An den mongolischen Quellen des Jenissej ...
Teil 2: Auf Tuwa-Taimen. Oder: Grenzerfahrungen
Ein Reisebericht von Clemens Ratschan | Fotos: C. R. & Michael Krupa
 
 

 

Pfeil: Hot Spot für Taimen!
Die Mongolei, ein Traum-Land zum Huchenfischen?
Etwas suspekt kommt einem das ja schon vor – Huchenfischen in der Mongolei?! Das Land ist eher bekannt für die Wüste Gobi, endlose Steppe und die Viehherden der Nomaden. Der mittlere Jahresniederschlag liegt bei lediglich knapp über 200 mm (Vergleich Österreich: 900 mm) - ein großer Teil davon verdunstet in salzigen Seen oder in der Wüste Gobi. Größere Wasserläufe, die die Bezeichnung Fluss verdienen, gibt’s daher in dem riesigen Land nur gut 2 Dutzend. 

Doch tatsächlich: In den meisten dieser größeren Flüsse im Norden ist Hucho taimen heimisch, der Sibirische Huchen. Aufgrund der nomadischen Lebensweise der Bevölkerung konnten die Fischbestände lange erhalten werden, was auch daran liegt, dass Fisch in der traditionellen Ernährung keine Rolle spielte. So kam es, dass nach der Öffnung des Landes Anfang der 90er Jahre westliche Angelfischer sagenhafte Fänge verbuchen konnten – in Gewässern, in denen zuvor außer von einigen Kommunistischen Bonzen kaum je mit der Angel gefischt worden war. Dies begründete den geradezu legendären Ruf von Flüssen wie Chuluut oder Shishkid, in denen Fänge von kapitalen Taimen zwischen 1,30 m und 1,50 m und darüber nichts Ungewöhnliches waren. 

Doch die Zeit ist auch hier nicht stehen geblieben, in der Mongolei hat seit der Öffnung eine Entwicklung eingesetzt wie in den zugänglichen Gebieten Sibiriens seit den 1950er und 60er Jahren, als Nylonnetze, Spinnruten, Außenbordmotoren und Schneemobile die Bestände immer weiter in unzugängliche Gebiet zurückzudrängen begannen. Heute ist auch die mongolische Bevölkerung, die heute noch am Land überwiegend nomadisch lebt, auf den Geschmack gekommen und fischt aus Zeitvertreib und zum Nahrungserwerb – meist mit brachialen Methoden. Auch reiche Schichten der Hauptstadt Ulaanbaatar leisten sich mit modernen Geländefahrzeugen Angelausflüge viele hunderte Kilometer aufs Land. Banditen fischen mit Dynamit und Kiemennetzen, um Taimen auf lokalen Märkten oder bis nach Russland und China zu verkaufen. Dabei kommt ihnen zu Gute, dass Taimen konzentriert in wenigen Kolken überwintern, das Gelände im eiskalten aber schneearmen Winter gut befahrbar ist und der gefrorene Fang leicht überweite Strecken transportiert werden kann. 

Durch soziale Probleme, Korruption und die schlechte Administrierbarkeit dieses riesigen Landes sind diese Missstände nur schwer in den Griff zu bekommen. So hat man es geschafft, den Taimenbestand in den gut zugänglichen Flüssen auf geringe Restbestände zu dezimieren. Damit ist das größte Problem für die Huchenbestände nicht wie in Europa der Verbau der Gewässer und der damit einher gehende Verfall des Lebensraumes, sondern schlicht und einfach Überfischung. 

Doch auch schleichende und nachhaltige Verschlechterungen bleiben den Gewässern nicht erspart: Durch Überweidung und Waldsterben kommt es in manchen Flüssen zu einem nie da gewesenen Eintrag von Feinsedimenten. So auch lokal durch den Abbau von Bodenschätzen (vor allem Gold). Darüber hinaus machen sich in der Mongolei der Klimawandel und ein veränderter Wasserhaushalt deutlich bemerkbar. Zu guter Letzt kommt es in den letzten Jahren zu bisher nicht gekannten massiven Einflügen von Kormoranen. 

