verschiedenen Stellen der Insel, Flüsse und deren Wasserstände, Wind im Allgemeinen und Besonderen und erarbeite einen Plan zur Erkundung der Insel in anglerischer Hinsicht. Ich finde heraus, dass der Tarpon recht zahlreich in den Gewässern vorkommen soll. Darüber hinaus sind die Infos dürftig, denn die einheimischen Fischer interessieren sich nur für gute Speisefische. Der Tarpon ist eher lästiger weil unerwünschter "Beifang".

So steigen wir am zweiten Morgen in den Leihwagen und fahren die ersten, hoffentlich interessanten, Stellen an. Die Straße windet sich an der Steilküste entlang und hinter jeder Kurve eröffnen sich immer neue, fantastische Aussichten auf ein atemberaubendes Panorama.

Ich finde und fange Bonefish (den Einheimischen völlig unbekannt übrigens), Ladyfish und Snappers. Tolle Fischerei, aber da ich mich in diesem Bericht ja auf das Wesentliche konzentrieren möchte, beschränke ich die "Dokumentation" auf die nachfolgenden Fotos.


Das erste Flat wird erkundet.


Die Straße windet sich durch dichten tropischen Regelwald.

Der erste Bonefish startet seine lange Flucht.

Sohn Matthias bewundert den ersten Bonefish. Über und natürlich unter Wasser

Schon allein wegen dieser tollen Fischerei bin ich überglücklich, genau dieses Inselchen ausgesucht zu haben. Bonefish ohne Guide und Boot kann man nämlich auch nur an wirklich wenigen Destinationen fangen. Aber... es geht um etwas anderes... größeres... stärkeres...


Der Ladyfish ist ein schneller Schwimmer und springt im Drill


Bones sind nicht nur raketenschnell, sondern auch wunderschön

 
WIR KOMMEN DER SACHE NÄHER...
Am dritten Tag hat der Mond abgenommen, die Tide wird später hereinkommen, kurzum, ich möchte herausfinden, was unter diesen Bedingungen auf einem der Flats zu fangen ist, das ich bereits in den Tagen zuvor befischt hatte. So beginne ich mit zwei Bonefish, einem Ladyfish und ein paar Snappern, bevor ich zu einer Lagune wate, wo ich andere Fischarten erwarte.

Wohl dreißig Pelikane sitzen auf einem verwitterten Baumstamm, der mitten in der Lagune liegt. Das Ufer ist gesäumt von uralten Kokospalmen. Eine einmalige Kulisse. Neben den Resten einer alten Dockanlage erspähe ich einen langgestreckten Schatten. Barrakuda? Mag sein, aber er bewegt sich ungewöhnlich schnell. Keine Zeit, um schnell auf ein Stahlvorfach zu wechseln - was solls... Wurf, zwei schnelle Stripps, der Fisch reagiert und ich denke noch "das ist ja'n Ding, der will tatsächlich meine Fliege", als der Schatten enorm beschleunigt. Zu schnell für einen weiteren Gedanken. Zu schnell für einen Anhieb. Ein blanker Silberbarren mit mehr als einem Meter Länge fliegt aus dem Wasser. "TARPON" blitzt es durch meinen Kopf. "AB" realisiere ich eine Sekunde später. Klar, ohne dickes Shock-Tippet muss das Vorfach ja knallen. Mit zitternden Fingern wühle ich die Spule mit dem 50 lbs. Mono aus meiner Tasche. Schnell ist ein Shock-Tippet und eine Tarponfliege auf 2er Haken montiert. Da sehe ich einen weiteren Fisch rollen. Kopf, Rückenflosse, Schwanzflosse, weg. Drei weitere Poons (Tarpon) ziehen von der rechten Seite in die Lagune. Ich beginne, die Lagune mit Blindwürfen systematisch abzufächern. Kontakt - Mist, Fehlbiss. Kontakt, Anhieb, Sprung. Nochmal Mist. Dann ein Nachläufer. Sein Kopf kommt ganz aus dem Wasser und ich kann für einen Sekundenbruchteil in sein großes, geöffnetes Maul blicken. Er verfehlt die Fliege. Dreimal vermaledeiter Mist. Ich wechsle die Fliege, kleiner und dunkler. Drei Würfe später spüre ich dumpfes Schütteln am anderen Ende der Schnur und schlage an wie der incredible Hulk. Der Tarpon fliegt meterhoch aus dem Wasser. Diesmal sitzt der Haken gut. Es ist ein Baby mit etwa 7 Pfund. Aber es ist ein Tarpon. Zwanzig oder noch mehr Sprünge später beschließt der Poon, den Kampf am Grund fortzusetzen. Die 8er Rute verbeugt sich ehrfurchtsvoll. Nun dauert es nicht mehr lange bis mein Gegner aufgibt und reif für die Kamera ist.


