Float Trip auf dem Stuyahok River, Alaska
von Urs Wehrli (alle Fotos copyright by Urs Wehrli)

Es gibt Momente für den Angler, an die erinnert er sich bekanntlich ein Leben lang. Auch bekannt ist, dass diese leider während des Jahres dünn gesät sind, man muss deshalb lange von ihnen zehren und man motiviert sich bei jeder neuen Angel-Pirsch von neuem an ihnen. 
Unsere Alaska-Safari vom vergangenen Sommer war jedoch so aussergewöhnlich, dass wir eigentlich Erinnerungs- Momente für die nächsten zehn Jahre vorrätig hätten. Doch leider ist die Suchtgefahr riesig und man kann diese nur durch erneuten Rutenschwung stillen.
Endlose Weiten, raues Klima, unberührte Flora & Fauna, Arktische Äschenpartys der Ü-50 Marke, makellose Regenbogenforellen, kampfstarke Hunds- und Rotlachse, erschreckend grosse Kings – nein, das ist kein Wunschzettel unter meinem Weihnachtsbaum; das ist der Versuch unser Erlebtes in ein paar Worte zu fassen.
Wie kam es dazu? Im September 2007 infizierte ich meine beiden Freunde Matthias und Rolando mit dem Alaska-Virus. Meine Geschichten von bisherigen Angelabenteuern in Alaska und Kanada wollten auf Wahrheitsgehalt überprüft werden und so beschlossen wir einen Alaska-Urlaub der besonderen Art zu tun. 
Nebst der einmaligen Fischerei in Alaska war uns wichtig, die Natur wirklich zu erleben. „Einmal wie die harten Jungs“ war das Motto. Es begannen die Diskussionen, wie, wo, wann, wie viel, usw. In eine Lodge wollten wir nicht, mit dem Camper on-the-road ist zwar toll, aber gehört mehr in die Kategorie „Familien-Ausflug mit Mutti“, also was dann? Genau: ein Float-Trip scheint doch genau das richtige zu sein.
Da wir absolute Float-Novizen waren, war auch schnell klar, dass wir nicht alles selber organisieren wollen und für das erstes Mal lieber einen Outfitter zu Rate und zur Geldbörse ziehen wollen. Es gibt deren viele, die meisten direkt in Alaska, viele auch hier in Europa. Um den richtigen zu finden, sollte man zuerst aber mal wissen, welchen Fluss man denn floaten möchte. Und deren gibt’s noch mehr. Wir verbrachten Stunden vor dem www und hatten am Schluss nur ??? auf der Stirn.
Doch es gab Hilfe! Da flatterte doch unverhofft der „Alaska Telegraph“ vom Alaska Fisherman Club zu uns ins Haus, in dem wir die Float-Trips im Angebot entdeckten. Ja, da schaut’s her – das ist doch in etwa genau das, wonach wir auf der Suche waren! Einfach und knackig, eine handvoll Flüsse, alles von A-Z organisiert. Warum nicht? Warum sich die ganze Organisation selbst aufladen beim ersten Mal, mit keiner Ahnung und den daraus resultierenden Fehlern?
Nach einer ersten Kontaktaufnahme mit Reinhold Schrettl wurde uns schnell klar, dass es sich bei solch einem Float-Trip nicht um einen Sonntags-Ausflug handeln wird und die eine oder andere Herausforderung auf uns warten wird. Aber genau das war ganz nach unserem Gusto, obwohl jedem von uns auch bewusst wurde, dass wir wohl die eigenen Grenzen und die der Gruppe kennenlernen werden und die Weicheier zu Hause bleiben können.
Uns Anfängern wurde empfohlen, unsere Auswahl auf einen der ruhigeren Flüsse, wie z.B. den Koktuli oder den Stuyahok zu legen, was wir (und vor allem unsere Angetrauten…) begrüssten. Die weitere Planung beinhaltete die Erstellung eines Menue-Plans für 10 Tage mit einer daraus resultierenden Einkaufsliste. Die Vorräte werden vom Alaska Fisherman Club gemäß Einkaufsliste in Anchorage besorgt und direkt in den Buschflieger beladen – ein super Service, den wir sehr zu schätzen wussten, denn so verliert man nicht noch nach der Ankunft in Anchorage wertvolle Zeit mit langwierigen Einkäufen. Weiter ging es an Pack- und Materiallisten, da das Gewicht begrenzt ist und man doch 10 Tage autark in der freien Wildbahn überleben können sollte, inkl. Reserve-Fischereimaterialien. Dies bedeutet eine ausgesprochene Kompromissbereitschaft mit sich selbst…
Im Januar 08 war dann alles gefixt und das lange Warten begann. Die Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude, und so genossen wir dieses Stadium, wenn doch viel zu lange für unseren Geschmack.
 