Mongolische Fischer mit Wurfleine und Spinner. Unten: Nomade mit künstlichem Mausköder inkl. zwei Drillingen.

Doch auch ausländische Fischergäste (und Schreiber von Reiseberichten) sind nicht ganz unschuldig an der Misere. Dass die heimische Bevölkerung seit einigen Jahren intensiv fischt, ist ein „Verdienst“ der Angelgäste, die von den Mongolen beobachtet und danach sehr ausdauernd und leider recht erfolgreich imitiert wurden. 

Zwar ist die Entnahme von Taimen für Ausländer nicht mehr erlaubt, wohl aber Fischereimethoden, die einen ähnlich letalen Effekt haben. Viele Camps dulden die Fischerei mit Spinnködern und zwei oder drei Widerhaken - bewehrten Drillingen.

Im Internet grassieren Fotos, wo Fischer gleichzeitig 5 hoch kapitale mongolische Taimen in die Linse halten, die für dieses perverse Foto wohl tagelang gehältert wurden. Von für den Bestand unbedenklicher Catch and Release Fischerei kann hier wohl keine Rede mehr sein. Manche Anbieter von Angelreisen (empfehlen kann ich die Firma Fish Mongolia, Link siehe unten) gehen sensibler vor; sie kooperieren mit lokalen Kommunen, welche um die Arbeitsplätze langfristig zu bewahren das ganze Jahr über ein hütendes Auge auf ihre Gewässerstrecke werfen – ein zukunftsträchtiges Modell für Ökotourismus zu wechselseitigem Vorteil!

Wie ich aus eigener leidvoller Erfahrung und von zahlreichen Berichten anderer weiß, wirken sich die angeführten Probleme derart rasch aus, dass Flüsse mit tollem Taimenbestand noch um das Jahr 2005 jetzt bereits so gut wie leer gefischt sind. Vor diesem Hintergrund können Reisen in die Mongolei mit dem Hauptziel Taimenfischen leider nur mehr eingeschränkt empfohlen werden, sollten sie nicht als Frustrationserlebnis enden. Als aller oberste Prämissen müssen jedenfalls eine so schonend wie nur irgend möglich gestaltete Fischerei und der unbedingte Verzicht auf die Entnahme von Taimen gelten. Reiseanbieter, die nicht auf entsprechend hohe Standards Wert legen, sollten boykottiert werden.

Das letzte Paradies?
Die skizzierte Situation hat bereits deutlich negative Auswirkungen auf den Angeltourismus. Manche kommerzielle Anbieter weichen immer weiter in die unzugänglichen Oberläufe aus, andere müssen Camps auflassen und den Preis ihrer Mongoleireisen reduzieren, um schlechter Fangchancen noch genügend Fischergäste anzulocken. Die Saison beschränkt sich auf wenige Wochen, und die Bedingungen hängen stark von der wechselhaften Witterung ab: Zwar sind bei klarem Niederwasser in guten Strecken nach wie vor Fänge von mehreren metrigen Huchen pro Rute und Woche möglich, ein Durchschnittsfischer kann aber mit ein oder zwei kleineren Taimen sehr zufrieden sein. Bei mäßigen Bedingungen oder in überfischten Strecken hingegen stellt jeder Taimen-Fang einen Riesen-Erfolg dar, die Chancen stehen um nichts besser als beim Huchenfischen in guten Revieren in Mitteleuropa.