Der erste Baby-Poon

Die Kamera liegt jedoch einen halben Kilometer entfernt bei Frau und Kind. Also führe ich meinen Poon wie einen Hund an der Leine. Als ich endlich am Ziel bin, ist der arme Poon fix und fertig. Die Wiederbelebungsversuche zeigen keinen Erfolg. Ein sehr netter karibischer Opi fragt, ob er den Fisch haben könne. Das gäbe ein Festmahl für seine Familie. Na klar - sage ich, der Opi grinst von einem Ohr zum anderen. Den Rest des Tages verbringen wir mit dem Bauen von Sandburgen, schorcheln und schwimmen, bevor wir in der Tiki Bar noch ein paar kühle Getränke verzehren. Mein neuer Freund ist auch da. Es stellt sich heraus, dass Opi ein hervorragender Saxofonist ist und als Dankeschön für den Fisch spielt er auf - Jazz und Swing vom Allerfeinsten. Good Fishing - Good Fun - Good Booze, Good Groove. Ein perfekter Tag.

CHILL-OUT TIME

Matthias erkundet einen Bach im Regenwald


Einsamer Strand mit Leatherback-Gelegen (Meeresschildkröten)

An den folgenden Tagen fische ich an anderen Stellen, die sich jedoch fischereilich als weniger interessant herausstellen. Wir entdecken Strände, die auf keiner Karte eingezeichnet sind. Die einzigen Spuren im Sand stammen von unseren Füßen... und den Flossen großer Meeresschildkröten.
 
KLEINER MANN GANZ GROSS
Bald fahren wir nach Norden. Nur etwa zwanzig Minuten von unserer Unterkunft entfernt liegt eine der vielen Piratenbuchten, von der ich mir gute Fischerei erwarte. Sanft rollen kleine Wellen an den Strand. Feinkörniger Sand, Kies, gröbere Steine - das ist gut. Fische lieben strukturierten Grund. Über der Bucht kreisen 24 Fregattvögel (hat Matthias gezählt). Seeschwalben stützen kopfüber ins blaue Wasser. Kurz und gut - hier ist Fisch! Eine zehner Rute montiert, XFR Rolle mit Schußkopf drauf. Und für den Sohn seine 4er Fliegenrute. Leider wird sein Handgelenk bisher nur mit so leichten Gerät fertig - was passiert wenn er einen Biss bekommt, werden wir dann sehen. Auf seiner Rolle sind 200 Meter Backing, also irgendwie wird das schon gehen.

Auf einen blauweißen Streamer kommt der Biss. Der Fisch ist kein Riese, biegt die 10er Rute aber gut durch und nimmt ordentlich Schnur. Ein Snook mit etwa 10 Pfund. Kaum ist der Fisch versorgt höre ich den Sohnemann brüllen. Das gibt's nicht. Der kleine Kerl ist im Drill. Erst recht hektisch, dann zunehmend souveräner übt er Druck gegen den Fisch aus. Der kommentiert das mit zwei Sprüngen. Zieht Schnur von der Rolle. Springt wieder. Es ist zwar ein kleiner Snook, aber groß genug für einen kleinen Fliegenfischer.

Die nächsten Stunden bringen Salzwasser-Fliegenfischen vom feinsten. Noch etliche Bisse, sowohl beim Vater als auch beim Sohn. Rasante Fluchten, tolle Sprünge. Feeding Frenzy - Vögel von oben, Fische von unten, das Wasser kocht. Ich bin total begeistert, ein kleines 9-jähriges Männlein zu beobachten. Das steht im Surf, wirft wie'n Alter, macht und tut und drillt und ist voll im Fischfieber.


Matthias am Fisch.


links: Kleiner Mann mit kleinem Snook                                                  rechts: ohne Worte

 
ARE YOU READY FOR RUMBLE ?
Bald bringen mich die Exkurssionen an lange, mit Steinen durchsetzte Strände. Punkte, an denen ich aufgrund der zu erwartenden Strömungsverhältnisse mit Tarpon rechne.

