David und Goliath. 
Erstaunliches von der Kärntner Möll 
von Hans-Werner Schneider
„Seeforelle, 99 cm, 18 kg, hier aus dem Gössnitz-See!“ – mit dieser verblüffenden Nachricht überrascht mich der Gemeindesekretär in Stall im Mölltal, als ich die erste Fischer-Wochenkarte meines diesjährigen Urlaubs lösen will. Ich bin perplex! Was ist geschehen?! –  Eine Meldung in der Tagespresse gibt Aufschluss:
„Am 19. Mai d.J. waren Arbeiter der Gemeinde Stall mit Kultivierungsarbeiten für den Badebereich am Gössnitz-See beschäftigt. Gegen 16.00 Uhr hörten sie ein lautes Plantschen im Wasser, so als wäre jemand hineingefallen. Als sie Nachschau hielten, trauten sie ihren Augen nicht. Eine riesige Forelle attackierte die dort schwimmende Badeinsel und krachte dabei mehrmals an die Kunststoffbohlen. Schwer benommen unterbrach sie ihre Angriffe, um dann wenig später noch einmal eine Attacke zu starten. Dieser letzte Angriff war für sie von so schweren Folgen, dass sie ihn nicht mehr überlebte. Georg Fercher, der Bauhofleiter der Gemeinde Stall holte dieses Prachtexemplar dann schließlich mit einem Boot an Land. Es handelt sich dabei um eine Seeforelle mit einer Länge von 99 cm und einem Gewicht von 18 kg !“ 
Wenige Tage nach meiner Ankunft trifft der präparierte Fisch im Gemeindeamt ein. Kopfschüttelnd betrachten wir die gewaltigen Ausmaße. Rumpfhöhe: 29 cm, Bauchumfang:76 cm! Aber handelt es sich wirklich – wie gemeldet - um eine Seeforelle? Aussehen, Größe und Gewicht sprechen dafür, ebenso einige X-förmige schwarze Flecken. Die deutlichen roten Punkte wollen dagegen eindeutig auf eine Bachforelle hinweisen.  Die Wahrscheinlichkeit einer Kreuzung beider scheint gegeben. 
Wie dem auch sei – ein unwahrscheinliches Monstrum! 
„Das ist kein Einzelfall!“, berichten einheimische Sportfischer angesichts dieses  wahrhaft monströsen Fisches. „Schon öfter haben wir lange dunkle Schatten in der Seemitte ziehen sehen!“ Fänge stattlicher, 5 – 8 kg schwerer Exemplare in den vergangenen Jahren bestätigen ihre Aussagen. 
***
Aber auch „ganz Große“ – wenn auch vielleicht nicht wirklich so mächtige wie das verendete Monster – waren  gelegentlich schon am Haken.
Nun hält es mich nicht mehr bei Berichten und Bildern. Ich muss hinaus zum „Tatort“, hin zu jenem unscheinbaren See, den ich im Vorbeifahren schon so oft im wahrsten Sinne des Wortes „links liegengelassen“ habe. Und wie immer liegt er zwar idyllisch aber doch eigentlich völlig unspektakulär vor mir. Nur das Wissen um die heimlichen Riesen in seinen Tiefen lässt ihn mich jetzt mit anderen Augen sehen. 
War es Zufall? War es Vorahnung? – In meinem diesjährigen Reisegepäck befindet sich neben den üblichen 4er – 6er Gerten auch eine stabilere 8er Rute mit entsprechendem Schnur- und Rollenzubehör, sowie – eine aus Rehhaar gebundene Maus!
Schuld daran ist das Kapitel „Mouse on Water“ in dem äußerst spannenden, aufschlussreichen und mit viel Gewinn und Genuss zu lesenden Buch „Fly Fishing Canada“. George Gruenefeld schreibt da (im Versuch einer Übersetzung):
„In den letzten Augenblicken der Dämmerung, in dieser noch verbleibenden Zeit, da die letzten Tagräuber ihre Unterstände aufsuchen und die ersten Nachträuber sich zum Ausrücken aufmachen, nimmt die Oberfläche des Wassers die Farbe geschmolzenen Bleis an. Es ist der verheißungsvolle Moment eines Burgfriedens oder Waffenstillstandes, ein Zwischenspiel, in welchem der Friede des Augenblicks einem glauben machen will, dass nie ein Leid die Geschöpfe der Erde befallen könne. 