Will man in der Mongolei als Individualtourist eine hervorragende Taimen-Fischerei erleben, muss man sich also schon etwas Besonderes einfallen lassen. Meine Idee war, einen Fluss in der russisch-mongolischen Grenzregion auf fast seiner gesamten Strecke mit Grabner Schlauchbooten zu befahren. Das Sperrgebiet am Oberlauf darf ohne Sondergenehmigung nicht betreten werden und wird von einer berittenen Grenzpolizei bewacht. Ich rechnete mir hier noch Chancen auf eine besonders gute Fischerei aus – schließlich sind wir wahrscheinlich die ersten überhaupt, die die Grenzstrecke befahren und befischen. Doch wie an den Fluss gelangen – befahrbares Gelände reicht nirgends nur annähernd an den Oberlauf heran? Zwischen Fluss und Zivilisation liegen neben den bürokratischen Hürden 50 km unwegsames Gelände, Bergpässe, Sümpfe und Gestrüpp!

Die Lösung sind die Genehmigungen für unseren wissenschaftlichen Auftrag – schließlich wollen wir auch aus diesem Fluss Äschenproben sammeln (siehe Teil 1). Der Plan ist, mit Pferden über die Berge zu reiten, um Boote, Ausrüstung und Proviant an den Fluss zu bringen – so weit stromauf, wie eine Bootsbefahrung nur irgend möglich ist. Mit den offiziellen Papieren in Händen steuern wir direkt das Quartier der Grenzpolizei an. Der Kommandant der Truppe macht zuerst eine finstere Mine, doch unser Fahrer schafft es, ihn umzustimmen: Der Befehlshaber der Grenzpolizei unterstützt unser Vorhaben, erlaubt das Betreten der Sperrzone und wird uns gleich am nächsten Tag Pack- und Reitpferde zur Verfügung stellen! Doch eins bläut er uns mit Nachdruck ein: Wir müssen immer am linken (mongolischen) Ufer bleiben, die linken Nebenarme befahren, am linken Ufer fischen, Lager und Pipi machen. Denn auf der rechten (tuwenischen) Seite des Flusses könnten wir von den Russen verhaftet werden!

Zu Pferd an den Fluss
Ziemlich mulmig ist uns bei der Sache schon: Keiner von uns Dreien ist Reiter – das Maximum an Erfahrung, das wir aufbringen, ist beim Volksfest als Kind 5 Minuten Ponyreiten. Für Mongolen wär das eine untragbare Schande – dementsprechend nimmt der Fahrer uns gleich ordentlich auf die Schaufel. Wir fahren am Ende der Straße noch einige Kilometer weiter, um uns die Reitstrecke zu verkürzen, bleiben prompt hängen. Nicht einmal mit einem zweiten Geländewagen lässt sich der Uaz Allradbus aus dem Schlamm ziehen. Mühsam werden die Achsen mit Stangen hoch gehebelt und Steine darunter geschlichtet. Erst nach schweißtreibender, mehrstündiger Arbeit kann das Gefährt befreit werden. Reiten – die einzige und vielleicht doch eine gute Alternative im weglosen Grenzgebiet?


Beim Versuch abzuschleppen reißt das Seil, daher wird das Fahrzeug aus dem Schlamm gehebelt.

Am nächsten Morgen nahen die Grenzsoldaten – sie werden ihre Kameraden von der 15-tägigen Wache-Schicht ablösen und mit uns an die Grenze reiten. Wilde Gesellen sind es, uniformierte junge Männer, bewaffnet mit automatischen Gewehren. Beim Beladen bockt prompt das erste Pferd, geht durch und streift das Gepäck an den Sträuchern ab. Wir hoffen, dass es uns nicht ähnlich ergeht, doch uns werden die gutmütigsten Gäule zugeteilt. So geht’s problemlos hoch zu Ross über die traumhaft herbstlich verfärbte Landschaft. 

Man merkt, wir befinden uns in der Grenzregion: Das Gras hier ist nicht abgeweidet, dafür gibt es zahlreiches Wild. Die mongolischen Nomaden meiden das Gebiet, denn immer wieder kommt es in Grenznähe zu Übertritten von tuwenischen Viehdieben, welche mit gestohlenen Tieren auf Nimmerwiedersehen über die russische Grenze verschwinden. Nach zwei Tagen Ritt – Schenkel, Knie und Gesäß sind schon ziemlich lädiert – noch einmal eine Herausforderung: Steile Flanken und dichter Wald trennen uns vom Flusstal, doch auf die Trittsicherheit der mongolischen Pferde ist Verlass. Die Spannung ist unerträglich, den Fluss endlich zu erblicken: Wird die Wassermenge hier oben schon zu einer Bootsbefahrung reichen, sind wilde Stromschnellen oder gar Wasserfälle zu befürchten?

