Schwedisch Lappland: der Sommer 2014 im Fjäll
Ein Reisebericht von Hans Metzler | Fotos: Hans Metzler und Robert Bosch
Kleiner Zufluss des Kaitum
Sommer in Lappland 
Neuland für mich. Viele Reisen führten mich mit meiner Familie in den Norden oder soweit in den Süden, wo es wieder kälter wird und die Pinguine wohnen. Aber noch nie waren wir in diesem Teil der Welt. In diesem Jahr ist es endlich soweit. Robert, mein Rotach-Fischer Freund und ich haben eine zweiwöchige Tour in Lappland geplant. Fliegenfischen. Äschen und Bachforellen. Rund um die Uhr. Ein weiteres Ziel ist es, einige der Saiblingseen zu erwandern, um dort meinen Lieblingsfisch zu finden. Carsten Dogs von Pukka Destinations hat uns mit Vorschlägen beraten und uns schlussendlich die Heli-Flüge ab Kiruna und das Bootsmaterial organisiert. Zudem werden wir am Flughafen abgeholt und genießen die letzte Nacht nach der Tour mit Sauna, Bett, Dusche und anderen Annehmlichkeiten, die man während der Zeit im Fjäll nicht vermisst hat.

Wir haben die oberste Kaitumregion gewählt. Berge, Seen, Zuflüsse des Kaitum, sowie den oberen Abschnitt dieses mächtigen Flusses sind unsere Spielwiese während zwei Wochen. Um es vorwegzunehmen: Es war eine gelungene Reise, die Lust auf mehr geweckt hat. Carsten hat uns die Tür nach Lappland weit aufgemacht – vielen Dank!

Meine Skepsis ist schnell verflogen, als wir vom Helikopter aus das wunderschöne Tal des Tjäkjajakka Flusses bestaunen: Wasserfälle, Fjäll vom Feinsten und dann die Landung an der Mündung des Tjäkjajakka in den Padje Kaitumjaure. Wir sind alleine hier in dieser magischen Landschaft. Auch in den kommenden Tagen werden wir meistens keine Menschen sehen, nur ab und zu eine andere Gruppe Gleichgesinnte. Lappland bietet so viele Möglichkeiten, dass man nicht befürchten muss, viele Menschen oder gar große Gruppen anzutreffen. Diese Landschaft braucht Stille. So mag ich es. Auch Robert ist überwältigt von den ersten Eindrücken, schon bald brennt das erste Lagerfeuer unter der nordischen Abendsonne. Ich fange am ersten Abend einen kapitalen Saibling im Schneewasser, nebst zwei kleinen werden es die einzigen bleiben. Die nächsten 11 Tage wird uns die Sonne fast rund um die Uhr begleiten, es ist warm, zu warm. Je nach Standort wird es morgen um 4 Uhr bereits warm im Zelt. Auch die Gewässer, selbst die großen Seen, sind aufgewärmt. Das Wasser ist 20 Grad warm, erfahren wir später. Erst die letzten drei Tage bringen etwas Regen, aber kaum Abkühlung.

