Daß Alaska eines der beliebtesten Reiseziele für Fliegenfischer
ist, ist hinlänglich bekannt. Aber auch für eine ständig
wachsende Zahl von Kanufahrern bietet Alaska nahezu unbegrenzte Möglichkeiten.
Immerhin ist das Kanu das traditionelle Fortbewegungsmittel Alaskas, und
noch heute ist es möglich, wochenlang auf einsamen Seen und Flüssen
durch die Wildnis zu paddeln, ohne einem einzigen Menschen zu begegnen.
Wer das Angeln und das Kanufahren miteinander verbinden will, für
den bietet Alaska nahezu optimale Voraussetzungen. Spezielle "float-trips"
für Angler werden inzwischen von verschiedenen Reiseveranstaltern
angeboten.
Gegenüber dem Aufenthalt in einer Lodge kann eine solche Bootstour
nicht nur den Geldbeutel schonen sondern auch die Aussichten auf einen
guten Fang steigern. Gerade in den Küstenregionen Alaskas, in denen
die Angelei ganz wesentlich durch die Laichzüge der verschiedenen
Lachsarten bestimmt wird, kann man selbst an Top-Gewässern leicht
als Schneider nach Hause fahren, wenn der Urlaub gerade zwischen 2 runs
plaziert wird. Mit dem Boot wird es dagegen möglich, große Distanzen
abzusuchen. Wo das Fischen vielversprechend ist oder einfach nur die Landschaft
zum Verweilen einlädt, legt man für ein paar Stunden an oder
bleibt gleich für einige Tage.
Die Palette der Möglichkeiten reicht von der Tagestour bis zu
mehrwöchigen Expeditionen, von der gemütlichen Wanderfahrt auf
dem träge dahinfließenden Strom bis zum extremen Wildwasser
der Gebirgs- und Gletscherbäche. Bei einem Einsatzpunkt hoch in den
Bergen kann eine Bootstour über die verschiedensten Landschaftsformationen
bis in die Küstenregion führen.
Günstige Voraussetzungen für einen solche Paddeltour bietet
der Südwesten Alaskas. Hier findet sich eine Vielzahl von Flüssen
und Seen, die auch für den weniger geübten Paddler zu beherrschen
sind. Neben sehr bedeutenden Lachsvorkommen ist der Südwesten bei
Fliegenfischern insbesondere für die kapitalen Rainbows bekannt. Verschiedenen
Abschnitte dürfen zudem ausschließlich mit der Fliege befischt
werden.
Für den Frühsommer 1996 wählte ich in dieser Region
eine Tour aus, die vom Einsatzpunkt Nishlik Lake hoch in den Bergen der
Wood Mountains über verschiedene Seen und Flüsse bis in den Nushagak
River in Küstennähe führte. Der nachfolgende Bericht soll
ein bißchen Appetit machen auf diese Art des Reisens und Fischens.
You are Tom? Bereits von zu Hause aus hatte ich mit Tom, der in Dillingham
das Charter Unternehmen Shannon Air betreibt, telefonisch den Flug zum
Nishlik Lake vereinbart. Tatsächlich holt mich Tom jetzt am Flughafen
in Dillingham ab. Zunächst muß er noch einige Angler zur Portage
Creek area an den Nushagak fliegen; Mitte Juni ist hier die beste Zeit
für die frisch aufsteigenden Kings - leider längst kein Geheimtip
mehr.
Als Entschädigung für die Wartezeit serviert Tom selbstgebrautes
Bier und geräucherten Karibou. Nach ein paar Stunden lade ich mein
Gepäck in die Cessna und verlasse für drei Wochen die Zivilisation.
Bei strahlend blauem Himmel führt der Flug über die Wood Lakes,
die im Westen durch die gleichnamige Gebirgskette begrenzt werden. Schon
allein der Flug über diese atemberaubende Landschaft ist ein unvergeßliches
Erlebnis.
Seeforellen im Nishlik Lake
Nishlik Lake, einer der höchstgelegenen Seen der Region, liegt
weit oberhalb der Baumgrenze. Jetzt, Mitte Juni, ist der See gerade eisfrei,
weite Teile der Landschaft sind noch mit Eis und Schnee bedeckt. Die umliegenden
Berge sind vom See aus über den mit Moosen und Flechten gepolsterten
Boden leicht erreichbar und geben den Blick auf die grandiose Gebirgswelt
frei.
Das Fliegenfischen in der Tundra hat für mich als diletantischen
Werfer einen besonderen Reiz. Weit und breit kein Strauch, in den sich
die Fliege wickeln kann. Obwohl der Auslauf des Sees eine nahezu perfekte
Strecke abgibt, zeigt sich zunächst nicht einmal eine einzige Äsche.
Statt der Nymphe versuche ich es jetzt mit schweren Streamern im See. Hier
kommt schließlich der erste Biß, eine Seeforelle, gerade richtig
fürs Abendessen. Aber der erste Fisch des Urlaubs darf, einer ehernen
Regel folgend, weiterschwimmen. Und ein zweiter beißt an diesem Abend
nicht mehr.