Anritt über einen Pass mit den Grenzsoldaten.


Das Rot der Hügel kommt auch von den massenhaften Heidelbeersträuchern.


Kurz vor der russischen Grenze.


Am Oberlauf - Grenzerfahrungen 
Endlich am Ufer ist die Erleichterung groß: Unser Fluss ist glasklar, während sich die Flüsse weiter im Süden bis weit in den September hinein nicht aufklaren und wie wir später erfahren mies zu befischen sind. Wir verabschieden uns von den Soldaten, die beim Reiten zu Freunden geworden sind. Ab jetzt sind wir auf uns selbst gestellt. Vor uns liegt ein Riesen-Abenteuer: 300 km traumhafte, im Oberlauf unbefischte und absolut menschenleere Flusslandschaft!
Abschied am Beginn der Bootstour

Boot schleppen

Entlang der Grenzstrecke läuft’s noch zäh: Im Bett liegen Steinblöcke verstreut, zwischen denen sich der herbstliche Niederwasserabfluss verteilt. Allzu oft heißt’s Aussteigen und die Grabner Boote (den „Outside“ Schlauchkanadier für Peter und Michael, das „Explorer“ Kajak für mich) viele hundert Meter ziehen und stemmen, was den Booten aufgrund ihrer tollen Qualität nichts anhaben kann. Doch nach der Mündung einiger russischer Zubringer reicht die Fahrwassertiefe. Was eine solche Bootstour zur Besonderheit macht, ist die Möglichkeit, bei jedem schönen Platz stehen zu bleiben und zu fischen, sodass eine lange Flussstrecke effektiv abgesucht werden kann. Bereits am zweiten Bootstag landet jeder von uns beim Fliegenfischen mit silbrigen Streamern einen kleineren Taimen. 
Blick auf das rechte, russische Ufer des Flusses

Am dritten Bootstag geht die Rechnung dann so richtig auf: Das Wetter ist trüb und regnerisch, doch das dürfte die Beißlaune der Taimen so richtig in Fahrt bringen: Viele unserer Bootsstopps für eine Stunde Fliegenfischen werden mit einem Taimen belohnt, leider bleiben sie aber alle unter der magischen Grenze von einem Meter. Als beste Fangplätze kristallisieren sich tiefere Rinnen in rasch fließenden, seichteren Strecken heraus. Besonders „heiß“ sind auch Einläufe von Kolken, vor allem bei anstehendem Fels oder wenn Felsblöcke an der Sohle liegen (siehe Panoramafoto am Beginn, Pfeil). In großflächig tiefen, mäßig strömenden Kolken und Zügen sind beim Drüberfahren mit dem Boot zwar vereinzelt Taimen auszumachen – zu fangen dürften sie jedoch hier eher schwierig sein.
Endlich – der erste Taimen | Peter mit prächtig gefärbtem Taimen.


Gute Einstände finden sich dort, wo Felsen und Blockströme ans Wasser reichen

Wir hoffen, dass der Fangerfolg in den nächsten Tagen so weiter geht, doch leider kommt’s anders. Sehr viel Zeit bleibt auch nicht zum Fischen – wir müssen Strecke machen, um unseren Endpunkt rechtzeitig erreichen zu können. Auch das tägliche Kochen, Auf- und Abbauen des Lagers und Beladen des Boots nimmt viel Zeit in Anspruch. Am folgenden Tag stellt sich wolkenloses herbstliches Schönwetter ein, das für die restlichen zwei Wochen anhalten sollte. Ob das dafür verantwortlich ist, dass wir beim Taimenfischen meist erfolglos bleiben, oder die Tatsache, dass wir aus dem Grenzgebiet und daher unbefischten Gefilden heraus gefahren sind, ist schwer zu sagen. Fakt ist: In den folgenden drei Tagen schwingen wir fleißig unser Fliegenruten weiter, können aber trotz optimaler Bedingungen nur einen kleinen Taimen fangen, und als bisherigen Höhepunkt ein 95 cm Exemplar, das sich auf die schwimmende Hirschhaarmaus stürzt. 