In der Ecke einer kleinen Bucht ragt eine umgestürzte Rottanne weit über den Wasserspiegel hinaus. 
Durch das sich vertiefende Grau der Dämmerung in ihrem Wagemut bestärkt, hat sich eine Maus darauf weit hinausgewagt. Als sie sich wieder umwendet, um zum sicheren Schutz des festen Waldbodens zurückzueilen, schätzt sie ihren Lauf falsch ein und fällt mit einem Lilliput-Platscher auf die Oberfläche des Wassers. Momentan verwirrt, schwimmt die Kreatur vom Ufer weg. Dann, als sie ihren Irrtum bemerkt, steuert sie mit Macht dem Ufer zu. Ihre eifrigen Bemühungen erzeugen ein kleines V, das sich quer über die Oberfläche der Bucht ausbreitet. 
Fast hat sie den Ufersaum erreicht, als plötzlich ein gedämpftes Klatschen die Stille durchbricht, und, als das Gekräusel der Wellen verebbt, ist die Maus verschwunden und  der ihm innewohnende Friede des späten Abends wieder hergestellt. 
Mutter Natur geht schnell über das Drama von Leben und Tod hinweg.
Die Wasserfläche der Bucht ist wieder glatt und von der Farbe geschmolzenen Bleis.“
„Sollte“, so dachte ich beim Lesen und Überdenken jener kleinen Szene, „das der Schlüssel zum Fang großer Salmoniden in Seen wie z.B. dem Möll-Stausee in der Gössnitz sein?! Warum es nicht einmal mit entsprechender Ausrüstung und Taktik versuchen?!“ Natürlich kämen dafür nur die kurzen Dämmerungsstunden am Abend und am Morgen in Frage, in denen jene Räuber am Ufer entlang patrouillieren, um ihre Nahrungspalette durch ins Wasser gefallene Jungvögel oder unvorsichtig gewordene Kleinsäuger zu erweitern. Warum also nicht versuchen, einer Rehhaarmaus etwa ängstliches Leben einzuhauchen und sie mit den Bewegungen am Ufer entlang zu führen, die ein reales Tier in solcher Situation an den Tag legen würde?! Vielleicht würde es ja klappen! Es käme auf den Versuch an!“
Trotz dieses überaus reizvollen Gedankens nehme ich aber vorerst Abstand von seiner Ausführung. Die Fliegenfischerabstinenz war zu lang, so dass zunächst erst einmal der normale Fischhunger gestillt werden muss. Es gelingt mit Bravour. Besonders in den späten Abendstunden nach der Tageshitze beißen im Fluss vor allem auf die favorisierte 18 er MP 81 kampfstarke Regenbogenforellen, darunter ein Exemplar von 40 cm und 1 kg Gewicht, wunderschön in schwarz-rot-gold gezeichnete Bachforellen bis 34 cm und natürlich Äschen in großer Zahl, angefangen von der unvermeidlichen Kinderstube bis hin zu stattlichen Exemplaren an die 40 cm Grenze.
Ein Abstecher zum über 2000m hoch gelegenen Tröger See bringt – ebenfalls  mit der kleinen Trockenen – wieder recht  ansehnliche Saiblinge.
Doch – so schön, abwechslungsreich und befriedigend all diese Fischerei auch ist, im Kopf ist dennoch stets der Gedanke an die Großen im See. Ein paar Mal probiere ich es auf sie, - natürlich bleibt der gewünschten Erfolg aus! Und doch sind Reiz und Spannung groß, denn es könnte ja ...!
Und so bleibt jedem, der hier die Fliegenrute schwingt, die Qual der Wahl: soll ich im Fluss auf die gewohnte Schuppenbeute ausgehen oder es mit dem großen Wagnis im See versuchen, tausche ich den fast sicheren Fangerfolg ein gegen das ungewisse Giganten-Abenteuer, nehme ich die kleine Mini-Fliege oder die buschige Kunstmaus, fische ich mit David oder Goliath?
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