Dann endlich kam er, der erste Juli. Frühmorgens ging es via Zürich nach Frankfurt und anschliessend mit Zwischenstop in Withehorse nach Anchorage. 

In der Zollabfertigung wurde gründlich auf mitgebrachtes Fleisch untersucht (darf nebst Obst nicht in die USA eingeführt werden) und die verdächtigen Pakete in meinem Gepäck stellten sich als Tiroler-Cackes heraus. Nach kurzer Erklärung bei den freundlichen Beamten ging es an die Gepäckausgabe.
Phhuuu, alles angekommen, niemandem fehlte etwas, was zu unserer größten Sorge gehörte. Zeit zu verlieren hatten wir keine, denn am nächsten Tag startete unser Buschflieger Richtung Stuyahok/Koktuli. In der Empfangshalle erwartete uns bereits Monika vom Alaska Fisherman Club und zu unserer Überraschung mein Freund Jim aus Soldotna mit seiner gesamten Familie (Foto unten). Wir fuhren gemeinsam ins Motel, ladeten unser Gepäck ab und verblieben mit Monika, dass sie uns am nächsten Tag im Hotel abholt und uns zum Lake Hood fährt. Mit Jim und seiner Familie verbrachten wir den Nachmittag mit zünftigen Burgers – der Einstand war gänzlich gelungen. Anschliessend übergab er uns noch die nötige Bear-Protection (eine 45er Magnum, eine Pump-Gun und Pfeffer-Spray), welche uns eine gewisse Sicherheit im Busch versprachen.
Anschliessend galt es noch fehlende Fischereiartikel bei Sportman’s Warehouse zu beschaffen (wie z.B. Reserve-Ruten, Angellizenzen) und bei Fred Meyers einiges an Proviant zu besorgen. Um 21.00 Uhr waren wir zurück im Motel, doch an Schlafen war nicht zu denken – der Virus hatte bereits voll zugeschlagen und wir fuhren mit einem Taxi an den Ship-Creek direkt in Anchorage (Foto unten). Rolando hatte nach nicht allzu langer Zeit seinen ersten King im Drill und war fassungslos über die Kampfkraft dieser Fische. Eine nette Mitfischerin überwarf seine Schnur und so verlor Rolando seinen ersten King. Ich glaube, das Fluchen war bis zum Denali zu hören. Das Jagdfieber war nun jedoch geweckt. Um 23.00 Uhr informierte uns ein Ranger, dass der heutige Angeltag fertig ist und so machten wir uns auf den Weg zurück ins Motel – leider bereits schon nach erst knapp einer Stunde fischen.
Über den Ship-Creek kann man sich streiten – viele Alaskaner meiden ihn, da es oft sehr viele Fischer hat, auch von der üblen Sorte, viel Rummel wegen des Salmon-Derby (www.shipcreeksalmonderby.com) das Ufer sehr schmutzig ist, vor nicht allzu langer Zeit mit Schwermetall verseucht war und etliche andere Gründe. Das mag ja alles stimmen, aber für mich ist jedes Mal am Anreisetag in Alaska ein Besuch des Ship’s Pflicht. Oftmals fängt man einen oder mehrere Kings oder Silvers innerhalb weniger Stunden, kann sich schon ein bisschen „Warmfischen“ und spätestens hier merkt man, was noch in der Ausrüstung fehlt. Zudem wo gibt’s denn in der Welt noch so eine Metropole, wo nach kurzem Drive direkt in der Stadt auf Lachse mit großem Erfolg geangelt werden kann?

Pünktlich holte uns Carmen am nächsten Tag ab und fuhr uns zum Lake Hood, wo bereits die Beaver bereit stand. Nach dem Wiegen des Gepäcks stellte sich heraus, dass wir einiges an Übergewicht hatten. An weiteres Aussortieren war jedoch nicht zu denken und wir zahlten Extra-Sprit, damit der Pilot beim Rückflug tanken konnte. Es wurde uns das GPS erklärt, die Flusskarte übergeben und dann ging’s schon Richtung Stuyahok.