Besonders erfreulich - ein trocken mit Rehhaarmaus bei hellem Sonnenschein gefangener Fisch.

Tolle Angelstelle bei anstehendem Fels.

Traumhafte Kalkberge ...


Raureif auf dem Zelt nach nächtlichem Frost.


Märchenlandschaften

Doch die traumhafte Gegend entschädigt für die Schneidertage: Glasklares Wasser, am Ufer grüne Lärchen, die beginnen, sich gelb zu verfärben, am Talrand Felsformationen aus weißem Kalkgestein in bizarren Formen – es fällt schwer, sich eine idyllischere Landschaft vorzustellen als die märchenhafte herbstliche Nordmongolei. 

Wir beschließen, bereits mittags Halt zu machen und den schönen Tag zu genießen. Ich gehe zum Lenokfischen, um für das Mittagessen zu sorgen. Nach einer halben Stunde ohne nennenswerten Erfolg bleibt mein Silberstreamer Größe 2 in der Flussmitte stehen. Ein harter Ruck in der Rute lässt mir die Alarmglocken schrillen: Schon kann ich hinter der Fliege ein riesiges dunkles Etwas erkennen! Huchentypisch kommt der Taimen an die Oberfläche, spreizt und schüttelt sein riesiges Maul, versucht die lächerlich kleine Fliege abzuschütteln. Diesen Fisch zu kriegen, wär mein Traum! Doch realistischerweise hoffe ich kaum, den Kapitalen mit dem feinen Fliegenzeug landen zu können. Ein paar Fluchten mit Urgewalt, es ist nicht mal dran zu denken, den Fisch aufzuhalten. Doch schon werden die Fluchten kürzer, der Große Rote zeigt Flanke und lässt sich schlussendlich wirklich stranden. Ich bin überglücklich: Der wunderschöne Taimen misst 1,22 m und zeigt bei Parade-Proportionen noch keinerlei Alterserscheinungen.

Wunderschöner Großtaimen (1,22 m)

Huchenfischerei – ein Mysterium
Wer hätte das gedacht? So ein Fang mit dem kleinen Köder und bei gleißendem Mittagslicht! Doch irgendwie ist’s bezeichnend, denn selbst alte Taimen-Veteranen tun sich schwer, Regeln und Gesetzmäßigkeiten für den Fang dieser Traumfische aufzustellen. Dies gilt besonders für mongolische Taimen, die sowohl trocken an der Oberfläche auf Maus- oder Heuschreckenmuster, als mit kleinen oder auch riesigen Streamern in knalligen oder Natur-Farben, ja sogar mit Steinfliegennymphen zu fangen sind. Sie stehen nicht nur in tiefen Kolken und gehen unerwartet zum Rauben ins Flachwasser – sei es in der Mittagshitze oder in der Nacht – irgendwann kann überall ein Taimen auftauchen. Jeder hat ein anderes Erfolgsrezept, schwört auf dieses oder jenes. Es scheint wie bei der heimischen Huchenpirsch: Erfolg hat, wer trotz langer Durststrecken fleißig fischt und das Glück oder den Riecher hat, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. 

Dieser Fisch war der letzte Taimen, den wir an den Haken bekommen sollten – die restlichen 200 km Fluss: Fehlanzeige. Kurz kommen wir in zugängliches Gebiet, eine Seilfähre bietet für Fahrzeuge die einzige Möglichkeit, den Fluss zu queren. Hier hat ein kleiner Goldrausch eingesetzt: Ein paar Dutzende Familien schürfen mit primitiven Werkzeugen im Uferschotter nach dem Edelmetall – die Szenerie sieht genau so aus, wie man sich’s im 19. Jahrhundert im Yukon ausmalen würde. 

