Nordschweden August 2006 – Auszüge aus meinem Reisetagebuch... 
Am Bärtejaure. Für Fischen und Stille...
Ein Bericht von Michael Müller
Sonntag, 06.08.2006

Heute geht ein jahrelang gehegter Wunsch in Erfüllung – wir haben bei Urban Berglund in Ammernäs das „Bärtejaure-Paket“ gebucht: ab 12:00 Uhr geht es mit dem Suzuki Geländewagen auf dem etwa 13 Kilometer langen Georgsweg für 4 Tage an diesen großen, stark strukturierten Bergsee im Vindefjällens Naturreservat. Den Georgsweg hat Urbans Vater Georg im Sommer 1988 im Zeitraum von nur 3 Monaten als Traktorweg angelegt, mit Hilfe einer Maschine und drei Männern - eine enorme Leistung!
Dort oben am Bärtejaure liegt das Land von Urban und seinen Vorfahren. Als erster Neubauer gründete ein Same namens Jon Larsen (späterer Namenszusatz: "Der Bärgebissene") etwa 1830 einen Hof am Bärtejaure. Es war damals eine harte Zeit für Sami und Siedler, alle mussten um's Überleben kämpfen und sehr hart arbeiten. 

Jon Larsen wollte sein samisches Leben schützen unter dem Deckmantel des Siedlers. Der König wollte damals Abgaben in Form von Produkten aus dem Bauernhof und mochte kein Rentierfleisch mehr. Jon war erfolgreich als Neubauer, wurde aber später leider getötet. 
Im Wartehäuschen - Marita's und Urban's Kartoffelberg-Arbeiter bekommen endlich mal was zu sehen... Auf dem Georgs-Weg...
Jon Larsen hatte eine Frau und sechs Kinder – und – neben einer Kuh und einer Ziege auch die außerordentliche Anzahl von zwei Pferden, welche die harte Landarbeit schon erheblich erleichterten. Aber kein Glück währt ewig und so kam es, dass 1854 ein herumstreunender Bär die Kuh und die Ziege tötete. Jon war ein erfahrener Jäger, der schon viele Bären erlegt hatte. Er ging daraufhin wieder auf die Jagd und stellte den Bären auch, der wiederum – in die Enge getrieben – selbst zum Angriff überging und Jon niederstreckte. Nachdem der Bär jedes Mal erneut zum Angriff ansetzte, sobald sich Jon aufrappeln wollte, stellte sich der Same schließlich tot - und der Bär ließ von ihm ab. Auf diese Weise überlebte Jon zunächst. Seine Verletzungen waren jedoch so schwer, dass er etwa 1 Jahr später starb.

Jon's Frau und die Kinder betrieben den Hof am Bärtejaure noch bis ca. 1870. Andere Besitzer wollten nicht als Neubauern starten - es war zu schwierig. Urbans Großvater Josef Berglund kaufte den Hof 1881. Dann ging der Hof an Urbans Vater Georg über (einem starken Mann, der mit seinen jetzt 81 Jahren noch immer gelegentlich Jagd- und Fischereigäste führt...) und schließlich an Urban, dessen Liebe zu diesem Land in fast jedem seiner Sätze deutlich herüberkommt. 

Auf der gut zweistündigen, wegbedingt langsamen Autofahrt zum Bootshaus am See erklärt uns Urban - in seinem über die Jahre ziemlich gut gewordenem Deutsch - viele interessante Begebenheiten und eine Menge Wissenswertes über die Geschichte und das komplizierte und empfindliche Miteinander von Samis, Siedlern und Regierung. Auf meine Frage, ob es auch in der heutigen Zeit noch Konflikte zwischen Sami und Siedlern gäbe, kommt von Urban eine treffende und wahrhaft salomonische Antwort: “... wir sind Nachbarn. Und unter Nachbarn gibt es verschiedene Wetterlagen...“. Man macht jedoch schon immer vieles gemeinsam, auch ein gemeinsamer Rat tagt mehrmals im Jahr. Das ist gut so. Oft gehen jedoch auch Amtsentscheidungen, die aus dem fernen Umea kommen, weit an der Realität hier vor Ort vorbei...

Wir kommen schließlich beim Bootshaus an. Dieses stellt sich als ein komfortabler und geräumiger Bau am Ufer des südlichen Bärtejaure dar. Es ist komfortabel ausgestattet, mit vier Booten, Doppelstockbetten für Übernachtungsgäste und einer komplett eingerichteten, kleinen Wohnung.

Urban macht zwei Boote fertig, anschließend tuckern wir langsam über den See, um diesen auf dem Weg zu unserer Unterkunft für die nächsten Tage gleich etwas kennen zu lernen. Natürlich kennt Urban jeden Meter hier und weiß so manche Geschichte zu erzählen...
 