Foto 1: Beim Wandern am Nishlik Lake stößt man immer wieder
auf Caribous
Sehr viel lohnender ist es dagegen, durch die Gegend zu streifen und die Landschaft mit ihrer vielfältigen Tierwelt zu beobachten. Bei den ersten Karibous ist die Aufregung noch groß, bald schon zählen sie zum Inventar dieser Landschaft. Begegnungen mit Wölfen und Braunbären, Füchsen, Elchen, Biebern, Seeadlern kommen in den nächsten Wochen hinzu.
Äschen satt im Tikchik River
Nach 2 Tagen wird das Wetter schlecht. Bei stürmischem Wind verstaue
ich meine Ausrüstung im Klepper-Faltboot und beginne die Paddeltour
auf dem Tikchik-River. Jetzt im Frühsommer führt der Fluß
noch ausreichend Wasser, so daß ich mich weitgehend auf das Betrachten
der Landschaft beschränken kann. Nach 3 Tagen Sturm und Regen wird
das Aufstehen am Morgen zur Überwindung. In Ermangelung trockenen
Holzes lasse ich mich gar dazu hinreißen, den oberen Teil einer Bieberburg,
unter einem Felsvorsprung kauernd, als Brennholz zu mißbrauchen.
Foto 2: Geräucherter Fisch: neben selbstgebackenen Bannocks die
Hauptmahlzeilt auf der Tour
Trotz des schlechten Wetters werden die Fangergebnisse mit jedem Tag besser - jetzt gibt es Äschen in Hülle und Fülle. Bereits vor Jahren habe ich begonnen, Streamer auf Big-Game-Haken zu binden - manchmal die einzige wirklich effiziente Möglichkeit, um in den Flüssen des Nordens beim Angeln keine Äschen zu haken. Leider beißt dann auch sonst nichts im Tikchik River.
Hechte im Tikchik Lake
Die Mündung des Tikchik River in den Tikchik Lake gilt als einer
der besten Angelplätze dieser Tour. Allerdings gibt es auch hier zunächst
nicht die erhofften Rainbows - stattdessen Hechte, ausgesprochen Kapitale
noch dazu. Gegenüber den Seeforellen, die beim Drill eher einem Mehlsack
ähneln, können die Northern Pikes schon fast als sportlich bezeichnet
werden. Doch welch ein Unterschied dazu die erste Regenbogenforelle, die
weit nach Mitternacht auf einen Lachsstreamer beißt; ein halbes Dutzend
Sprünge direkt nach dem Anbiß, mehr in der Luft als unter Wasser,
- vom ersten Augenblick ist klar, warum dieser Fisch unter Alaskas Fliegenfischern
eine unangefochtene Führungsposition einnimmt.
Foto 3: Die Regenbogenforelle. Die unangefochtene Nummer 1 im Südwesten
Alaskas
Die nächsten Tage bleibt das Wetter schlecht, so daß ich die Fischerei im Tikchik Lake nicht weiter erforsche. Nach der Querung des Tikchik Lake bei Sturm und Regen erreiche ich den Auslauf in den Nuyakuk River. Beim Anblick der Anglerlodge, die kurz unterhalb der ersten Stromschnelle gelegen ist, übermannt mich der Wunsch nach einer heißen Dusche und einem Abend am Kamin. Doch nur eine Nacht in dieser Lodge würde meine Reisekasse völlig sprengen. Nachdem die erhoffte Einladung zum Kaffee ausbleibt, suche ich mir einen Lagerplatz weit außerhalb der Sichtweite der Lodge, setze mich im strömenden Regen ans Feuer und genehmige mir einen Extra-Schluck aus der Wiskey-Ration. In der Nacht fange ich einige Rainbows und setzte direkt am nächsten Morgen die Fahrt fort zu den Nuyakuk Falls.
Rainbows an den Nuyakuk Falls
Die Falls präsentieren sich in strahlendem Sonnenschein, das Wasser
glasklar und türkisfarben. Der Pool auf der linken Seite unterhalb
der Falls ist die perfekteste Stelle, die ich bis dahin mit der Fliege
befischen konnte. Werfen üben, Fliegen ausprobieren, von morgens bis
spät in die Nacht nichts anderes als Fischen, Pause machen und wieder
Fischen.
Foto 4: Der Pool unterhalb der Nuyakukfälle: ein Traum für
den Fliegenfischer
Eine Woche verbringe ich an den Falls, fische Rainbows, liege in der Sonne, streife durch die Landschaft. Die Falls - eigentlich eine langgezogene Stromschnelle - sind von beiden Seiten begehbar. Bei meinen Erkundungszügen sehe ich in einem der Pools auf halber Strecke eine Schule Rainbows - und mittendrin ein Exemplar, daß die übrigen an Größe weit überragt. Der Pool ist keine 100 m lang, oberhalb und unterhalb Steilabfälle, in denen der Fisch unweigerlich verloren wäre. Mit meiner Ausrüstung (Einhandrute, Klasse 8) hätte ich da keine Chance. 3 Tage befische ich den Platz, fange einige kleinere aus der Gruppe, immer noch kann ich die Große beobachten, dann gebe ich auf und setze meine Reise fort.
