Ein Reisebericht von Clemens Ratschan
Von Norwegen nach Schwedisch-Lappland
Teil 2: Seen-Rallye und Äschenparadiese
Die geflügelten Plagegeister des Nordens haben uns bisher recht wenig belästigt, wohl aufgrund des nasskalten, meist windigen Wetters. Als wir am Abend am mickrigen, sumpfigen Ausrinn des Sitasjaure (es handelt sich ja um eine Restwasserstrecke) Lager machen, legt sich der Wind, und eine seltsam schwül-warme Luft schiebt sich über die Landschaft. Das wirkt auf die Stech- und Kriebelmücken wie Ecstasy, als würde ein Schalter umgelegt fallen sie so zahlreich und aggressiv über uns her, wie ich es noch nie erlebt habe. Sie dringen unter der Kleidung, an den Ärmeln, in die Nasen- und Ohrenöffnungen, sprich überall ein, wo eine Blutmahlzeit lockt. Das „Verkehrsaufkommen“ der Mücken bleibt auch die kommenden Tage noch hoch, wenn auch nicht gar so extrem wie am Anfang dieser „Beißzeit“.
Stimmungs- und Insektenreicher Abend bei Sitasjaure
Steinige Restwasserstrecke
Restwasserstrecke – das muss ursprünglich ein gewaltiger Wasserfall gewesen sein!
Nach einer mühsamen, durch ständiges Umtragen geprägten Bewältigung der steinigen Restwasserstrecke erreichen wir den Autasjaure, einen mittelgroßen See mit unzähligen Inseln, und müssen erkennen, dass starker Wind aus der falschen Richtung hohe Wellenberge aufwirft. Ein herber Rückschlag, denn nun heißt es erneut die schweren Rucksäcke schultern. Wir entscheiden uns, auch dem abflussschwachen Ausrinn aus dem Weg zu gehen und querfeldein gleich direkt zum nachfolgenden See namens Suorggejaure zu marschieren.
Haushoher Findling am Autasjaure
Landschaft am Autasjaure
Marsch vom Autas- zum Suorggejaure
Suorggejaure
Dort machen wir nach drei Stunden Marsch Lager und befischen den Einrinn mit der Fliege. Wir erleben hier eine traumhafte Fischerei auf große Bachforellen, die sich ungeniert mit Sprüngen auf Rehhaarfliegen stürzen. In voluminösen Kolken stehen kleine Saiblinge und steigen fleißig nach kleinen Mücken. Auf dem Weg zum Bach locken unzählige Moltebeeren, die jetzt Ende August genau den richtigen Reifegrad für den Verzehr aufweisen. 
Traumforelle aus dem Zufluss
Wunderschönes Punktmuster
Geniale Trockenfischerei
Moltebeere
Saiblinge
Vorfreude aufs Abendessen
Bachforelle mit kleiner Trockenfliege
Morgenstimmung
Unsere Fischereilizenz umfasst fast das ganze, mit einer Fläche wie die Steiermark (über 16.000 km2) riesige Gemeindegebiet von Gällivare. Beim in Fliegenfischerkreisen bekannten „Suorggejohka“ [johka heißt auf samisch Fluss], dem Ausrinn des Sees, handelt es sich hingegen um ein quotiertes Gewässer, d.h. es gibt nur eine limitierte Anzahl von Lizenzen, die verlost werden. Direkt am Ausrinn können wir uns nicht zurückhalten und starten noch ein paar Versuche mit Trockenfliegen – tatsächlich ist hier ein erstaunlich guter Bestand an Bachforellen und Saiblingen vorhanden. Dann werden die Ruten weggepackt und wir machen uns daran, die wunderschöne Strecke durch das „Suorggevagge“ zurückzulegen [vagge: Samisch für Tal].

