Der Salmoniden-Besatz Patagoniens
Historie und Gegenwart
Ein Artikel von Heiko Schneider
Lieber Leser, dieser Artikel ist kein wissenschaftliches Dossier, vielmehr möchte ich die Historie dieses Ereignisses in erzählerischer Weise darstellen und verzichte deshalb bewusst auf allzu viele fischereibiologische Ausdrücke.

Es war eine eher ungewöhnliche Abfolge von Geräuschen auf diesem See, das Knarren der hölzernen Riemen in den Dollen und das gleichmäßige Plätschern der eintauchenden Ruderblätter in das tiefdunkle Wasser. Seit vielen Stunden schon versucht der Fischer sein Glück, um einen Fisch an den beköderten Haken zu bekommen, jedoch ohne jeglichen Erfolg. Seit Wochen geht das jetzt schon so, nicht eine Forelle hat er fangen können, eine wahrhaft merkwürdige Angelegenheit...
So oder ähnlich, könnte es sich zugetragen haben, an diesem windstillen Dezembertag 1902 auf dem Nahuel Huapi See in Argentinien. Was dieser Pionier nicht wusste, es gab keine Salmoniden, nicht in diesem See, und in keinen anderen. Auch in den so zahlreichen Flüssen und Bächen, teils reich an aquatischen Leben wird er keine Forellen, Saiblinge oder gar Lachse finden. Die Evolution hatte sie hier einfach nicht vorgesehen! Statt dessen sind es die autochthonen Arten: Percas: Persichtys trucha - eine große Barschart, oder aber Odontesthes hatcheri und Odontesthes bonariensis. Nicht zu vergessen die zwei kleinen Arten der Puyen: Galaxias maculatus / platei.

Odonthestes hatcherie, aka Pejerrey patagonico
Der Anfang
Alles nahm seinen Anfang um 1890 in Hurlingham, einem der nun zahlreichen gesichtslosen Vororte von Buenos Aires, erstickend an seinem Verkehr und am Unrat (der Autor spricht hier von seinen eigenen regelmäßig gemachten Eindrücken!). Einige Kricket- und Polo-müde Engländer allerdings planten etwas besonderes, der Arroyo Moron, seinerzeit ein kleiner, durch Hurlingham mäandrierender Bach, schien prädestiniert für den Besatz mit Forellen. Und so, vielleicht auch gedanklich mit der Heimat und dem zur Zeit äußerst populären Fliegenfischer-Guru George Edward MacKenzie Skues verbunden, erhielt der Moron Bach den ersten verbrieften Salmonidenbesatz Argentiniens. 
Nun, die Forellen waren dem heißen Sommer in der Provinz Buenos Aires nicht sehr zugetan und lebten schon bald ab. 
Allerdings schon im Jahr 1875 war der Argentinier Francisco Moreno, ein das Abenteuer liebender junger Mann, unterwegs auf seinen zahlreichen Reisen im argentinischen und chilenischen Patagonien. Und er entdeckte, dass es eine nur sehr geringe Anzahl an Fischen in diesen Gewässern gab, nicht zu reden von deren minderwertigen Nutzen als Sportfische. Die positiven Voraussetzungen für einen Besatz erkennend, wies er die argentinische Regierung darauf hin, dass es ein enormes Potential für kommerzielle und sportliche Fischerei gäbe und Besatzmaßnahmen durchaus Erfolg hätten.
Autochthon, der Perca grande, ein wunderschön gezeichneter Fisch der Barschfamilie
Wissenschaftliche Kompetenz
Im Jahr 1892 besuchten der Franzose Ferdinand Lahille und der Italiener Felipe Silvestre Argentinien, beide widmeten sich unabhängig von einander unterschiedlichen Gewässerstudien Patagoniens. Lahille studierte den Neuquen Fluss, während Silvestre sich mit seiner gewässerbiologischen Arbeit dem Santa Cruz Fluss widmet.
Es schien zu keiner verwertbaren oder zufriedenstellenden wissenschaftlichen Auswertung der beiden Europäer gekommen zu sein, weshalb die offiziellen argentinischen Stellen die Einladung des bekannten amerikanischen Fischereibiologen John Wheelock Titcomb veranlassten.
Dieser erreichte 1903 nach einer abenteuerlichen Reise auf Pferderücken und mit Kutschen den Nahuel Huapi See und machte sich an seinen Job. Die langmonatige Auswertung seiner wissenschaftlichen Arbeit brachte ihn zu dem Schluss, das die Voraussetzungen für Besatzmaßnahmen mehr als ideal wären.
Persichtys trucha aka perca grande oder Trucha criolla
Logistikprobleme
Nur, wie die zum Besatz bestimmten Eier von den USA zu ihrem Bestimmungsort senden? Beinahe 2 Monate brauchte das Dampfschiff, um von New York aus Buenos Aires zu erreichen. Eine unmögliche Mission, diese Fracht ohne notwendige Kühlanlage zu transportieren. Es bedurfte ausgiebiger Nachforschungen im Sinne des Transportweges und dem Lösen des Kühlproblems.
Edgar Allen Tulian, in leitender Position der Fischzuchtanlage Leadville/Colorado angestellt, wurde freigestellt, um dieses anspruchsvolle Projekt zu leiten. Es vergingen wohl so einige schlaflose Wochen, vielleicht sogar  Monate bis Edgar A.Tulian, der persönliche Assistent Titcomb’s zu einer genialen wie einfachen Idee kam: Die englischen Dampfschiffe zu nutzen, die eigens für den Transport des argentinischen Rindfleisches nach Großbritannien über den Atlantik unterwegs waren.
Und so erreichte diese ungewöhnliche Ladung innerhalb von 10 Tagen von New York aus Southhampton / England, dort wurde die wertvolle Fracht umgeladen und erreichte schließlich nach weiteren 40 Tage Seereise mit englischen  Dampf-Kühlschiffen Buenos Aires. Eine erfolgreiche logistische Meisterleistung Titcomb’s Assistenten!
Unberührte Natur und ausgedehnte, traumhaft schöne Gewässer...
Der Besatz
Und so erreichte die erste Lieferung an Fischbesatz am 4. März 1904 über Buenos Aires und Neuquen kommend den Nahuel Huapi See: 

