Fly Or Die – Norwegen Low Budget
Sommer 2017 | Ein Reise-Report von Niko Bünte
Die Idee kam so plötzlich wie nachhaltig in meinen Kopf: Warum nicht einfach mal nach Norwegen fahren, das Land, von dem man schon so viel gehört hatte und von dem jeder träumte. Einfach einmal vor umwerfender Kulisse den ein oder anderen Cast machen mit ständiger Chance auf... sagen wir mal: ALLES! Ja, warum eigentlich nicht?
Als ich meinen langjährigen Freund Moe fragte, wie so seine Sommerpläne aussähen und was er von einem Norwegentrip hielte, war er genau wie ich Feuer und Flamme! „Da wollte ich schon immer mal hin! Ich hol´ mir noch heute ´nen Schnellsinker, binde ein paar Streamer und...“ - fange mit dem Träumen an. Na bidde. Moe war dabei. Ohne nach wenn, aber, kosten und Zeit zu fragen. Ich mag unkomplizierte Menschen.
Sonnenuntergang zum Träumen südlich von Trondheim
Mir jedoch ging dann doch das ein oder andere „aber“ durch den Kopf. Und die Gründe, warum man nicht einfach jeden Sommer nach Norwegen fährt, waren präsenter denn je. Ist Norwegen nicht unglaublich teuer? Und unglaublich weit weg? Und kann man dort überhaupt mit der Fliegenrute erfolgversprechend vom Ufer aus fischen oder muss man sich zwangsläufig ein Boot mieten, was das Budget noch weiter nach oben schießen lässt? 
Die Internetrecherche erbrachte wenig bis gar nichts über das Fliegenfischen vom Ufer. Bei ein bis drei Feierabendbierchen am Stadthafen erzählte ich meinem guten Freund Jona von der ungeschliffenen Idee. Ich weiß auch nicht, was das Wort „Norwegen“ bei einem angelnden Mann für Substanzen im Körper freisetzt, ich weiß nur, dass es die Richtigen sind. Einen Tag später hatte ich mein Emailfach voll mit Videos von fischenden Zeitgenossen, die in der Nähe von Trondheim einen Brummer nach dem anderen vom Ufer aus landeten. Zwar nicht mit der Fliegenrute, aber hey, wenn Fisch da ist, wird der auch an die Fliege gehen. Jona jedenfalls war schon dabei, als ich meinen Satz noch nicht beendet hatte. Er hatte zwar keinerlei Fliegenfischer-Erfahrung, allerdings war es für die Moral vielleicht auch gar nicht so schlecht, einen Blech-Gummi-Fischer dabeizuhaben, falls der Plan vom Fly-or-Die-Norway-Trip dann doch nicht ganz so gut funktionierte.
Fährüberfahrt
Blieben dann noch die beiden anderen Fragezeichen zu diskutieren. Teuer und verdammt weit weg. Wir entschieden uns, so viele Grundnahrungsmittel wie möglich mitzunehmen und uns auf unsere Outdoorerfahrung zu verlassen und wild zu campen. Wenn dann noch der ein oder andere Fisch sich über das Lagerfeuer verirrte, dann hielten sich die Kosten ganz gut in Grenzen. Den zweiten Punkt entschärfte Google Maps. Was? Von Oslo an einen Fjord in der Nähe von Trondheim sind es nur 8 Stunden Autofahrt? Das geht doch voll klar! Die Fähre Hirtshals - Langesund (Oslo) war in nullkommanichts gebucht (Frühbucherrabatt, oh yeah Baby!) und die konkreten Vorbereitungen konnten beginnen. Dachte man. Wie so oft kommen, sobald man einen Urlaub fix gebucht hat, wieder 100 Dinge dazwischen und plötzlich hieß es: „Leute! Übermorgen geht’s los!!!!!“ Um nicht von vornherein in mentale Dauertiefs zu fallen, schraubten wir unsere Erwartungen nach unten. Es sollte einfach ein toller Trip werden. Natur pur, Norwegen, Outdoorurlaub, das sind Zutaten, die schon allein für ein fantastisches Gericht reichen. Ich für meinen Teil sagte mir dazu, wenn ich vom Ufer regelmäßig kräftige Makrelen an meine 5er Rute (die ich im Forum letztes Jahr gewonnen hatte und endlich mal richtig belasten wollte) bekomme bin ich völlig zufrieden. Die Aussicht, mal wieder mehrere Nächte im Zelt zu schlafen, überm Feuer kochen, die Welt zu erleben, ach komm, wir brauchen keine Monsterfische, um glücklich zu sein.
Blick vom Sonnendeck
Die Fährfahrt verging wie im Fluge und plötzlich waren wir da. N – O – R – W – E – G – E – N !!!
Natürlich konnten wir Jona nicht davon abhalten, direkt am erstbesten Spot einen eigens dafür erworbenen 100 Gramm Pilker in die Fluten zu feuern. Erster Wurf: „Widerstand!!! Fiiiis.. Ähm, Hänger...“ nach 15 Minuten, zwei verlorenen Bleigeschossen und Vertrauen in die Fängigkeit der Methoden entschlossen wir uns, erst einmal einen Schlafplatz zu suchen und die heißen Drills off the rocks auf die nächsten Tage zu verschieben.
Erstbester Spot. #fail
Am folgenden Morgen fuhren wir in aller Frühe los, wir wollten schließlich Südnorwegen hinter uns lassen und in die unberührten Fanggründe zwischen Bergen und Trondheim kommen. Dass es um die 13° Grad Celsius war und ein heftiger Dauerregen unsere Fahrt begleitete, ließ zwar die Träumerei von wunderbarer Sommerfischerei ein wenig dämpfen, trübte aber keineswegs die Stimmung. Norwegen! Wir konnten es noch nicht fassen, fuhren an atemberaubenden Lachsflüssen vorbei, querten First-Class-Pools und staunten über Schneereste an Berghängen.