Das steinige Gewässer ist auch mit den kleinen Packrafts schwer befahrbar, immer wieder gilt es aussteigen, ziehen und umtragen. Auch wenn man in der fantastischen Naturarena hier im Stora Sjöfallets Nationalpark ansonsten nichts davon merkt, es handelt sich ja immer noch um eine Restwasserstrecke. Der Abfluss des Sitasjaure und damit des überwiegenden Großteils des Einzugsgebiets wird zum Ritsem-Kraftwerk abgeleitet, heutzutage gibt es daher hier nur mehr wenige „Stora Sjöfallets“ (schwedisch für „große Seefälle“). Ursprünglich muss ein beeindruckender, mächtiger Fluss durch das Tal gebraust sein. Immer wieder blinzelt die Sonne durch die Wolken und es entstehen fantastische Lichtstimmungen und Regenbögen. Der Teil ab der Mündung eines leider trüben Gletscherbachs bringt viel Wasser und ist gut befahrbar – hier kommt fast schon „Alaska-Stimmung“ auf. Am Abend erreichen wir den Teusajaure – einen wiederum fjordhaft großen, steil eingefassten See.

Katarakt im Suorggevagge
Regenbogen im Suorggevagge
Auf dem Teusajaure
Hier werden wir eine längere Portage brauchen, um vom Einzugsgebiet des Luleälven hinüber ins System des Kaitum-Flusses zu wechseln. Dazu dient ein Abschnitt des bekannten „Kungsledens“ (Königswegs), der von der Teusa- zur Kaitumhütte führt. Wir schneiden die Strecke zuerst auf dem teils sumpfigen Winterweg ab. Als wir den Sommerweg erreichen folgt ein gewisser „Kulturschock“: obwohl die Hauptsaison längst vorbei ist, begegnen wir jede viertel- bis halbe Stunde Weitwanderern unterschiedlicher Nationalität. Den „Trubel“ nehmen wir gerne in Kauf, denn die 10 km lange Marschstrecke ist auf dem ausgetretenen Weg mit dem bereits wesentlich leichteren Rucksack zügig zurückzulegen. Am oberen Kaitum-Wildbach angekommen, blasen wir die Boote optimistischer weise etwas zu früh auf und müssen noch eine Kette von Wasserfällen umtragen, bis wir den See-Einrinn erreichen. Ein freudiger Moment, denn auf den restlichen 90 km steht uns zumindest theoretisch (bei günstigen Winden) ein durchgehender Wasserweg ohne anstrengende Portagen offen, der zuerst über den Oberen, Mittleren und Unteren Kaitumsee schließlich zum Kaitumfluss führt.
Anstieg vom Teusajaure zum Kungsleden
Auf dem Kungsleden-Winterweg
Ganz nebenbei fange ich hier eine der größten Äschen der Tour – sie misst genau 50 cm. Ärgerlicherweise kann ich kein Foto von dem Brummer machen, weil die Kamera am Suorggejohka für einen Sekundenbruchteil ins Wasser gefallen ist und jetzt nicht mehr mit mir kommunizieren will. Es ist zum Aus der Haut fahren, von dieser Etappe gibt’s nur ein paar miese GoPro-Fotos. Ich nehme die Kamera zwei Nächte mit in den Schlafsack, was sich zum Trocknen muffiger Socken bewährt hat (mmm!), aber offensichtlich auch zum entfeuchten von elektronischen Geräten funktioniert – am nächsten Morgen läuft das gute Stück wieder.
Wildbach Kaitumjakka
Packsegeln auf dem Oberen Kaitumsee
Der Obere Kaitum-See sieht uns nicht lange. Es weht ein konstant starker Rückenwind, den wir zum Segeln ausnutzen. Zu lange waren die „Packsails“ nur ein sperriger Gegenstand, der das Stopfen des Rucksacks behinderte, aber jetzt sind wir froh, sie dabei zu haben. Es bedarf einiger Überwindung, das Segel bei so starkem Wind aufzuklappen, umso schöner das Gefühl, wenn es sich aufbläht und das Packraft zu bisher unerreichten Geschwindigkeiten beschleunigt. Die beiderseits steil aufragenden Ufer kanalisieren den Wind und ziehen zügig an uns vorbei. Es bedarf ständiger Konzentration, die drehfreudigen, flachen Schlauchboote mit dem Paddel zu steuern, und nebenbei nach Wildtieren Ausschau zu halten. Trotz des perfekt einsehbaren Geländes mit vereinzelt stehenden Bäumen ist leider kein Vierbeiner zu entdecken.