Seesaibling: Salvelinus namaycush, 53.000 Eier
Saibling: Salvelinus fontinalis, 102.000 Eier
Landlocked Atlantischer Lachs: Salmo salar sebago, 50.000 Eier
Weißfisch: Corgonus clupeaformis, 1.000.000 Eier

As there are no game fish in this country, I recommend the introduction of both, large and smallmouthed bass into the streams and lakes of the warmer zone of Argentina”, so der euphorische Originalton Titcombs nach seiner Rückkehr in die U.S.A.
Glücklicherweise wurde diese Besatzinvasion nie realisiert, sie hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Aussterben aller autochthoner Fischarten, nicht nur Patagoniens, bedeutet.
Außer der eingebrachten Weißfischart, die vollkommen verschwand, war diese erste Besatzmaßnahme ein voller Erfolg. 

Zwischen 1904 – 1910 wurden im argentinischen Patagonien weitere folgende Arten besetzt:

Regenbogenforelle: Oncorhynchus mykiss
Bachforelle: Salmo trutta
Silberlachs / Silver: Oncorhynchus kisutch
Königslachs / Chinook: Oncorhynchus tsawytcha
Rotlachs / Sockeye: Oncorhynchus nerka
Dorsch/ Gadus morrhua

Unberührte Natur
Salvinus Fontinalis war einer der ersten Salmoniden in Patagonien. Hier ein Saibling aus einem der großen patagonischen Seen.
Rückschläge
Der Besatz des Dorsch, der Bachforelle und allen pazifischen Lachsarten war nicht erfolgreich.
So ging 1910 dieses gewaltige Besatzprogramm seinem Ende zu und in den folgenden Jahren lieferten die Zuchtanlagen nahe des Huapi Sees weitere Besatzfischlieferungen für die argentinischen Gewässer.

Die Vollendung oder: wo sind die Bachforellen?
20 lange Jahre nach der ersten Salmonidenwelle importierte Argentinien die ersten Salmo trutta-Eier aus Chile und vollendete damit ein weitere erfolgreiche Aufzucht und Besatztätigkeit.
In den 1980ern wurden die endgültig letzten Salmonideneier aus Dänemark, Deutschland und den U.S.A importiert und der Besatz, bestehend aus Überseeimporten, abgeschlossen. 