Urban Berglund kennt den Bärtejaure wie seine Westentaschen...

Oben: Der Ausblick zum See - vor der Hütte... das finnische Ruderboot versah seinen Dienst ausgezeichnet...
Unten: Unsere komfortabel ausgestattete Beherbergung...
Unsere Hütte liegt im Bereich des mittleren Bärtejaure. Eigentlich ist es ein richtiges kleines Camp mit mehreren Hütten und Nebengebäuden, einer Sauna, Toilettenhäuschen, Gasflaschen-Anschluß, Solar-Strom, Grill u.a. – alles in einem Top Zustand und mit großem Aufwand erbaut und erhalten. Dazu gibt es eine grandiose See- und Bergkulisse und einen schönen, kleinen Badestrand, direkt vor der Hütte! 

Ein unglaublich schöner und stiller Ort. Gut vorstellbar, dass man es hier wochen- oder gar monatelang aushalten kann.  Urban macht uns mit allen wichtigen Gegebenheiten vertraut und verabschiedet sich dann.
Allein. Stille. Der See liegt spiegelblank vor uns. Gelegentlich hört man den Ruf eines Vogels oder das Platschen eines springenden Fisches. Ansonsten – nichts, Stille... herrlich.

Wir lassen die Seele etwas „baumeln“, anschließend kochen wir ein wenig "asiatisch", starten dann aber bald zu ersten Angelerkundungen im See – mit dem Boot und zu Fuß. 
In Ufernähe lassen sich zahlreiche kleinere Bachforellen fangen – sie sind fast überall anzutreffen, gehen an die Nymphe und auch an die gezupfte Köcherfliege. Der Bestand an Nachwuchsfischen scheint sehr gut zu sein – sehr gut für den Bärtejaure.
Später auf dem Boot baue ich auf die in Irland populäre 3-Fliegen-Methode um. Diese Montage wird ständig ausgeworfen und in kurzen Strips eingezogen – dies erweist sich auch hier als erfolgreich.
Gut gestärkt ist halb gewonnen... Der erste Tag auf dem See...
Interessant war auch das Steigverhalten der besseren Forellen im See: sie springen unvermittelt und manchmal meterhoch aus dem Wasser – das platscht natürlich entsprechend und lässt das Anglerherz höher schlagen. Gerade diese Fische sind allerdings nur schwer anzusprechen – ehe man hingerudert ist, sind sie schon wieder ganz woanders...
Der Himmel war heute den ganzen Tag bedeckt, es regnete gelegentlich leicht. Dies stört jedoch kaum, da es warm ist. Tagsüber haben wir leichten Wind, abends schläft er völlig ein. Was nun kommt, ist das unbeschreiblich schöne Ereignis am nordischen, abendlichen Sommerhimmel, welches mit dem Begriff „Sonnenuntergang“ nicht mal im Ansatz zu erfassen ist. 
Dieses Schauspiel beginnt mit Licht- und Farbenspielen und endet erst nach weit über einer Stunde mit einem glut-orangen Abendhimmel – alle paar Minuten in neuer faszinierender Anordnung – mit vielfach beleuchteten Wolkenspitzen. Ich habe in den letzten Jahren schon einige phänomenal schöne Sonnenuntergänge hier im hohen Norden anschauen dürfen – aber das hier heute Abend ist etwas ganz Besonderes... Unglaublich schön... Vielleicht liegt es auch am Geist dieses besonderen Ortes...
Wir machen ausgiebig Foto-Session, anschließend ein lecker Abendbrot mit Salami- und Knoblauch-angereicherten Pfanni-Bratkartoffeln – und fahren zwischen 23:00 und 01:00 Uhr nochmals raus zum Nachtfischen – auch eine besondere und intensive Erfahrung...

Montag, 07.08.2006

Der Himmel ist heute immer noch bedeckt, aber es ist heller als gestern. Wind gibt es ein wenig, die Temperatur liegt schon morgens um die 20°C. 

Wir sind allein mit der Natur, mit Elch, Mink, Luchs und Bär – und den Fischen natürlich. Laut Urban ist der Mink an vielen nordschwedischen Gewässern zum Problem geworden auch am Bärtejaure. Er wurde aus Amerika eingeschleppt und verursacht Schäden an den Fischbeständen. Durch seine Schlauheit ist er nur schwer zu fangen. Für den Elch gibt es direkt hinter unserer Hütte einen Salzstein, der regelmäßig besucht wird. Elche kommen hier jede Nacht vorbei. Urban erzählte uns weiter, das es in Schweden schätzungsweise noch etwa 3000 Braunbären gibt. Einen Bärenkontakt gab es vor wenigen Jahren auch hier – in der Nähe des Bärtejaure am Traktorweg tötete ein Bär einen Elch. Er wurde jedoch beim Fressen gestört, verzog sich und tötete einige Kilometer weiter einen weiteren Elch.