Ich sitze am Strand und beobachte ein atemberaubendes Szenario... zwischen hunderten von Pelikanen, Möwen und Seeschwalben, die immer und immer wieder ins Wasser stürzen, erblicke ich rollende Poons. (Übrigens spricht man den Kosenamen "Puun" aus.) Die Tarpon sind überall. Sie folgen den Brutfisch-Schwärmen und rauben, dass es nur so knallt. Da gibt's kein Halten, wenige Sekunden später stehe ich bis zum Bauch in den Wellen und knall die Fliege raus. Platsch - Pelikan von oben. Wooschhhh - Tarpon von unten. Ich krieg die Krise. Wo soll ich zuerst hinwerfen? So, jetzt ist die Fliege zwei Meter vor dem Fisch. Blosch, drei Meter rechts von mir sehe ich eine gigantische Schwanzflosse abtauchen. Mehrere Würfe sind optimal platziert, aber die Poons wollen meine Fliege nicht. Blau-Weiß scheint nicht angesagt zu sein. Also, mal ein anderes Muster ausprobieren.

Schon der zehnte, oder war's der elfte? Wurf bringt den ersten Fischkontakt. Es reißt mir fast die 10er Rute aus der Hand, als der Fisch einsteigt. Ich schlage an. Der Ozean öffnet sich und ein silberner Gigant schraubt sich vor mir in den tiefblauen Himmel. Heilige Schei... Als der Fisch auf dem Wasser aufschlägt bekomme ich eine heftige Dusche. Ich stehe da wie hypnotisiert. Anschlagen! schreit ein Männlein in meinem Unterbewußtsein und rüttelt mich wach.


Man muß ja irgendwie auf Wurfweite ran. Also, tief einwaten. DAS verstehe ich unter "Nass-Fischen".
Viermal schlage ich nach. Dreimal springt der Fisch. Und dann entschließt er sich, den Atlantik zu überqueren.

Danke, liebe Ria, für dieses Erinnerungsfoto an jenen 70-Pfünder, den ich beinahe... aber lest erstmal weiter
Die Bremse ist auf maximalen Druck eingestellt. Ich lege zusätzlich Hand an und bremse über den Palming-Rim. Lehne mich mit all meinem Gewicht gegen den wütenden Fisch. Hilft nix. Der geht und geht und geht. Ich sehe rotes Backing in Richtung Horizont verschwinden. Jetzt schwarzes, die ersten 100 Meter sind draußen (ich markiere mein Backing alle hundert Meter, mit schwarzem Edding sind dann jeweils zehn Meter eingefärbt). Rotes Backing - schwarze Markierung. 200 Meter. Aber er wird langsamer. Ja, er wird wirklich langsamer. Er steht. Puuuuumpen, Thomas. Pumpen und meterweise Backing zurückholen. Der Wind bringt die gespannte Schnur zum Singen. Hort sich an wie Reggae. Ich schätze meinen Gegner auf gute 70 Pfund. Wie soll man das Trumm besiegen, ohne Boot? "Du wirst wohl hinterherschwimmen müssen" frotzelt ein Teufelchen in meinem linken Ohr. Und promt nimmt Mr. Poon mir mehr Schnur ab, als ich zurückgewonnen hatte. Weit draußen sehe ich ihn springen. Aber, er ist immer noch am Haken. Noch ist alles möglich. Neue Technik - ich gehe rückwärts und kurbele beim anschließenden Vorwärtsgehen Schnur auf. Geht super und entlastet die Oberkörpermuskulatur. Die erste schwarze Markierung ist wieder auf der Rolle. Und noch ne Flucht, aber sie ist kürzer. Eine scheinbare Ewigkeit später habe ich den Fisch auf etwa 150 Meter herangedrillt. Da kommt von rechts ein Speedboat den Strand entlang gejagt. Die Leute an Bord sind echt gut drauf. Ich glaube meinen Augen nicht. Der Verrückte fährt exakt zwischen mir und meinem Poon durch. Die Rute schnellt zurück, die Schnur ist schlaff. Ich glaub, ich muss jetzt bitterlich weinen. Über hundert Meter Backing Weg, Flugschnur weg, POON WEG! Ich schleppe mich durch die Wellen zurück an den Strand und klatsche lang hin. Ria bringt mir Wasser und eine Zigarette. Dieses Gefühl tiefster Frustration werde ich wohl nie vergessen.
An den nächsten 3 Tage konzentriere ich mich auf zwei Strandabschnitte, an denen die Poons jagen. Kurz und gut: Die drei folgenden Vormittage bringen 10 weitere Tarpon-Bisse. Ich bekomme den Haken nicht fest, mal darf ich mich an einem, mal an 10 Sprüngen erfreuen, mal an 10 Minuten Drill. Mittlerweile fische ich nur noch mit der 12er Rute, 50 lbs Backing, 40 lbs. Vorfach und 100 lbs Shock-Tippet. Nichts will ich mehr dem Zufall überlassen. Ich lande mehrere große Ladyfish, die den Poons die Fliege vor dem Maul wegschnappen. Endlich kann ich den Haken zuverlässig setzen und ziehe nach recht heftigem, aber kurzem Kampfgemetzel einen 15-Pfünder auf den Strand.