Der DNA Stamm der Salmoniden
Sehr wahrscheinlich stammen die ersten besetzten Salmoniden aus der Baird Fischaufzucht am Mc Cloud River in Kalifornien und nicht bekannten Gewässern Oregons. Auch aus Deutschland, Dänemark und Frankreich sind uns Lieferungen bekannt.

Die Gegenwart 
Heute, 100 Jahre später, haben sich Bach- und Regenbogenforellen, Namaycush und Fontinalis erfolgreich in dieses Ökosystem eingelebt und nichts gibt einem den Hinweis darauf, das diese Salmoniden nicht schon immer hierher gehört hätten.
Weniger bekannt dürfte sein, dass die gemäßigten Zonen Argentiniens nahe der Anden, der Provinzen Cordoba und Juyui auch einem Besatzprogramm unterzogen wurden, bzw. werden. Allerdings unterscheidet sich dieses fundamental von dem vor Generationen in Patagonien ausgeführten: durch die geringen Gewässergrößen und oftmals Bergbach-ähnlicher Charakteristik ähnelt diese Besatzpolitik eher einem put and take Gewässer. Ausschlaggebend dafür ist die touristische Infrastruktur in diesen nördlichen Provinzen.

Oncorhynchus mykiss
Prominente Besatzgewässer
Weitere Besatzgewässer der neueren Zeit befinden sich in der Provinz Santa Cruz, in der sogenannten „Meseta de Lago Strobel". Diese karge, vulkanische Hochebene ist bedeckt von etwa 150 lagunenartigen Seen, einige wenige von ihnen werden durch Zuflüsse gespeist, dessen Caudal abhängig von Schneeschmelze und Niederschlägen ist.
Wiederum folgten wissenschaftliche Studien, die allerdings im Vergleich des historischen Besatzes auf solide Studien auch im Bezug auf die Fauna und den Hinblick des „Ökotourismus“ durchgeführt wurden. (Bedenkend, das es keine öffentlichen Zugänge zu denen in der Hochebene gelegenen Gewässern gibt, ist dies zumindest verwundernd.) 
Und wiederum bestätigten die Auswertungen, dass die Mehrheit der untersuchten Seen reich an Fito, Zooplankton und Gammariden waren, und daraus resultierend, wurde im Jahr 1973 auf experimenteller Basis der erste Besatz bestehend aus anadromen Oncorhynchus mykiss Alevinen / Steelhead, aus der Zuchtanlage „Isla Pavon" in ausgesuchte Lagunen eingebracht. 
Im Jahr 1994 wurde der erste wirklich kommerzielle Besatz von verschiedenen Produktoren mit den gleichen anadromen Oncorhynchus mykiss Alevinen, Steelhead, großflächig in die dafür prädestinierten Gewässer besetzt und die ersten industriellen Abfischungen mit Netzen nach dem zweiten Jahr des Erstbesatzes erbrachte einen Ertrag von 25 Tonnen - eines einzelnen Produzenten!
Nach diesem Besatzexperiment wurde eine Großzahl dieser bewirtschafteten Gewässer (etwa 60 Lagunen) anual mit frischem Alevinen nachbesetzt, da sich die Salmoniden nachweislich nicht reproduzierten.
Ein toller Fisch...
Der Strobelsee
Der prominenteste See, der fälschlicherweise in diese Rubrik eingeordnet wird, ist der Lago Strobel, gelegen in der Meseta auf nahezu 900 Meter Meereshöhe und mit einer der größeren seiner Art. Dieser See wurde niemals mit Salmoniden besetzt!
Die Lagunen in nächster Nähe des Strobel wurden als natürliche Zuchtteiche benutzt, diese unterteilt mit Fischen in verschiedensten Entwicklungsstadien, um eine ganzjährige „Produktion“ sicherzustellen.
Das patagonische Klima ist launisch und unvorhersehbar und so, nach einem äußerst schneereichen Winter und einen durch die Schneeschmelze des Frühjahres angeschwollenen Baches, wurde der gesamte wertvolle Inhalt dieser Zuchtteiche in den Strobelsee geschwemmt. 