Und dann waren wir da. Das erste Mal nach 8 Stunden Fahrt wieder am Meer. Am Fjord. Am tiefen Fjord. Åndalsnes. Trotz des anhaltenden Regens und der nahenden Dämmerung hielt es uns nicht im Auto. Ich hatte meine 5er Rute noch nicht vollends montiert, da rief Moe schon: „Fish on!“ Kurz darauf Jona: „Hängt! Am Fisch!“ Wir hatten einen Makrelenschwarm direkt vor den Füßen. Extrem kampfstarke, wunderschöne Fische, die die Rollenbremse der leichten Rute zum Aufheulen brachten, zauberten uns Dreien ein zufriedenes Lächeln auf die Lippen und füllten später am Abend unsere Bäuche. So konnte es weitergehen.
Makrele im Drill
Und so ging es weiter. Zwischen die in einer unfassbaren Masse vorkommenden Makrelen reihten sich teilweise kleinere Pollacks ein und so verbrachten wir den nächsten Tag gemeinsam mit zwei netten Schweden, die wir kennenlernten, mit Drillen von Makrelen, Feuer machen, genießen. Ich würde mal sagen, mein Urlaubsziel war schon an diesem Tag mehr als erfüllt. Gepaart mit den allgegenwärtigen Schweinswaltrupps, die in unmittelbarer Nähe den Makrelen nachjagten, einem unvergleichlichen Sonnenuntergang und tollen Abend in netter Gesellschaft war das schon zu diesem frühen Urlaubszeitpunkt ein perfekter Tag.
jagender Schweinswal!
Moe mit gesichertem Abendessen
Nahaufname Makrele
Sonnenuntergang über Andalsfjord
Am nächsten Tag erkundeten wir die Gegend, suchten nach neuen Spots, aber über die üblichen Makrelenfänge, kleineren Pollacks und einen Dorsch kamen wir nicht hinaus.
..ohne Worte..
Als wir zu unserem Lager zurückkamen berichteten uns die Schweden, dass wir nur knapp ein wahnsinniges Naturschauspiel verpasst hatten. Fünf Schweinswale hatten einen Makrelenschwarm am Ufer zusammengetrieben und schlugen direkt vor verdutzten Beobachtern zu. Das Wasser schäumte und die Makrelen sprangen ans rettende Ufer. 3 Minuten später war das Schauspiel vorbei. 10 Minuten später kamen wir. Heads up, man kann nicht alles haben.
Nettes Wohnzimmerpanorama
Frühstückszeit!
Am nächsten Tag fuhren wir wieder los. Über malerische Inseln, architektonisch anspruchsvolle Brücken und verschlafene Fähren - immer auf der Suche nach Spots, an denen man gut vom Ufer an Strömungskanten herankam.
Hängebrücke nähe Kristiansund
Die nächsten Tage brachten jede Menge Fisch. Makrele, Pollack, Meerforelle, Dorsch, Lippfisch.
 