Die "Playa del Bärtejaure" lädt zum Bade ein... m
Der heutige Tag gehört ganz der Besinnung – und – dem Fischen. Zunächst gönne ich mir ein ausgiebiges und sehr erfrischendes Bad im See, an der „Playa del Bärtejaure“, anschließend mache ich mich fischerfertig. Später fahren wir über den See, um an einem kleinen Nebensee namens Rödingtjärn zu gelangen – der Name spricht Bände und die schönen nordschwedischen Saiblinge haben es uns schon seit der ersten Schwedenreise sehr angetan. Übrigens gibt es um den Bärtejaure herum etwa dreißig verschiedene kleine Seen, die alle mit mehr oder weniger kurzen Fußmärschen zu erreichen sind und beangelt werden können.
Am Rödingtjärn...
Der Rödingtjärn liegt idylisch, er entpuppt sich als ziemlich tief, ist aber komplett umwaldet und kaum bewatbar, daher für’s Fliegenfischen ohne Boot eher weniger geeignet. Im hinteren, sumpfigen und flachen Teil sehe ich vom weiten einen Saibling nach Flohkrebsen tailen, seine Schwanzflosse schaut dabei mehrere Zentimeter aus dem Wasser. Das Fischerherz macht einen Satz – ich muss schnell in Wurfweite kommen... 
Leider kann den schon fast sicher geglaubten Sichtkontakt nicht „verwandeln“ – als ich in Reichweite bin, ist von dem Fisch nichts mehr zu sehen. Und auch von seinen Kollegen nicht...
Später wieder auf dem Bärtejaure sind wir wieder hart am Arbeiten. Matthias verliert einen guten Fisch. Der Wind frischt nun auf und die Bewölkung nimmt stark zu, es bleibt jedoch trocken. 

Nach einem späten Mittagessen haut sich Matthias auf’s Ohr. Ich nehme das Boot und will versuchen, den Einlauf des Brälrajukke stromauf zu fahren, um diesen etwas zu erkunden. Der kristallklare Bach dient der Trinkwasserversorgung des Camp's, er ist nur 2 – 3 Meter breit, teilweise aber mehrere Meter tief und derart klar und rein, dass man jeden Kiesel auf dem Grund sehen kann. Eigentlich optisch ein absolutes Traumgewässer, nennenswerte Fische kann ich aber nicht entdecken. Vermutlich wird der Bach nur im Herbst von den Forellen zum Laichen angenommen. Ich habe ein Ruder aus der Halterung genommen und bewege mich stehend und mal links und mal rechts rudernd und stakend langsam stromauf – wie so ein venezianischer Bootsführer :-). Leider ist schon nach gut einem Kilometer des windungsreichen Bachlaufes Schluss – eine Birke liegt umgefallen im querüber und versperrt mir die Weiterfahrt.

auf dem Brälrajukke... ...und Endstation...
Ich rudere wieder auf den See hinaus - nach Westen – und mache einige Driften im Wind. Dabei bekomme ich auch eine schöne Forelle auf die Fliege. Ganz in der Nähe der weißen Untiefenmarke nahe der Hütte...  ein magischer Ort, der wohl immer für einen Fisch gut ist... Der Fisch kommt jedoch nach einigen Drillminuten wieder ab. Trotzdem ist es eine wirklich Klasse See-Fischerei, die ein wenig an Irland erinnert.

Abends rudern wir die weite Strecke über den See, um den östlichen Bärtejaure und dessen Auslauf Racksjöbäcken zu erkunden. Der Racksjöbäcken hat es in sich. Hier wechseln sich alle paar Hundert Meter kleine Gefällstrecken mit teichartigen Erweiterungen ab – schon optisch ein Traum für jedes Fischerherz. Der Bach ist voller kleiner Forellen – bei jedem Wurf mit der Sedge kommen oft gleich mehrere Bisse und Angriffe. Maßige Forellen kann ich bei der heutigen Kurz-Visite nicht sehen und fangen, Potential dazu ist jedoch sicher vorhanden. Aber auch als reines Jungfischrevier hätte der Bach einen unschätzbaren Wert für die Erhaltung des Forellenbestandes im Bärtejaure...