Goldwäscher, Glücksritter und Alkoholiker


Tags darauf passieren wir ein Fischercamp, hier bestätigen uns italienische Fischergäste mäßige Erfolge: 8 Taimen für 5 Fischer in einer Woche, alle bis auf einen Metrigen unter 80 cm, so das magere Ergebnis. Man kann sich’s schon vorstellen, dass die Fischbestände hier sehr unproduktiv und anfällig gegen Überfischung oder andere Schadeinflüsse sind: Das Klima ist extrem rau, die Winter lang und hart, der dieser Gebirgsfluss nahrungsarm. Dass die Fische hier langsam wachsen, darauf weist die Größe der gefangenen Lenok im Vergleich beispielsweise zum produktiven Chuluut hin (siehe Diagramm): Die adulten Lenok, welche wir hier im Norden fangen, sind meist zwischen 40 und 55 cm lang und damit deutlich kleiner als die in früheren Jahren im Chuluut gefangenen, welche meist zwischen 50 und 60 cm messen. Die Äschen hier haben wie zu erwarten keine gelbe Schwanzzeichnung wie im Shishkid-Gebiet, es handelt sich um Baikal - Äschen. Sie erreichen im Gegensatz zum davor befischten Fluss ganz im Norden hier nur geringe Längen von in der Regel deutlich unter 40 cm.
Größen von Lenok-Angelfängen aus mongolischen Flüssen  Junglenok im ersten Herbst (11cm)

Auch die Taimen hier sind wohl auch vergleichsweise langsamwüchsig, doch mongolische Taimen gleichen dies mit Langlebigkeit aus: Wie Altersanalysen an Wirbeln von Totfunden gezeigt haben, können sie bis zu 40 Jahre alt werden, und dann beachtliche Endlängen erreichen. Das ist ein geradezu biblisches Alter, wenn man bedenkt, dass der europäische Huchen kaum mehr als 20 Jahre lebt! Das Wasser des Flusses hier gefriert im Herbst für 128 bis 175 Tage im Jahr, über weite Strecken bis zum Grund. Nach dem Eisbruch suchen Taimen ihre Fress- und Laichgründe auf und verrichten ihr Laichgeschäft. Zum Fressen und Wachsen bleiben nur wenige Monate, bis oft viele Kilometer lange Wanderungen zu Tiefstellen im Fluss als Wintereinstand beginnen. Als symptomatisch für stark befischte Strecken gilt, dass kaum mehr große, alte Fische vorkommen, doch auch kleinere Taimen können wir weder im Mittel- noch im Unterlauf überlisten.

Ein Lenok hat das Heuschrecken-Muster geschnappt!

Noch ein Lenok.

Verblockte Wildwasserstrecke im Mittellauf


Morgenstimmung am Mittellauf

Der Mittellauf führt uns durch steile Schluchten und teils anspruchsvolles Wildwasser. Erst im Unterlauf weitet sich das Tal auf. Der Fluss beginnt, sich in meist 2 große Hauptarme auf zu zweigen, die zum Mäandrieren neigen und kleinere Alt- und Nebenarme abschnüren. Hier im untersten Abschnitt gibt’s neben Äsche, Lenok, Taimen, Elritze (Phoxinus phoxinus) und Sibirischer Schmerle (Barbatula toni) laut Literatur noch Hecht (Esox lucius), Aalrutte (Lota lota) und Rotauge (Rutilus rutilus). Möglicherweise treten auch schon Sibirischer Steinbeißer (Cobitis melanoleuca), Flussbarsch (Perca fluviatilis) und Hasel (Leuciscus baicalensis) auf, die in der Selenge häufig sind. 