 


Zweihandpollack 

Moe mit Lippfisch
Der Autor im Drill
Fangfoto
Zudem fing Jona mit seiner in der Rubrik „Fly or Die“ höchst fragwürdigen Grundmontage Blauleng. Aber da er ein guter Kerl ist, und jeder auf dem Weg zur richtigen Fangmethode mal Fehler macht, verzieh ich ihm diesen faux pas.
Jona mit Blauleng
Erstaunlich war, dass die Fliegenrute im Vergleich zur Spinnrute leicht die Nase vorn zu haben schien. Die Makrelen nahmen die Streamer ohne Argwohn, während die Blinker zögernder attackiert wurden. Ebenso verhielt es sich mit den Pollacks. An einer Stelle hatte Jona schon aufgegeben, als ich Sekunden später mit drei Driften drei Pollacks fing. Das ging natürlich runter wie Butter und brachte immer mehr Argumente für die Entjungferung von Jona an der Fliegenrute.
Stimmungsbild
Moe mit Pollack
Wir aßen täglich Fisch, lernten wie man in einer Bushaltestelle die Klamotten trocknen, kochen und sich am Gaskocher wärmen konnte und tranken Quellwasser direkt aus dem Berg. Ja, und ab und zu stieg auch mal ein richtig guter Pollack ein. Es war perfekt.
Schutz suchen in einer Bushaltestelle
guter Pollack an der 5er Rute im Drill
Belastungstest bestanden!
Wer grad nicht fischt, bindet
Fischsuppe
Kleine Fischpfanne a la plancha
Irgendwann wollten wir aber mehr. Und so besannen wir uns auf unsere Erinnerungen aus der Vielzahl an Videos, die wir vor der Abreise geschaut hatten und ein Ortsname formte sich in unseren Köpfen. Skarnsundet. Wir packten unsere sieben Sachen in den Seat Ibiza und machten uns auf den Weg.
On the road again
Vorbei an Trondheim, einem Elch, weg von den wunderschönen Bergen hin zu der etwas flacheren Region nördlich von Trondheim, Nord-Trøndelag. 
Fährfahrt nach Molde
Es regnete mittlerweile täglich mehrere Stunden, was es schwierig machte, die Klamotten und das Zelt komplett trocken zu bekommen und die Überlegung kam auf, ob wir nicht für zwei Tage eine kleine Hütte nehmen sollten. Als wir nach stundenlanger Fahrt endlich Skarnsundet erreichten entdeckte Moe den Platz, der für die nächsten vier Tage unsere Heimat werden sollte. Geschützt unter einer Brücke. 100 m Abstieg zum Wasser, das Auto halbwegs sicher geparkt.
Home
Na wer sagt´s denn?! Der Regen konnte kommen, wir waren hier erst einmal geschützt und trocken.
Ein Blick auf den Spot war allerdings ernüchternd. Kein Rückraum zum Werfen, glitschige Steine, die das Ufer säumten und eine starke Strömung schienen es nicht gerade zum idealen Ufer-Fliegenfischer-Hotspot zu machen.
Ob Rudi Heger geahnt hätte, wohin das Rütchen ausgeführt wird?
Eine Handvoll einheimische Angler bearbeitete schon mit Pilkern und Blinkern den Sund. Sie fingen die ein oder andere Makrele. Keine Pollacks, keine Dorsche. Na gut, wenigstens das Abendessen wäre damit gesichert. Aber war das wirklich der Spot nach dem wir so lange gesucht hatten? Um es vorweg zu nehmen: Ja, war es!
Nach erster Begutachtung der Umstände entschied sich Fly-or-Die-Buddy-Moe für ein Nickerchen im Zelt, er hatte offenbar keine Lust auf verhedderte Schnüre, zu kurze Roll-Casts und eine anstrengende Fischerei. Jona und ich begaben uns in Position. Ich beförderte meinen Streamer mit einem Rollwurf ca. 15m in die schäumenden Eddies. Die schnellsinkende Schnur wurde sofort von der Strömung erfasst und nach rechts gedrückt. Ich musste augenblicklich mit dem Einstrippen beginnen um nicht am Ufer hängen zu bleiben. Die Strömung war so stark, dass ich die letzten Meter Schnur aus dem Wasser heben wollte und hing fest. Am Fisch!!!!
Gutes Rückrat für kampfstarken Pollack
Ein schöner Pollack hatte sich meinen schwarzen 6er Streamer einverleibt und kämpfte nun gegen meine 5er Rute. Nach wütenden Kopfschlägen und ein paar herrlich klingenden Fluchten in die Bremse konnte ich ihn landen. 
60er Pollack
Mir war das Lächeln wieder ins Gesicht gemeißelt. Durchnässt, fröstelnd, übermüdet, glücklich. Erster Wurf mit der Fliege und gleich ein guter Pollack. Ich konnte das Raunen der anderen Angler hören, die scheinbar selten anständige Pollacks hier landeten. Das gab mir natürlich noch mehr Auftrieb. Was dann folgte wird glaube ich in Fachzeitschriften und Urlaubsmagazinen „Sternstunden“ genannt. Ich fing in 45 Minuten 15 Pollacks, die Größten über 90 cm, darunter etliche 80er, 70er. Herrlich! 
Sternstunden..
... am Skarnsundet