Wir beschließen den Abend nach einem Mitternachtsmahl nebst Feuerchen gegen 01:30 Uhr.

am Racksjöbäcken... R
Dienstag, 08.08.2006:

Heute nehmen wir uns den westlichen See-Teil vor. Der Bereich direkt westlich unserer Herberge entpuppte sich schon gestern als guter Fischplatz – und er lässt uns auch heute nicht im Stich.

Zwischendurch erkunde ich den Bachlauf des Brälrajukke – zu Fuß und oberhalb der ins Wasser gestürzten Birke – einige Kilometer bis hinauf zu den Wasserfällen in den höher gelegenen Regionen. Ich erlebe ein sehr reizvolles Bergbachwandern- und fischen. In einem der oberen Pools kann ich eine schöne, kupferrot gefärbte Bachforelle ausmachen, die sich leider noch vor dem ersten Wurf verdrückt und damit unfangbar wird. Ich kann sie noch sehen – aber sie sieht mich auch... oder nicht... (siehe Foto weiter unten...).

Ich gehe noch weiter bergauf – bis zu den Wasserfällen kurz unterhalb der Baumgrenze. Es ist ein wunderbarer Tag an einem wunderbaren Ort. Hier könnte ich noch viele Stunden verweilen...

Wanderung zum Oberlauf des Brälrajukke... ...
Die Forellen des Bärtejaure sind wahre Schönheiten...
Zum späten Mittagessen gegen 16:00 Uhr treffen wir uns wieder. Matthias war das Glück heute besonders hold: nach einem dicken Drillaussteiger fing er nach nur einer weiteren Minute die nächste Forelle – eine rotbäuchige 38-er - trocken mit der Rehhaarsedge.
Bei dieser Fischerei macht es sich bezahlt, wenn einer an den Rudern bleibt, um das Boot perfekt in der Drift und im Wind zu halten, während der andere fischt. Ansonsten wären die Driften durch den straffen Wind allzu rasch zu Ende.

Der ganze restliche Nachmittag gehörte dem Fischen auf dem See. Abends packen wir ein paar Forellen –  schön gewürzt und mit viel Knoblauch versehen – gut in Alu-Folie ein und auf den Grill – dazu gibt es Stampfkartoffeln, 6-Kräuter-Tee mit Jameson und Lagerfeuer – ein köstliches Mahl. 

Spät am Abend schläft dann der Wind ein – und überall erscheinen Steigringe auf dem spiegelblanken See... wie aus dem Nichts.

Mittwoch, 09.08.2006

Der kühle Morgen empfängt uns fast windstill und mit blauem Himmel. Unser letzter Tag am Bärtejaure ist angebrochen – leider. Heute Abend will uns Urban am Bootshaus auf der anderen Seite des Sees wieder in Empfang nehmen. Bis dahin haben wir noch etwas zu tun – Fischen – ganz klar...
Von 10:00 bis gegen 15:00 Uhr driften, rudern und fischen wir durch einige Buchten. Das Beißen geht heute ungemein schwieriger vonstatten: die Fische sind bei Sonne und wenig Wind wesentlich scheuer als sonst. Boot und Fliegenschnur werfen lange Schatten. Oft sehen wir die Forellen schon von weitem Reißaus nehmen. Trotzdem gibt es auch einige Ecken, wo es ganz gut klappt. Wir stellen wieder einmal fest, das Wind und starke Bewölkung fürs Fangen ganz klar besser sind, als Sonnenschein, trotz des Nachteils, dass das Boot dann oft zu schnell driftet.
"kleiner" Gepäckberg... (wie lange wollten wir eigentlich bleiben ?) nun heißt es Abschied nehmen...
Gegen 16:00 Uhr haben wir unsere Siebensachen zusammen gepackt und rudern über’n See in Richtung Bootshaus. In der Seemitte kommt uns Urban mit neuen Gästen entgegen. Wir vereinbaren, die ersten Kilometer nach Ammernäs zurück zu wandern. Wenn Urban uns mit dem Suzuki einholt, sollte er uns später aufnehmen. Das Auto kommt viel schneller, als wir es erwartet hätten und los geht die Fahrt. Kurz vor Ammernäs schickt uns Urban dann noch auf den „Troll-Skogen, einen eindrucksvollen, dunklen Waldpfad mit bizarren Fels- und Baumgebilden – der Heimat der Trolle. Unbedingt empfehlenswert...
im Trollwald... wir
Für uns steht am Ende dieser Bärtejaure-Tour bereits fest – eine Widerholung muss kommen! Soviel sind wir unserem Geist & Körper einfach schuldig.

Weiterführende Infos: www.bertejaure.se
Bericht: Michael Müller für www.fliegenfischer-forum.de
Fotos: Matthias Dämmrich | Michael Müller
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