Tjäkjajakka
Camp Lappland
Wir bauen am nächsten Tag unser Boot auf. Ich bin gespannt, wie und ob wir unser Material vernünftig packen können. Während ich die spartanische Seite propagiere, hat Robert gestern den Einkaufswagen in Kiruna schon fast gefüllt, bevor ich im Supermarkt die zuhause ausgearbeitete Einkaufsliste einmal durchgelesen habe. Das Lustprinzip ist der Feind der Planung. Am Ende ist der Wagen voll, ich habe planerisch resigniert und wir werden nicht verhungern. Robert kocht ebenfalls gerne und unsere verschiedenen Strategien  vertragen sich ganz gut. Nur, was ein Drittel einer Packung ist, das weiß nur ich… Zurück zum Beladen des Boots: Wir können unser Material verstauen, der Frachter hält einiges aus. Uff!
Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Robert hat in seinem großen Packsack noch diverse Schmankerl aus dem Vorarlberg versteckt, so dass wir nicht nur nicht verhungern, sondern unsere Menüs fast beliebig ausbauen oder abrunden können. Ist ja auch nicht so schlecht ;-)
Als ehemaliger Wildwasser Kajakfahrer tue ich mich schwer, unser Boot als Kanu oder Kajak zu bezeichnen. Da bin ich wohl zu puristisch. Es ist weder das eine noch das andere, ich nenne es die ganze Zeit einfach «s Boot».  Es ist nicht gerade das, was man stromlinienförmig nennen kann. Stabil, zuverlässig, sicher und gut zu beladen — das sind die wichtigsten Eigenschaften unseres Boots (Gumotex Orinoco). Monika würde es als Freiberger bezeichnen (Schweizer Pferderasse mit identischen Eigenschaften).
Unser vollgepacktes Boot
Fjäll ganz nah...
Die ersten Tage sind landschaftlich die schönsten. Die Berge sind nah, die steilen Ufer vermitteln den Eindruck, man paddle in einem Fjord. Die Fischerei ist in diesem Abschnitt nicht sehr spannend, was sicher auch mit den hohen Temperaturen zusammenhängt. Bereits im nächsten Camp befischen wir einen Bach, in dem unsere Fliegenruten Arbeit kriegen. Die vielen Bachforellen stürzen sich auf unsere Nymphen und Roberts roter Besen (eine Kreation von Reinhart, die schwimmt und schwimmt, ist hart im Nehmen) ist trocken erfolgreich. Kapitale Fische gibt es hier nicht, die wenigen größeren Fische sind sehr schlank. Dafür locken Pools und Wasserfälle, so dass wir viele Stunden mit ‚Indianerfischen‘ verbringen. Im gleichen Gebiet sind einige Seen, die bei den trockenen Verhältnissen gut erreicht werden können. Den ersten dieser Seen erreichen wir nach einer etwa 2 ½ stündigen Wanderung. Der See ist aber in diesem Jahr viel zu warm. Wir treffen eine Gruppe Schweden, die fünf Tage am See campt und von hier aus auch die benachbarten Seen befischt. Sie fischen selbst in den Nachtstunden (zwischen 23 und 2 Uhr ist es zwar nicht dämmrig, aber immerhin nicht sonnig) ohne großen Erfolg. Obwohl es im See sehr stattliche Bachforellen hat, ist nicht viel los. Wir baden ausgiebig im warmen spiegelglatten See und vergnügen uns den Rest des Tages im Bach. Weitere Seen, die deutlich höher in den Bergen liegen, sind für eine Tagestour zu weit weg — schade.
Ein paar Tage später, die Fischerei wird immer etwas besser, paddeln wir durch die Wellen der bekannten Enge zwischen den beiden Seen Kaska und Vuolep Kaitumjaure. Diese Verengung ist die einzige nennenswerte Schwierigkeit in den oberen Bereichen, kann jedoch ohne Probleme gepaddelt werden. Wir campen hier, am anderen Flussufer campen zwei ältere Herren. Die beiden Schweden genießen hier die Fischerei und die Ruhe — Respekt. An den Büschen am Flussufer hat es Millionen schwarzer kleiner Insekten, die nicht stechen! Sie sorgen dafür, dass die Äschen nonstop am Dauerschlürfen sind. An einigen Stellen wähnt man sich in einem Fischteich zur Fütterungszeit. Wir fischen hier zwei Tage, kaum eine der Äschen hat weniger als 45 cm, einige sind über 50 cm groß. Es ist fast unglaublich und wir sind überwältigt. Nach einigen Stunden haben wir die Wunderwaffen gefunden: Die olivegrüne 12er Nymphe ist zuverlässig, winzige Nymphen sind jedoch meist noch besser. Bei den kleinsten Nymphen scheinen die Farben unwichtig zu sein, die Größe und Form scheinen zu stimmen. Wir staunen, dass die stattlichen Fische diese winzigen Nymphen nehmen. Je nach Lichtverhältnissen können wir auch mit Trockenfliegen (Klinkhammer und andere, schwarze Muster) die kapitalen Äschen überlisten. Im Tagesverlauf hat es auch Zeiten, in denen es harziger läuft, gefolgt von Sternstunden — einfach perfekt. Für das Zurücksetzen der Fische lassen wir uns genügend Zeit, das warme Wasser setzt den Tieren zu. Abends wissen wir nicht, wie viele Fische wir gefangen haben. Der Reichtum an Fischen verleitet uns auch, verschiedene Muster und vermeintlich wenig attraktive Stellen auszuprobieren,  ein Luxus, den wir uns hier gerne leisten.  Wir sind uns mit einem breiten Grinsen einig: Falls die Fischerei in den nächsten Tagen schlechter werden sollte: Wir haben es hier perfekt erlebt.
Kaitum Beauty
Auf dem Weg zu den Saiblingsseen
Tjäkjajakka
Kaitum Forelle
Einer der Seen vor dem Ausfluss des Kaitum
Die letzten fünf Tage unseres Floattrips fischen Robert und ich ausschließlich im Fluss, von den Seen haben wir nun genug gesehen. Der Kaitum fließt ruhig aus dem See, die Strömung spürt man kaum. Wir sind immer wieder beeindruckt. Der Fluss ist sehr breit, aber manchmal mittendrin kaum 40 cm tief. Tiefe Pools, viele Meter tief, öffnen sich von einem Meter auf den anderen. In den folgenden Tagen sind wir immer wieder damit konfrontiert. Man watet im Fluss und ist auf einmal weit weg vom Ufer, und man steht plötzlich unmittelbar vor einem dieser tiefen Pools, dann die Strömung… ich habe am zweitletzten Tag im Fluss meine Pol-Brille verloren und musste den Weg ans Ufer ertasten. Nicht lustig. Robert ging ab und zu lange Wege, bis er aus einer guten Stelle mitten im Fluss wieder am Ufer war.
Lemming
Kaitum Äsche
Ein Männlein steht im Walde...
Frisch gebackenes Brot - alles da!
Wir campen während drei Tagen auf einer Insel im Kaitum, die etwa 800 Meter lang ist. Wir fischen, bis die Arme schmerzen. Die drei Tage sind wohl das Highlight unserer Tour. Die Fischerei ist vielseitig, gleich am Camp ist eine schöne Stelle, in der wir mit der Trockenfliege die Tour starten können. Tiefe Pools, ruhiges Wasser, Strömungen, Rieselstrecken, große Steinblöcke, für Abwechslung ist gesorgt. Obwohl nur ein paar Kilometer flussaufwärts eine Lodge steht, fischen wir die ganze Zeit alleine und landen in diesen Tagen viele, richtig viele Fische. Im Lauf der letzten 10 Tage haben sich dabei die folgenden Favoriten immer wieder bestätigt: Grün-braune Nymphe (Gr.18-20), Klinkhammer, olive Nymphe (Gr. 12-14), roter Besen (von links).