Nicht nur der Wind schaukelt sich während der hurtigen Seglerei immer weiter auf, nein, auch ein innerer Konflikt: Wie sehr hatte ich mich darauf gefreut, den Oberen Kaitumsee intensiv zu befischen. Ganz im Gegensatz zu den Gewässerabschnitten weiter stromab findet man kaum Informationen zur Fischerei hier oben, es dürfte aber große Forellen geben und wäre auch interessant, ob noch Saiblinge zugegen sind. Und nun fegen wir über dieses Traumgewässer hinweg, lassen Bachmündungen, Felsvorsprünge, Buchten und andere Fischplätze unbeackert hinter uns. Doch andererseits gilt es den starken Rückenwind (Fliegenfischen wäre jetzt sowieso nicht möglich) auszunutzen, denn wer weiß, vielleicht dreht er wie so oft bald wieder?

Der Mittlere Kaitumsee ist vom Oberen nur durch eine Enge ohne Fließstrecke getrennt. Wir machen am Abend in einer Bucht Lager, wo eine herrliche Samenkote aus Torf am Ufer steht. Der Blick zurück auf die Berge ist atemberaubend schön. Am Morgen herrscht völlige Flaute, im glatten See spiegelt sich eine grandiose Silhouette.

Morgendliche Flaute mit Spiegelung auf dem Mittleren Kaitumsee
Als wir lospaddeln baut sich aber wieder Wind auf, diesmal aus der Gegenrichtung. Rückblickend war’s also eine sehr gute Idee, den engen See am Vortrag ohne Unterbrechung durchgesegelt zu sein. Noch ist mit kräftigen Paddelschlägen ein Vorwärtskommen im Schneckentempo möglich, in einer Bucht sogar das Fliegenfischen. Die steigenden Fische entpuppen sich als teils starke Äschen. Am Nachmittag müssen wir leider aufgeben, der Wind wird zu stark, sodass wir widerwillig noch einmal unsere quälenden Rucksäcke schnüren und einen Weg über Land suchen. Zuerst erwarten uns äußerst unangenehmer Sumpf und Zwergbirkengestrüppe. Wir schwenken weiter Richtung Hang und finden dort gutes Marschiergelände in einem schönen, lichten Birkenwald. Nach vielleicht 2 Stunden erreichen wir einen schmalen Seen-Ausläufer, der mit der so genannten Tirtjam-Schnelle in Verbindung steht.
Herrliche morgendliche Fischerei-Session
Starke Seen-Äsche

Landschaft am Mittleren Kaitumsee
Mittagspause auf Kiesstrand
Wollgras
Marschetappe wegen Gegenwind
Endlich wieder Umstieg auf den Wasserweg
Tjirtjam-Schnelle
Diese liegt zwischen dem Mittleren und dem Unteren Kaitumsee, es handelt sich um eine bekannte und berühmte Fischereistelle. Noch vor wenigen Jahrzehnten gab es dort angeblich Saiblinge in großer Zahl, mittlerweile hat sie sich im Wesentlichen zu einem Äschenparadies gewandelt. Wohl hängt diese Veränderung mit dem Klimawandel zusammen, der im Norden stark in Erscheinung tritt und sich bei Seen bzw. Seeausrinnen besonders intensiv auswirken kann. Äschen sind in Lappland bei geeigneten Bedingungen so konkurrenzstark, dass andere Fischarten eher ins Hintertreffen geraten. Das war ursprünglich in heimatlichen Gewässern ja auch so ähnlich, leider scheitert es heute halt an den „geeigneten Bedingungen“.