Die aus dieser unglücklichen (?) Einbringung bestehende Fracht aus Alevinen und mehrsömmrigen Forellen fand hier paradiesische Futtergründe, die beinahe ausschließlich aus Anfipoden besteht und noch dazu eine natürliche Reproduktionsquelle: den Rio Barancoso. Das Heranwachsen diese wahrhaften Ausnahmefische ist einzig und alleine durch das immense Futterangebot und das Fehlen jeglicher Nahrungskonkurrenten zu begründen und steht in keinem Zusammenhang mit unfundierten geothermalen Aktivitäten in dieser Region, welche die Wassertemperatur des Sees beeinflussen!
Der Strobel See, einer der 150 Lagunen, gelegen auf 900 Meter Meereshöhe
Auch der Lago Cardiel, der größte aller Seen dieser Region, erhielt seine Besatz aufgrund eines Betriebsunfalles, wenn auch schon in historischen Zeiten. Die wertvolle Fracht, verpackt in Holzkisten, begann sich schneller zu entwickeln als vorgesehen und anstelle diese in der kargen patagonischen Landschaft zu entsorgen, wurde sie in den nahegelegenen Cardiel See gekippt. 
1943 erhielt der Cardiel zusätzlichen Besatz und seit 1950 wird auch dieser industriell mit Netzen befischt. Wenn diese Regenbogenforellen auch nicht das Stückgewicht der Strobel-Regenbogen erreichen, so finden sie doch einen natürlichen Zufluss, der den Lago Cardiel speist.
Die Vulkanische Meseta Strobel
Besonderheit
Der Rio Santa Cruz in der Provinz Santa Cruz ist Patagoniens alleiniger Steelhead-Fluss und unterliegt einem regelmäßigen Besatzprogramm, das von der Fischzuchtanlage, gelegen auf der Pavon Insel des Fusses, geleitet wird. Unterschiedlich allerdings sind die Informationen darüber, ob sich der historische Regenbogenforellenbesatz zu einer anadromen Art entwickelt hat oder aber “residents” und anadrome Populationen aus kalifornischen Flüssen besetzt wurden.
Fakt ist: der Santa Cruz Fluss, der seinen Ursprung in den Seen Viedma und Argentino hat, beherbergt beide Formen dieses Salmoniden. Gewiss ist, das die erste Lieferung von Steelhead-Eiern 1904 nicht erfolgreich war, aufgrund des frühen Schlupfes der Brut wurde diese gesamte Charge vor der Küste Brasiliens über Bord gekippt!
Die nächste uns überlieferte Steelhead-Fracht reicht zurück zum 6. Mai 1908. Sie war für die “La Cumbre” Fischzucht in der Provinz Cordoba bestimmt und erreichte diese. Kein weiterer Eintrag in den Originalschriften findet sich, in denen Steelhead-Eier Lieferungen im direkten Zusammenhang mit dem Santa Cruz Fluss genannt sind.
Man kann es als eine kleine fischereibiologische Sensation ansehen, dass sich hier besetzte Regenbogenforellen zu einer anadromen Art entwickelt haben.
Ein identisches Entwicklungsbild zeigen auch zahlreiche andere Flüsse und Bäche des chilenischen und argentinischen Patagoniens, in denen sich die eingebrachte Bachforelle zu einer anadromen Art entwickelte.
Fälschlicherweise werden die in chilenischen Flüssen gefangenen Regenbogen bzw. sich in den Mündungsgebieten des ”Seno Reloncavi” und “Golfo Corcovado” Fjordes aufhaltenden Regenbogen als “Steelhead" bezeichnet. Eine weitere Fehlinformation, bestehend aus Halbwissen und bewusster Irreführung. Diese Fische sind allesamt escapees, entflohene Regenbogenforellen aus den Netzgelegeanlagen.
Wanderroute Rio Santa Cruz
Das Aus?