Das Wetter in Anchorage war fantastisch, jedoch je näher wir an die Bristol Bay kamen, je stärker wurde der Wind. 20 Minuten vor der Landung reichte mir Andrew, unser Pilot, sein Handy mit Bild seiner Liebsten und sagte mir: „Sag ihr, dass ich zwei Kinder von ihr wollte“. Das anhaltende Lachen über seinen Witz verging uns umgehend als nach ein paar Landeanflugsversuchen auf dem See die Lage wirklich Ernst wurde. Er erklärt noch, dass es beim Aufschlag (er sprach mittlerweile nicht mehr von Landung) ziemlich holprig werden wird und wir uns gut und wo überall möglich festhalten sollen. Gesagt, getan. Mit Angstschweiß auf der Stirn erfolgte der Aufprall.
Alle und alles blieb heil und wir lagen uns in den Armen. Nun galt es ans Festland zu kommen - kein Problem, denn bei dieser Windstärke wurden wir automatisch irgendwo am Ufer angeschwemmt.

Nach dem Entladen unseres Gepäcks erklärte Andrew uns, dass wir die Beaver genau gegen den Wind ausgerichtet halten sollen, während er im Cockpit sitzt und Vollgas gibt: „Loslassen erst, wenn wir den Flieger nicht mehr halten können“, ähnlich dem Start von einem Flugzeugträger. Der Start klappte, Andrew verabschiedete sich mit ein paar Flügelschlägen und entschwand in der Weite der Tundra und des Horizonts.

Der Wind war brutal, wir packten uns umgehend ein (die PP – Pinkelpause, ist eine Geschichte für sich) und mussten uns zuerst einmal orientieren wo genau wir waren. Es stellte sich heraus, dass der Abfluss des Sees, also der Stuyahok, genau am gegenüberliegenden Ende war. Na ja, der Marsch wird wenigstens warm geben. Nun kam der Schock: Während des Aufblasens des Bootes zerbrach die Pumpe. Und genau hier schlug die Erkenntnis in vollem Umfang zu, dass über hunderte von Meilen keine Hilfe geholt werden kann, weder Funk noch SAT-Telefon (wir sind ja keine Weicheier…) steht zur Verfügung und bei dieser Windstärke Rauchzeichen zu machen, schien auch nicht sehr sinnvoll. Zum Glück hatten wir den Extra-Sprit bezahlt und konnten Utensilien wie Zweikomponenten-Kleber aus unseren Taschen hervorzaubern. Der Kleber hielt nach zwei Versuchen und das Boot konnte gewassert werden.
Am Ufer des Sees lagen überall Gebeine von Karibos und von großen Hechten. Ein paar Angelversuche brachten aber keinen Erfolg, der Wind war einfach zu heftig.
Der Stuyahok war im oberen Teil eher ein Bächlein, was dazu führte, dass statt floaten eher schleppen, zerren, reißen, fluchen usw. angesagt war. Wir sahen am ersten Tag oft große schwarze Schatten im Wasser stehen, vermutlich große Hechte. Zum Fischen waren wir jedoch zu müde, unsere restliche Kraft reichte knapp zum Zelte aufstellen. Mit ein paar Müsli-Riegeln im Bauch verkrochen wir uns völlig erschöpft in die Schlafsäcke.
Der Wind liess auch am nächsten Tag nicht nach, der Stuyahok war immer noch ein Bächlein und wir waren wiederum rasch an unseren Grenzen angelangt. Doch gegen Abend mündeten einige Zuflüsse in den Stuyahok und ein Floaten war teilweise möglich. Unsere Motivation erhielt zudem einen weiteren Kick, denn am Rastplatz des zweiten Tages stiegen Äschen überall. Wir fingen etliche von ihnen, manche über 50cm, alles auf Trockenfliege (Klinkhammer empfiehlt sich). Glücklich, zufrieden und mit einer ersten warmen Mahlzeit legten wir uns hin und freuten uns auf den nächsten Tag!
Es gesellten sich prächtige Regenbogenforellen zu den Äschen, die wir in unseren Float-Pausen fingen  - man kann natürlich auch während des Floatens angeln, dies ist jedoch meiner Meinung nach unnötiger Stress für die Fische.

Meine beiden Freunde, eigentlich Hard-Core Würmler und Spinn-Fischer, konnten es anfänglich nicht sein lassen und haben natürlich auch so etliche Fische gefangen. Aber nach kurzer Zeit wechselten auch sie auf die Fliegenruten und stellten fest, dass diese Fischerei bei diesem Fischaufkommen x-fach schöner ist.