Kleine Nymphe (Gr.18-20), Klinkhammer, olive Nymphe (Gr. 12-14), roter Besen (von links)
Bei der bekannten Lodge am Auslaufs des Sees haben wir einen kurzen Stopp gemacht und unsere Lizenz abstempeln lassen. Damit ist man berechtigt, im Schutzgebiet auf den ersten Flusskilometern zu fischen. Die Berechtigung ist kostenlos, es geht um das Briefing über Rechte und Pflichten in diesem Abschnitt. Im Gebiet schwimmen markierte Äschen, die nach 15(!) Jahren wieder gefangen und zurückgesetzt worden sind. Wir werden gebeten, die kapitalen Äschen doch so sorgfältig wie einen 15 jährigen guten Wein zu behandeln – ein einprägsamer und passender Vergleich. Ich fühle mich immer wieder privilegiert, wenn ich im hohen Norden einen Fisch fangen kann (oder auch nicht), der so alt ist. Man kann nur hoffen, dass möglichst viele diesen Schatz hegen und entsprechend sorgsam Fische entnehmen. Wir kaufen noch ein paar Fliegen und trinken etwas. Wir werden auf der Lodge sehr freundlich behandelt und plaudern über unsere Route, das Wetter und was sonst noch Fischer interessiert. Die Lodge scheint nur wenige Gäste zu haben, was mich zu dieser Jahreszeit wundert. Wir paddeln weiter – das Angebot, auf dem Gelände zu zelten, lehnen wir freundlich ab. Wir finden am Abend einen Platz für unser Zelt, der unseren Ansprüchen gerecht wird – einfach perfekt (wobei das folgende Bild von einer anderen Stelle stammt).
Camp Lappland an einer Topstelle
Materialdepot
Am dritten Tag an diesem Camp paddeln wir für ein paar Stunden auf die andere Flussseite und genießen dort neue Rieselstrecken und Pools, einfach herrlich. Ab und zu gibt es nun auch Regenfälle, am Wasserstand oder den hohen Wassertemperaturen ändert dies jedoch nichts.