Fast jede Drift wurde mit einer Attacke belohnt, fast jeder Fisch hing. Jona kam gar nicht dazu, seine Rute auszuwerfen, weil ich ihn ständig an die Kamera diktierte. 
45 Minuten später änderte sich wie aus dem nichts die Strömung und der Spuk war vorbei. Nach dem fünften Wurf ohne Fisch, man gewöhnt sich schnell an gute Zeiten, meldete ich erste Zweifel ob der optimalen Tageszeit an. Da es schon langsam dunkel wurde entschieden wir uns zum Zelt zurückzukehren. 
Schlaftrunken traute Moe seinen Ohren nicht und entschied am nächsten Tag der Erste am Wasser zu sein. Er wurde belohnt.
Moe mit tollem Pollack
Wir erlebten tolle Tage unter unserer Brücke. Was hier extrem auffiel: Die Fliegenrute gewann in jeder Hinsicht gegen die Spinn- oder Grundrute. Wurfweite war nicht das Entscheidende. Es war wohl das unbeschwerte Spiel der Fliege in der Strömung. Nachläufer gab es auf beiden Seiten, nur dass sich der Fisch dann im Endeffekt für die Fliege entschied. 
Autor mit Pollack
Ein Hornhecht? Ernsthaft?
Moe mit Pollack
Und dann war der große Moment gekommen. Die Champions-League-Hymne singend, überreichte ich Jona die Zweihandrute, von der ich mir versprach, dass er auch ohne große Übung die entsprechende Distanz per Rollwurf erreichte, um seinen ersten Fisch an der Fliegenrute zu überlisten. 
Jona drillt an der Zweihand
gelandet..
Ab diesem Zeitpunkt bekam ich die Zweihand nicht mehr zu Gesicht. Und Jona verlor sein Herz ans Fliegenfischen.
..fresh in love with flyfishing..
Tage später fuhren wir zurück, gesättigt mit Erlebnissen, erfüllt mir übertroffenen Erwartungen und mit der Gewissheit, dass es sich auszahlt, Dinge auszuprobieren, die kein anderer tut und von denen Niemand sich Erfolg verspricht. Es sind die Kleinigkeiten, die oft den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen.
 
 



Hee Jona, hab ein Styroporkügelchen gefunden

Feierabend
Text: Niko. Jona: Fish on. Moe: Respect Esox.

Holzkohlegraffiti


Ein Reisereport von Niko Bünte für www.fliegenfischer-forum.de - November 2017. Das unerlaubte Kopieren und Verbreiten von Text- und Bildmaterial aus diesem Bericht ist verboten.

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