Wir können beim Heranpaddeln schon aus einiger Entfernung erkennen, dass in der Stromschnelle ein intensiver Abendsprung im Gang ist. Ausnahmsweise wird also nicht zuerst das Zelt aufgestellt und Feuerholz gesucht, sondern zuerst die Fliegenrute zusammengebaut. Offensichtlich sind die Kolke und Strömungstaschen in den Schnellen gerammelt voller Äschen – eine nach der anderen nimmt die Klinkhamer Trockenfliege. Hier fällt die Fischerei fast zu leicht! Am Auslauf der Schnelle steigen regelmäßig Fische in einer anderen Variante, es entstehen dabei kleine Spritzer. Vermutlich handelt es sich um Renken. Zu gerne hätte ich auch eine solche gefangen, scheitere aber an den vorsichtigen Tieren. Schon ist die Zeit abgelaufen, Lagerbau und Kochen sind angesagt, denn Ende August wird es Tag für Tag früher finster.

Abend in der Tjirtjam-Schnelle
Einer von unzähligen Äschenfängen
Herstellung von Backfisch
Eigentlich hätten wir gerne noch einen Tag hier verbracht, aber wie so oft auf dieser Reise wird das Tempo vom Wetter vorgegeben. Der günstige Wind aus den Bergen bietet am nächsten Tag genau die richtigen Bedingungen, um den Unteren Kaitumsee zu durchqueren. Wieder Marsch am Ufer wäre angesichts der schwierigen Bedingungen und der großen Distanz keine vernünftige Option, und bis zur nächsten Fließstrecke gilt es 15 km zurückzulegen.

Um dabei nichts Wesentliches zu versäumen entschließe ich mich, einen großen Blinker nachzuschleppen – der Untere Kaitumsee ist bekannt für Hechte mit krokodilartigen Ausmaßen. Die Koordination von segeln, steuern und schleppen gestaltet sich wiederum als herausfordernd, es zahlt sich aber aus, denn schon bald rappelt es an der Rute und ein harter Drill beginnt. Hecht? Ich bin sehr überrascht als ich den Kämpfer endlich am Boot habe – nein es handelt sich um eine starke Seeforelle, die sich nicht gescheut hat, den unverhältnismäßig großen Blinker zu attackieren. Wunderschön messingfarben mit großen schwarzen Flecken – ein wahres Prachtexemplar! Auch Jakob wechselt auf einen ähnlichen Köder und wir fangen noch eine Reihe Seeforellen meist um oder knapp über 50 cm. Neben der Schönheit dieser Fische freut besonders, dass wir zufällig draufgekommen sind, dass man sie beim Schleppen mitten auf dem See fangen kann. Wie schwierig ist im Vergleich der Fang von Seeforellen in den heimischen Voralpenseen, die im Sommer in der Tiefe jagen!

Kaitumsee unterhalb der Tirtjam-Schnelle
Packsailing

Herrliche Seeforelle
Packsailing auf dem Unteren Kaitumsee
Erschleppte Äsche
„Mise en Place“ für den täglichen Backfisch
Das Segeln gelingt Großteils gut und wird nur manchmal durch kurze Flauten mühsam. Als wir uns dem flacheren Seenstück vor dem Ausrinn nähern, stürzen sich sogar zwei Äschen auf den Hechtblinker und bleiben hängen. Schon verrückt, wer würde mit so etwas rechnen? Wir passieren das bekannte Fischercamp „Tjuonajakk“, wo offensichtlich nicht mehr viel los ist, und wollen gleich noch weiter bis zur ersten Kaitum-Schnelle fahren.

Wir finden dort genau die Stelle, wo ich im Jahr 1997, also als junger Student vor 23 Jahren, mein Lager aufgeschlagen hatte. Damals war ich zu Fuß über die Hügel bis hierher marschiert. Ich wurde schon gefragt, ob über diesen langen Zeitraum eine Veränderung der Fischerei festzustellen ist. Nun, damals in den 90ern war ich ein mieser Fliegenfischer und verbrachte viel Zeit am Kaitum. Diesmal ist‘s genau umgekehrt, darum kann ich keine fundierten Beobachtungen dazu teilen. Fest steht, dass nach wie vor ein phänomenaler Äschenbestand vorhanden ist. Leider findet man aber bei jeder zweiten Äsche, insbesondere bei den größeren Exemplaren, ein ausgefranstes Maul, was uns schon oben an der Tjirtjam - Schnelle aufgefallen ist. Der Befischungsdruck ist offenbar wesentlich gestiegen, wofür wohl auch der mittlerweile populäre weil durchaus bezahlbare Luxus verantwortlich sein dürfte, sich zum Fischen mittels Kleinhelikopter an schwer zugängliche Stellen im Fjäll ausfliegen zu lassen. Das sieht der puristische Abenteurer selbstverständlich kritisch, aber wer weiß, wahrscheinlich fallen wir in weiteren 23 Jahren auch nicht mehr in diese Kategorie.