Wir lassen an der ersten und einzigen Brücke des gesamten Flusses die Luft aus unseren Booten, um von Mörön nach Ulaanbaatar und weiter über Moskau zurück in die Heimat zu fliegen. Um viele Eindrücke bereichert, freuen wir uns nach vier Wochen Wildnis auf Selbstverständlichkeiten wie Dusche, Bett, ein kühles Bier. Groß ist die Freude und Erleichterung, diese abwechslungsreiche Tour so erfolgreich gemeistert zu haben! 

Lenokfischen im Mittellauf





Stimmungen vom Unterlauf

Blick über den Auwald entlang des Unterlaufs

Anhang:  Links und Quellen

Monographie “Fishes of Mongolia” von Maurice Kottelat:
http://siteresources.worldbank.org/INTEAPREGTOPENVIRONMENT/Resources/fishes_of_mongolia.pdf

Rote Liste der Fische der Mongolei:
http://www.regionalredlist.com/App_Files_Uploaded/Mongolia%20Fishes%20RL%20English.pdf

Mongolia Taimen Projekt: http://limnology.wisc.edu/mongolia/index.html

Fish Mongolia: http://www.fishmongolia.com/

Dulmaa, A. (1999): Fish and fisheries in Mongolia. In: Fish and fisheries at higher altitudes. Asia. Technical Paper No. 385. http://www.fao.org/DOCREP/003/X2614E/x2614e00.htm.

Froufe, E., Alekseyev, I., Knizhin, I. B.,  Alexandrino, P. & Weiss, S. 2003: Comparative phylogeography of salmonid fishes reveals late to post-pleistocene exchange between three now-disjunct river basins in Siberia. Diversity & distributions 9: 269-282.

Knizhin, I. B. & Weiss, S. (2009): A New Species of Grayling Thymallus svetovidovi sp. nova (Thymallidae) from the Yenisei Basin and its position in the genus Thymallus. Journal of Ichthyology, 2009, Vol. 49, No. 1, pp. 1–9.

Koskinen, M. T.; Knizin, I.; Primmer, C. R., Schlötterer, C. & Weiss, S. (2002): Mitochondrial and nuclear DNA phylogeography of Thymallus spp. (grayling) provides evidence of ice-age mediated environmental perturbations in the world’s oldest body of fresh water, Lake Baikal. Molecular Ecology 11: 2599-2611.

Kottelat, M. (2006): Fishes of Mongolia. A check-list of the fishes known to occur in Mongolia with comments on systematics and nomenclature. The World Bank, Washington. 

Ocock, J., Baasanjav, G., Baillie, J. E. M., Erbenebat, M., Kottelat, M., Mendsaikhan, B. & Smith, K. (Eds., 2006): Mongolian Red List of Fishes. Regional Red List Series Vo. 3 & Summary Conservation Action Plans for Mongolian Fishes. Regional Red List Series Vol. 4. Zoological Society of London, London. 

Ratschan, C. (2006): Mit dem Schlauchboot vom Chuluut zum größten Fluss der Mongolei. Österreichs Fischerei 59 (5/6): 139-143.

Ratschan, C. (2008): An den mongolischen Quellen des Jenissej. Österreichs Fischerei 61. S. 32-36 (Teil 1) und S. 65 - 72 (Teil 2).

Schöffmann, J. (1999): Die Äschen (Thymallinae) der Mongolei aus den drei verschiedenen Entwässerungsgebieten. Österreichs Fischerei 52: 62-64.

Sideleva, V. G. (2006): Fish Fauna of Lake Hovsgol and Selenga River in comparison with Ichthyofauna of Lake Baikal. In: Goulden, C. E., Sitnikwa, T., Gelhaus, J. & Boldgiv, B. (Eds.): The Geology, Biodiversity and Ecology of Lake Hövsgöl (Mongolia). pp. 357-378. Backhuys Publishers, Leiden, The Netherlands

Clemens Ratschan



Ein Bericht von Clemens Ratschan für www.fliegenfischer-forum.de
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