Die nächsten Tage wurden immer besser. Der Fluss gewann an Wasser, das Wetter wurde ab und zu besser, wir passierten etliche Biberburgen und genossen die Weite Alaskas. Die Natur überwältigte uns und wir gerieten völlig in ihren Bann. 
Der Oberlauf des Stuyahok liegt in der Tundra, Kiesbänke waren selten. So schlugen wir die Zelte auch mal direkt auf den Büschen auf, doch je weiter wir den Fluss passierten, je mehr Kiesbänke und Feuerholz trafen wir an. Wir ernährten uns anfänglich vom mitgebrachten Proviant (Steaks, Hühnerbeine, Schnitzel, Büchsen, Gemüse, Teigwaren). Das Wasser nahmen wir direkt aus dem Fluss, kochten es ab und füllten es in Kanister. Aufgrund des kalten und nassen Wetters beschränkten wir uns mit der Toilette anfänglich nur auf das nötigste – wir waren ja unter uns.
Am fünften Tag drillte ich einen Fisch von über 80 cm auf 0.18er Vorfach, der Ausgang ist wohl klar. Genau identifizieren konnte ich den Fisch im Wasser nicht, hoffte es sei Big-Mama Regenforelle, wusste aber eigentlich dass es ein Hundslachs war. Am nächsten Tag zeigten sich die Hundslachse immer häufiger, rasch wechselten wir das Gerät (#9 / #10-Einhandruten) und fingen etliche dieser starken Kämpfer. Tags darauf erblickten wir die ersten Rotlachse; zum idealen Zeitpunkt, denn unsere Fleischvorräte waren mittlerweile zu Ende gegangen.
Und so gingen die Tage vorbei, die Eindrücke häuften sich, unsere anfänglichen Erwartungen an diesen Trip wurden fast stündlich übertroffen und die Erlebnisse brennten sich in unsere Vorstellungen der ewigen Fischgründe ein. Wir fingen unzählige Äschen (alle auf Trockenfliegen), Rainbows mit Streamer, Hunds- und Rotlachse mit Yarn und Streamern.
Am zehnten Tag wurden wir von der Beaver wieder abgeholt und wir flogen zurück in die Zivilisation. Die Sehnsucht nach der Wildnis begann bereits schon während des Rückflugs. Trotzdem, wir freuten uns auf eine standesgemäße Boiler-Entleerung im Motel und auf die Gourmet-Küche Downtown. 
Carmen sei Dank, sie verschaffte uns ein paar Extra-Tage in Alaska mit einer Flugverschiebung und einen Mietwagen. So fuhren wir zu Jim und seiner Familie nach Soldotna. 
Er quartierte uns in seiner Lodge, der Kenai Riverfront ein (www.kenairiverfront.com). Die Lodge bietet nebst B&B, Zimmer, Camping- Plätzen auch Bootsvermietung auf dem Kenai mit oder ohne Guiding an und wir ließen es uns nicht nehmen die letzten Tage mit Jim auf Kings zu fischen. Der Kenai-King ist bekanntlich einer der Größten und wir freuten uns auf das Kenai-Fischen. Doch zuerst galt es, all die Köstlichkeiten, die Alaska bietet, am Salmon-Bake, welches Jim jeden Samstag für seine Gäste macht, zu degustieren. Er ist ein sensationeller Koch und mischt alaskanische, japanische und europäische Küche.
Mit viel frisch gezapften Bier aus der Kenai River Brauerei (www.kenairiverbrewing.com), fast soviel Whiskey, unseren Geschichten vom Stuyahok, Jim’s Liedern am Lagerfeuer usw. wurde es spät. Sehr spät und als wir zu Bett wollten, erklärte uns Jim noch kurz das Programm für den nächsten Tag. Stopp – was heisst hier nächster Tag? Gem. seinem Programm mussten wir ja in 2 Stunden schon wieder bereit stehen. OK – nix wie in die Federn.
Die knapp zwei Stunden Schlaf waren nicht der Rede wert, und trotzdem, wir wollten auf den Kenai zu den Kings! 
Wir fischten Backtrolling und Back-Bouncing mit Kwickfish und der erste Biss bei mir liess nicht lange auf sich warten, doch es nahm ein jähes Ende. Rutenbruch. Schien ein Materialfehler gewesen zu sein. 
Der nächste Biss liess jedoch nicht lange auf sich warten.

Da die Lodge zentral auf der Kenai-Halbinsel liegt, zog es uns auch an den Anchor-River, wo wir auf Sicht Kings mit der Fliegenrute fingen – das ist ein höllisches Spektakel. 

Herzlichen Dank an dieser Stelle der Familie Nelson für Eure Gastfreundschaft und die wundervolle Zeit, die wir bei Euch erleben durften.

Nach vier Tagen am und rund um den Kenai ging’s dann wieder Richtung Anchorage und der Heimflug brachte uns wieder zu unseren Liebsten. Wir hatten ihnen viele Geschichten zu erzählen und strahlen glaub ich noch heute!

Den gesamten Reisebericht und die Fotos kann man sich auch gerne unter www.floaters.ch anschauen.


Ein Bericht von Urs Wehrli für www.fliegenfischer-forum.de
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