Eine von vielen Äschen mit verletztem Maul
Nach der außerirdisch guten Äschenfischerei im Oberlauf besteht kein allzu hohes Bedürfnis, auch hier noch länger den Fahnenträgern nachzustellen, lieber nutze ich die Abenddämmerung um es auf eine große Forelle zu versuchen. Angeblich stehen die hier mitten in der Strömung, und müssen mit rasch geführten Streamern zum Anbiss gereizt werden. Ich montiere eine „sink tip“ Leine und einen schwarzen „woolly bugger“, um die ganze Schnelle damit abzuklopfen. Quer über die starke Strömung werfen, zum Ufer schwingen lassen, heranzupfen, Richtungswechsel mit „double spey“ und wieder nichts wie raus. Zuerst ohne Erfolg, vermutlich haben die Forellen in diesen doch intensiv durch Camp-Gäste befischten Gefilden schon ihre Lektionen gelernt. Erst am Unterende knallt’s, dafür aber ordentlich: Mitten in der Strömung wirft sich eine Forelle auf das vermeintlich flüchtende Fischchen und vollführt einen heißen Tanz. Besonders freut mich, von dem Prachtexemplar mit Laichhaken Fotos im Gegenlicht eines sehenswerten Sonnenuntergangs machen zu können. Es liegt – wie eine ganze Reihe der Forellenfänge auf dieser Reise – mit 52 cm wieder knapp über der magischen Halbmetergrenze. Was doch sehr erfreulich ist, wenngleich wir diesmal keine richtig kapitale Forelle überlisten können und auch an den Meerforellen gescheitert sind. Ein guter Grund wiederzukehren!
Regenbogen zur Einstimmung für eine bemerkenswerte abendliche Fischerei-Session...

Zuerst wird noch trocken auf Äschen gefischt
Nach Sonnenuntergang werden die Räuber aktiv
Gestreamerte Großforelle ...

Aie Kaitum-Strecke ab dem See-Ausrinn besteht aus kurzen Schnellen mit rascher Strömung, und dazwischen liegen so genannte „Sele“, also Seen-artige Aufweitungen mit keiner merklichen Strömung, die wir teils paddelnd, teils segelnd zurücklegen. Nach einer halben Tagesetappe erreichen wir die ersten Katarakte. Der bereits sehr große Kaitumfluss stürzt in weiterer Folge über mehrere solcher Steilstücke, die von Menschen mit Selbsterhaltungstrieb teils als überhaupt nicht befahrbar, teils in der Wildwasser-Kategorie IV einzuordnen sind. Dazwischen findet sich leichteres Wildwasser, das mit der gebotenen Vorsicht ein rasches Fortkommen bietet. Mit offenen Packrafts, also solchen ohne Spritzdecke, kann man gut Wildwasser bis zur Kategorie II befahren. Erfahrene Paddler können sich noch in die Kategorie III vorwagen, in IVer Wildwasser haben sie damit aber nichts verloren. Wir wissen das eigentlich.
Zur Abwechslung mal ein Hechterl
Schöner Kochplatz fürs Mittagessen
Unfahrbarer Katarakt
Wieder mal umtragen
4er Stelle, die wir randlich rechts befahren konnten
Nach dem Umtragen eines weiteren wuchtigen Katarakts der Kategorie IV erscheint uns der anschließende Flusslauf als machbar. Ich fahre vor, quere zum besser einsichtigen linken Ufer und finde dort eine „chicken line“ (Jargon für einen möglichst leichte Linie durch Wildwasser), die den wider Erwarten auftauchenden Wirbeln und kräftigen Walzen ausweicht. Als ich mich umdrehe sehe ich, dass Jakobs Boot quer in einer Walze steht. Wohl ist er weiter flussmittig gefahren und hat jetzt kaum eine Chance, sich aus den Klauen dieser Walze zu befreien. Panisch muss ich wie gebannt mit ansehen, wie das unvermeidliche geschieht - er kentert und versinkt in der tosenden, luftdurchsetzten Rückströmung. Nur manchmal taucht sein Kopf noch auf oder wild um sich schlagende, vordere und hintere Extremitäten. Ein grausiges Gefühl zu wissen, nichts für den Armen tun zu können, während entsetzliche Bilder von den Konsequenzen eines Unfalls durch das Hirn schießen.