Die Konstruktion des Hydroelektrik Projektes im Santa Cruz Fluss, Cóndor Cliff und La Barrancosa sind beschlossene Sache. Der letzte frei fließende, patagonische Fluss Argentiniens wird mit diesen beiden Staudamm-Projekten endgültig verbaut. Ob es das endgültige Aus für die SteelheadPopulation bedeutet oder ob bei diesen Projekt Fischaufstiegshilfen mit berücksichtigt werden, ist zur Zeit nicht bekannt. Somit steht die Frage im Raum: was geschieht mit den verbleibenden Chinook Smolts des Argentino und Viedma Sees? Werden sie sich zu “residents” “landlocked” Formen entwickeln, wie geschehen im chilenischen Llanquihue See, bzw. des Puyehue Sees und seinen Coho Lachsen?  Laichgewässer stehen den Lachsen in genügender Anzahl zur Verfügung, im Argentino sowie im Viedma See. Eine weitere ökologische Nische für die Chinooks zu finden, dürfte schwierig sein, die Seen und alle nennenswerten Zuflüsse sind extrem nährstoffarm und führen ganzjährig Sedimente, ausgenommen der Rio Caterina. Regenbogenforelle und Namaycush Saibling werden zu den alleinigen Nahrungskonkurrenten des Pazifiklachses gehören.
Einer der Juwelen im Herzen Patagoniens
Der Pazifiklachs
Keine Art erreicht heute einen größeren Bekanntheitswert als Oncorhynchus tshawytscha, der ”Chinook” oder Königslachs. Er ist Bestandteil einer großen Anzahl wissenschaftlicher Studien und omnipräsent in allen argentinischen und chilenischer Foren. Ihm wurden schon abstruse Aufenthaltsorte angedichtet und leider wurden viele dieser unfundierten und unsinnigen Informationen über das www verbreitet.
Es gibt wohl kein größeres Phänomen als die Präsenz des Königslachses / Ch.L in Argentinien. Gemeint sind Laichaufstiege über den Atlantik in Gletscher–Seen, wie der Argentino See oder Viedma See, in die eigentlichen Laichgründe, den Rio Caterina und Rio de las Vueltas. Die genannten Gewässer sind glazialen Ursprungs und miteinander durch den Leona Fluss verbunden. Aus dem Argentino See entspringt wiederum der Santa Cruz Fluss, bekannt für seine Steelheads. Es gibt lediglich Vermutungen über die Herkunft der bis zu 20 kg schweren Chinook Lachse. Die ersten Beobachtungen ablaichender Königslachse gehen zurück auf das Jahr 1996.
Der Rio Grande auf Feuerland, der Rio Gallegos in der Provinz Santa Cruz sind ebenfalls kuriose Laichgründe dieses Pazifik Giganten.
Natürlich verdanken wir den Aufstieg des Pazifiklachses auch mit der Tatsche der extensiven chilenischen Fischzucht. Aber um so erstaunlicher ist, das nur ganze 5% der chilenischen Lachszuchtindustrie aus Chinook-Aufzucht bestehen und die Produktion von nur 53 Tonnen in den 80er Jahren jährlich, auf zur Zeit über 100.000 Tonnen gestiegen ist. Atlantischer Lachs, Coho und Regenbogenforellen machen 95% aller Lachsfarmen Chiles aus. Es scheint also, als besitze Oncorhynchus tsawytcha eine ganz eigene Strategie der Gewässerinvasion. 
In der chilenischen Region Aysen zerstörte im Jahr 2007 ein gewaltiger Bergrutsch, ausgelöst durch ein starkes Erdbeben und der darauf folgenden tsunamigleichen Welle die gesamten Netzgelegeanlagen, und “bereicherte” auf diese Weise das Ökosystem mit atlantischen wie pazifischen Lachsen und Regenbogenforellen.
Invader aus dem Pazifik: Oncorhynchus tsawitcha
Kuriose Laichwanderung
Nicht von der Hand zu weisen und belegt sind die Laichaufstiege über den Atlantik (!) in Gletscher–Seen wie dem Argentino oder Viedma See, in der Provinz Santa Cruz. Die genanten Flüsse sind glazialen Ursprungs und miteinander durch den Leona Fluss verbunden. Aus dem Argentino See entspringt wiederum der Santa Cruz Fluss, bekannt für seinen Steelhead Bestand. Es gibt lediglich Vermutungen über die Herkunft der bis zu mehr als 20 kg schweren Chinook Lachse. Die ersten Beobachtungen ablaichender Ch.L gehen zurück auf das Jahr 1998 im Santa Cruz Fluss. 
Taxonomische Untersuchungen bestätigten, das der DNA Stamm dieser Ch.L. einen Besatz Südchiles aus den 1980er Jahren entstammte. 