Es folgt noch ein Baby-Poon (ca. 8 Pfund). Aber die großen Burschen krieg ich einfach nicht fest.

Kleiner Trost, ein Baby-Poon
 
MIT "GUIDE" UND BOOT
Nun wird es Zeit, einige Stellen zu erkunden, die auf dem Landwege nicht erreichbar sind. Ich verabrede mich mit David, einem Berufsfischer und Rainforest-Guide, für den nächsten Morgen. David's Boot ist in sehr properem Zustand, ein Bimini-Top schützt uns vor der heißen Sonne und der 60 PS Mercury bringt das schnittige Gefährt auf ansehnliche Geschwindigkeit. Wir laufen eine Bucht an, nur wenige hundert Meter von unserem "Haus-Strand" entfernt. Wie David voraussagte, zeigen sich schon bald die ersten Tarpon. Sie rollen und rauben zwischen den zahlreichen Kleinfischen. Für meine Fliege scheinen sie sich aber nicht zu interessieren. An zwei weiteren Stellen scheint sich momentan kein Tarpon aufzuhalten. Weiter geht die Fahrt entlang gewaltiger Lavafelsen, auf denen unzählige Pelikane und Blaufußtölpel wohnen.

Die Küste steigt senkrecht auf weit über hundert Meter an. Schroff, zerklüftet und vollständig bewaldet. Fregattvögel segeln in den Aufwinden. Eine Lederrückenschildkröte zeigt sich, posiert kurz für ein verwackeltes Foto und taucht schnell wieder ab. Wir ankern in einer zauberhaften Badebucht, wo wir eine Pause einlegen. Am Strand gibt es Speisen, Getränke und handgebastelte Andenken. Hier gibt es wohl häufiger mal Besuch von Touristen. Kein Wunder, denn der Sand ist fein wie Puderzucker, das Wasser kristallklar und der Hain aus Kokospalmen könnte "karibischer" nicht sein. Ich gebe David einen Schnellkurs im Fliegenfischen. Er lernt schneller, als ich es ihm erklären kann. Am Nachmittag "jumpe" ich einen Vierzig- und einen 60-Pfünder. (To jump a Tarpon = der Fisch springt, aber der Haken sitzt nicht fest.) Währenddessen zeige ich David, wie er das Boot zu handhaben hat, damit ein Fliegenfischer optimal werfen kann. Mit heruntergeklapptem Bimini-Top erweist sich das Boot als optimal zum Fliegenfischen. Man steht stabil auf einer Plattform in der Bootsmitte und hat einen Aktionsradius von über 300 Grad. Das gefällt mir besser, als auf dem kleinen Casting-Deck eines professionellen Flats-Skiffs.

Am folgenden Tag gehen Davids Freund Michael und ich auf's Boot und fahren entlang der Küste in Richtung Südwesten. Gegen 10:00 Uhr erreichen wir ein Holzdock, an dem etliche einheimische Fischerboote vor Anker liegen. Ein Gewirr von Booten mit Bambus-Outriggern, Seilen, Bojen... "Dat's where dem Tarpon be, Thomas." meint Michael. Ich schaue ihn zweifelnd an. "Wait and look, mon." Blosch - da rollt einer. Da noch einer. Michael hat Recht. Er manövriert das Boot in Richtung der Fische. Erster Wurf - nix. Zweiter Wurf - Fisch. Ein kleinerer, wehrt sich aber ganz ordentlich an der 12er. Kein Tarpon, sondern ein Ladyfish mit 'nem Meter zwanzig. Ich wußte gar nicht, dass die so groß werden. "We call dem Banan." klärt Michael mich auf. Immer mehr Poons zeigen sich. Bald sehe ich überall Fische rollen und rauben. So viel Tarpon auf einer Stelle habe ich im Leben noch nicht gesehen. Ich schätze, dass mehr als 300 Fische in dieser Bucht sind. Noch ein Ladyfish inhaliert meine Fliege. Jetzt ist das Shock-Tippet so aufgerauht, dass ich besser ein frisches montiere. Wo ist mein 100-Pfund-Mono? Sch... vergessen. Na gut, 60-Pfund Mono muß reichen. Eine halbe Stunde später wird die 12er Rute brutal durchgebogen. Meine Anhiebe kommen konzentriert, kraftvoll und bei nahezu gerader Rute. Da geht alle Kraft direkt über die Schnur in den Haken. "Fish on!" Der Haken sitzt. Ein bulliger Vierzigpfünder zeigt uns seine Gegenwart mit einem beeindruckenden Sprung. Michael startet den Motor und bugsiert uns mit traumwandlerischer Sicherheit und Präzision durch das Gewirr von Booten und Bojen. Wir haben den Fisch sofort unter Kontrolle und bleiben dicht an ihm. Bald sind wir aus der Bucht heraus und der Fisch zieht ins offene Wasser. Ich bin sicher, dass wir ihn kriegen werden. Mit Seitendruck mache ich den Tarpon müde. Er ist an der Oberfläche und dreht sich auf die Seite. Gleich ist er soweit. Und pitsch - 60 Pfund Mono reichte dann wohl doch nicht. Shock-Tippet durchgescheuert. Es ist zum Heulen.