Treue Freunde (oben)

Robert mit einer kapitalen Kaitum-Forelle oder "Die Schöne und das Biest"... =>

Robert am Tjäkjajakka | (Unten:) Meine ist kleiner, aber viel schöner ;)
Wenige Tage vor dem Ende unserer Tour bauen wir unser Camp ein paar Kilometer weiter flussabwärts noch einmal auf und befischen den neuen Flussabschnitt.  In diesem Teil sind wir jedoch weniger erfolgreich. Wir haben jedoch so schöne Tage hinter uns, so dass wir die Fischerei gelassen angehen können und so immer wieder die eine oder andere Überraschung landen können. Robert holzt und feuert rund um die Uhr, so dass es dem Regen nicht gelingt, unser Lagerfeuer entscheidend zu schwächen. In diesem Abschnitt treffen wir auf zwei ältere, groß gewachsene Schweden, die sehr gelassen fischen und lange Wege gehen, ob es nun regnet oder nicht. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der bei Regen mitten im Fluss stoisch auf einem Stein sitzt und während mindestens einer halben Stunde irgendwas am Vorfach werkelt und danach endlose Würfe macht: Irgendwann wird sich ein Fisch erbarmen, oder halt eben nicht. Irgendwann nachts schlurfen die beiden ruhig durch unser Camp. Eine Gruppe Finnen auf der anderen Flussseite etwa 200 Meter flussabwärts stört uns genau so wenig. Es hat viel Platz und der Kaitum ist hier sehr breit.
Frische Birkenröhrlinge
Frequent Flye
Robert an der Arbeit
Hunderte kleine Fliegen auf der Wathose
Da wir keine GPS Angaben haben (ein Kreuz auf der Landkarte reicht), wo uns der Helikopter abholen wird, verfolgen wir den Flusslauf sehr genau und prüfen immer wieder mit der Landkarte unseren Standort. Dies ist nicht immer einfach, da die Landschaft nun zusehends flacher wird und der breite Fluss nicht immer einfach zu lesen ist. Am letzten Paddeltag nehmen wir es gemütlich und warten, bis das Zelt, der Tarp und alles andere Material von der Sonne getrocknet ist, so dass wir alles trocken und sauber verpacken können. Auf den letzten drei Flusskilometern stoppen wir noch ein paar Mal. Robert kann noch einmal prächtige Forellen überlisten, ich erwische noch die eine oder andere Äsche. Meine Gedanken sind jedoch schon etwas wehmütig, der Trip geht zu Ende. Wir finden die Stelle, an der uns am Abend der Heli abholen wird. Der Kaitum bildet hier eine breite und seichte Bucht mit ruhigem, teilweise schlammigem Wasser. Es ist die einzige Stelle in den zwei Wochen, die nicht so großartig ist. Da wir nicht genau wissen, ob wir ein paar Stunden früher abgeholt werden, bleibe ich bei der Ausrüstung und schlafe ein wenig. Robert wandert noch einmal 15 Minuten zur Hauptströmung, genießt noch einmal einige Stunden am Wasser und kann dabei wieder schöne Fänge verzeichnen.
Mit dem Sat-Telefon bin ich in Kontakt mit der Lodge. Schließlich werden wir eine Stunde früher abgeholt und genießen nochmals einen atemberaubenden Flug über das Fjäll. Der Pilot entdeckt zwei Elche. Dabei zieht der Pilot die Maschine steil nach unten und dreht eine elegante Schleife. Wir genießen diese einzigartige Landschaft, die aus der Luft spektakulär aussieht. In einem Monat wird sich das Fjäll in den Herbstfarben zeigen, was wohl noch schöner ist. Nach der Landung fahren wir mit dem Auto noch etwa eine Stunde nach Kiruna. Vom Guide, der hier aufgewachsen ist, erfahre ich viel über das Leben hier oben. Wir unterhalten uns bestens und die Fahrt ist kurzweilig. Bei der Lodge angekommen, genießen wir die Sauna und trennen uns vom Rauchgeruch, der uns umhüllt. Am kommenden Morgen, nach einem sehr schmackhaften Frühstück, reisen wir mit vielen schönen Erinnerungen zurück und lassen die klare Luft und den Sonnenschein in Lappland...
Kleiner Zufluss des Kaitum mit herrlichen Pools
Tjäkjajakka
Leidenschaft
Kaitum
Dieser Bericht (und andere Reiseberichte) ist auch auf http://hansmetzler.me (Blog - nicht kommerziell) zu lesen. Bei Fragen zur Anreise, Ausrüstung, Organisation, etc. gebe ich gerne Auskunft. sofern ich kann. Beste Grüße, Hans.
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Ein Reisebericht von Hans Metzler für www.fliegenfischer-forum.de - November 2014.
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