Schon ab 1978 -1989 lief ein offizielles Besatzprogramm von chilenischer Seite mit Ch.L. Stämmen aus Washington/ U.S.A. Ursprungsgewässer waren der Kowlitz und Kalama River. Die CH.L. folgen dem außerordentlich reichen Nahrungsangebot des Südmeeres durch den Beagle Kanal, die südlichste aus zahllosen Kanälen und Inseln bestehende Wasserstraße, die den Pazifik und den Atlantik verbinden. Auf ihrer Reise finden sie perfekte Laichgründe, wie u.a den Rio Prat, Rio Lapataia und Rio Grande (auf der chilenischen Riesco Insel).
Während meiner Angeltouren in den frühen 90ern war der Ch.L der Riesco Insel eher ein kurioser Beifang beim Meerforellenfischen, heute sind Fänge in zweistelligen Kilobereich die Regel.
Unklar jedoch ist, welcher Lachsstamm den Weg in den Atlantik zu den Flüssen Irigoyen und Rio Grande auf Feuerland, und den Rio Gallegos fand. Ebenso unerforscht ist, ob die Lachse den eher klassichen Weg um das Kap Hoorn wählen oder/und durch die Magallanstraße wandern. Übrigens, der am weitesten gereiste Chinook ging kommerziellen Fischern vor der Küste Uruguay’s ins Netz!
Wanderrute Feuerland
Der Chinook in den Flüssen der nördlichen Region
Manch ein passionierter Sportfischer wird verwundert fragen, wie denn Oncorhynchus tshawytcha in den Corcovado Fluss oder den Rio Pico und div. anderen, eher als Bäche zu bezeichnenden Gewässer kommt? Es ist der Rio Palena, der in Chiles Golfo Corcovado mündet und auf seinem Weg zum Pazifik von einer ganzen Anzahl an kleinen Bächen und Seen gespeist wird. Am Ende dieser Kette stehen der Rio Corcovado und Rio Pico. Eine weitere Aufstiegsrute des C.hL. führt über den Puelo Fluss, der in den chilenischen Reloncavi Fjord mündet.
Wanderrute vom Pazifik
Fazit
Gewiss, die autochtonen Arten wurden aus einigen Gewässern zurückgedrängt. Dennoch, sie haben ihren zu einer Nische gewordenen Lebensraum erfogreich verteidigt und dem darwinistischen Grundsatz vielleicht die Harke gezeigt. Dem Perca, Percichtys trucha kommt sicherlich die außergewöhnliche Fruchtbarkeit zugute, gepaart mit ein wenig Nachhilfe in Sachen Besatz und die Tatsache, das er als Speise- und Sportfisch nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Die “Invaders” aus dem Pazifik sind Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen geworden. Bislang jedoch sind keinerlei wissenschaftliche Langzeitstudien erhältlich, die belegen, das der Ch.L, in gleichwelcher Verbindung, zur Gefahr der autochthonen (?) Arten überführt werden kann. Auch werden die Ch.L auf der Wanderung zu ihren Laichgründen von kommerziellen Netzfischern und legaler und illegaler Angelfischerei in einer nicht unerheblichen Anzahl dezimiert. 
Trucha fario, heute sind sie in allen Flüssen und Bächen des chilenischen und argentinischen Südens zu finden
Regenbogenforelle aus dem Strobelsee
Danksagung
Mein besonderer Dank gilt Carla Riva Rossi - Enrique Lessa und Miguel Pascual – der Provincia Neuquen-Ambiente Biologico Ecologico Bibliografia - Maria Nilda Amalfi, sowie der Grupo Estudios de Salmonidos Anadromos, ohne deren wissenschaftlich fundierte Hilfe dieser Artikel nur schwerlich in dieser Form hätte entstehen können. Ein ganz herzliches Dankeschön auch nach Österreich, an Clemens Ratschan, www.ratschan.at, der mir mit seiner profunden Sachkenntnis über die ein und andere anadrome und autochthone „Hürde“ half!
Eine schöne Strobelregenbogen
Guanaco Herden unter dem weiten patagonischen Himmel der Meseta Strobel
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Rechts: Galaxis maculatus aka Puyen grande... ein echter Einhemischer!




Ein Artikel von Heiko Schneider für www.fliegenfischer-forum.de - Mai 2012.
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