Gefühlt Minuten später kann sich Jakob endlich aus der tödlichen Falle lösen und wird ausgespuckt. Erst jetzt verfolge ich das zwischenzeitlich abgetriebene, umgedrehte Boot samt angebundenem Rucksack, fasse die Leine und schleppe das schwere Gespann ans Ufer. Hektisch laufe ich stromauf, innigst hoffend, meinen Freund unverletzt am Ufer vorzufinden.

Tatsächlich, Jakob kommt mir entgegen, und sogar mit dem lebensnotwendigen Paddel. Er hatte Todesängste durchzustehen und die Zeit unter Wasser war ihm unendlich lang vorgekommen. Das Paddel hatte er beim Kentern verloren, konnte es aber wieder greifen, während er Wasser schluckend in alle Richtungen gewirbelt wurde, wobei seine Brille abhanden kam. Obwohl er nicht mehr wusste wo oben und unten ist, riss er den eisernen Überlebenswillen zusammen, stieß sich mit dem Paddel vom Grund ab und konnte so der Walze entrinnen, was ihm das Leben rettete. Nachlässigkeit führt zu so bedrohlichen Situationen, wir hätten die von oben unauffällige Stelle im vierten Schwierigkeitsgrad unbedingt vorher besichtigen müssen!

Diese Walze hätten wir uns besser vor der Befahrung gut ansehen sollen, nicht nachher...
Sie sieht nicht allzu wild aus, wäre Jakob aber fast zum Verhängnis geworden
Weites Land gegen Ende unserer Tour
Seen-Artiger Abschnitt des Kaitum
„Kilometerfressen“
Ankunft bei der Bahnbrücke
Nach diesem schockierenden Erlebnis gilt es sich am Feuer zu wärmen und sich wieder zu fassen. Humor hilft in solchen Situationen sehr, am Abend können wir schon wieder über unsere Dummheit lachen und uns freuen, dass schon fast am Ende dieser Reise nichts Schlimmes passiert ist. Dennoch ist die Luft irgendwie raus, die Gedanken kreisen mehr und mehr um unsere lieben kleinen und großen Mädchen zuhause, und ob die Rückreise nach Österreich durch die Corona-Krise nicht allzu mühsam wird. So paddeln wir den folgenden Tag ohne Pausen zum Fischen durch und erreichen am späten Nachmittag die Eisenbahnbrücke über den Kaitum am gleichnamigen Ort. Am nächsten Morgen um 6 Uhr Früh werden wir hier in den Zug steigen und schon zwei Tage später wohlbehalten Zuhause ankommen. 

Rückblickend war das wieder ein fisch- und erlebnisreiches, äußerst vielfältiges Abenteuer, wie schön, dass so eine Unternehmung auch in Europa möglich ist!
 

Das Ende unserer Tour
„Bahnhof“ Kaitum


Teil 1: "Fjordfischerei und Aufstieg zu den Saiblingen" - dieses spannenden Reiseabenteuers finden Sie hier:



Ein Reisebericht in zwei Teilen von Clemens Ratschan für www.fliegenfischer-forum.de - Februar/März 2021. Das unerlaubte Kopieren und Verbreiten von Text- und Bildmaterial aus diesem Bericht ist verboten.
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