Ich flechte mir ein Shock-Tippet aus drei Stücken einer 15 Kilo-Schnur. Das könnte funktionieren. Beim nächsten Biss sitzt der Haken nicht. Wieder einen nur ge-jumpt. Dann kommt noch ein Nachläufer, der aber kurz vor der Fliege abdreht. Auch die nächsten beiden Fische kann ich nur zum Sprung überreden. Einer davon hat etwa 80 Pfund. Ich brauche 'ne mentale Pause. Michael fährt aufs blaue Wasser raus und ich kühle meine Seele an drei schönen Bonitos, die für die Pfanne mit nach hause kommen.

 
DER LETZTE VERSUCH
Die Zeit vergeht wie im Fluge. Einen letzten Vormittag möchte ich den großen Poons widmen. Was meine verständnisvolle Familie gerne erlaubt. Matthias hat sowieso noch ein Mega-Sandburgenprojekt geplant und das kann er ja in Ruhe angehen, während Papa in den Wellen steht und dem amphibischen Fliegenfischen frönt. 

Der Beach ist schmal und fällt nach zwanzig, dreißig Metern über eine Kante ins tiefere Wasser ab. Ein Tanker liegt hier vor Anker. Hinter dem Tanker rauben Fische. Vermutlich Jack Crevalle, aber die interessieren mich heute nicht. Ganz dicht am Ufer beobachte ich zwei Poons, die im Teamwork über die Brutfische herfallen. Der Brutfisch-Schwarm hat die Ausdehnung eines Fußballfeldes. Und die Poons bleiben unter ihrer Nahrung verborgen. Da, eine Schwanzflosse. Jetzt teilt sich der Schwarm kleiner Fischleiber und es bildet sich eine Gasse klaren Wassers zwischen der pulsierenen Biomasse.

Genau in dieser Gasse landet meine Fliege. Und verschwindet in einem weit geöffneten Maul. Eine Sekunde warten. Rute seitlich wegdrehen, Schnur festhalten und sauber anschlagen. Ich folge meinen eigenen Anweisungen wie in Trance. Und das Inferno bricht los. Hunderte winzige Fischlein sprühen wie Regentropfen durch die Luft. Ein massiger, silberner Körper fliegt hinterher. Höher und weiter! Klatscht zurück ins Wasser. Springt erneut. Nach all den springenden Poons sollte ich an diesen Anblick gewöhnt sein. Ich glaube, daran kann man sich gar nicht gewöhnen. Es ist immer wieder wie eine Offenbarung. Physischer, psychischer und optischer Kontakt zwischen mir und einer Urgewalt der Natur. Die Intensität dieses Ereignisses ist unübertoffen.

Der Fisch ist kein Riese, aber groß genug. Groß genug, um einen kräftigen Angler und eine kräftige 12er Rute voll und ganz zu beschäftigen. Eine halbe Stunde später bin ich der wahrscheinlich glücklichste Mensch der Welt. Als ich "meinen" etwa 40-pfündigen Poon in den Armen halte und vorsichtig in sein Element zurücksetze.

links: Endlich - ein Traum geht in Erfüllung.

 
Einen ausführlichen Bericht (Langversion) sowie umfangreiche Infos über Insel, Land und Leute, Fischerei und Möglichkeiten für nichtfischende Urlauber finden Sie auf der Homepage bei www.steelfin.com

Für Fragen zur Fischerei stehe ich gerne persönlich zur Verfügung: tom@steelfin.com