Foto 5: Mitten in den „Falls“ steht die Kapitale. 3 Tage lange befische
ich vergeblich diesen Platz
Die ersten Lachse
Der Nuyakuk ist jetzt langsam und träge geworden, ich lasse mich
im Boot treiben, döse vor mich hin und schaue ins Wasser. War da ein
Fisch? Gleich dahinter noch einer - und dann hört es nicht mehr auf.
Wie an einer Perlenschnur aufgezogen - ein Rotlachs nach dem anderen schwimmt
im flachen Wasser keine 2 m vom Ufer den Fluß hinauf.
Boot ans Ufer - welche Fliege? Schon immer wollte ich das Nymphenfischen
auf Rotlachse probieren. Stunden später, noch immer ziehen die Lachse
an meinen Füßen vorbei, nur mit der Fliege geht gar nichts.
Angesichts zahlloser Reds, die unmittelbar an meinen Füßen vorbeischwimmen,
beginne ich Strategien zu entwickeln, die in erlauchten Fliegenfischerkreisen
wohl zur Ächtung führen würden. Tatsächlich erscheint
es mir leichter, einen Rotlachs mit der Kuchengabel zu erlegen als mit
der Fliegenrute. Einige Jahre zuvor hatte ich auf einer Tour eine Schule
Rotlachse an einem Biberdamm ausgemacht. Während ich vergeblich versuchte,
die Lachse mit der Fliege zu überlisten, stellte sich mein ignoranter
Paddelkamerad und Nichtangler auf den Biberdamm - und fing die Lachse bei
deren Versuch, das Hindernis zu überwinden, mit der Hand.
Angler in den Wahnsinn getrieben.
Für die meisten Alaska-Angler ist die Angelegenheit ohnehin sehr
einfach - Reds don´t bite. Das dumme ist nur: irgendwann und irgendwie
beißen sie doch. Nachdem der Tag mit einigen Hundslachsen endet,
fische ich am nächsten Tag unterhalb einer Stromschnelle. Hier stehen
die Rotlachse dichtgepackt und machen durch ständiges Springen und
Rollen auf sich aufmerksam. In der Schnelle stehend, eine Bleikopfnymphe
in der Strömung abwärts führen bringt schließlich
den Erfolg. Die ersten drei Fische gehen nach einigen Sprüngen verloren.
Der vierte findet schließlich seinen Weg zunächst ins Ufergras
und letztendlich als Abendessen über das Lagerfeuer.
Foto 7: Laichreife Hundslachse erkennt man an der typischen Körperzeichnung
Nushagak-Kings
Inzwischen neigt sich die Tour dem Ende zu. Vom Eskimodorf Koliganek
am Nushagak aus ist der Rückflug mit dem Postflugzeug nach Dillingham
vereinbart. Einige Kilometer oberhalb der Ortschaft möchte ich noch
einmal eine Nacht am Fluß verbringen. An der Einmündung eines
kleinen Seitenbaches sehe ich niedergetrampeltes Gras. Eine Angelstelle
der Eskimos? Oder doch der Lagerplatz eines Braunbären. Die Feuerstelle
zeigt, daß dieser Platz wohl primär von den Eskimos genutzt
wird. Selbst in der Abendsonne ist die Luft noch angenehm warm; die in
manchen Jahren so penetrante Schar der stechenden und beißenden Insekten
hält sich heuer vornehm zurück. Nach einem erfrischenden Bad
im Fluß wird ein letztes Mal die Rute zusammengesteckt.
Der erste Wurf geht völlig daneben, die Fliege klatscht einen
Meter vor meinen Füßen ins Wasser. Beim Aufnehmen reißt
es die Schnur aus der Hand, die Flucht endet abrupt mit Vorfachbruch, die
Schnur hat sich um den Griff gewickelt. Die Art des Anbisses läßt
jedoch keinen Zweifel aufkommen - der erste King. Habe ich da mit meiner
Ausrüstung überhaupt eine Chance? Der nächste Wurf mit voller
Konzentration. Und unmittelbar der nächste Biß. Diesmal verläuft
der Drill optimal und nach etwa 20 Minuten liegt der erste Königslachs
im Gras. Kein ganz großer, aber immerhin 10 bis 15 Pfund. An diesem
Abend und am nächsten Morgen hake ich noch insgesamt 12 Kings von
denen ich 8 lande. Das aufkommende schlechte Gewissen vertröste ich
damit, daß jetzt erst wieder mal für mindestens ein Jahr Ruhe
ist. Noch am gleichen Tag fliege ich von Koliganek zurück nach Dillingham
und von dort über Anchorage nach Hause.
Inzwischen bieten auch zahlreiche deutsche Veranstalter float trips für Angler in Alaska an. In der Regel sind diese Angebote nicht speziell auf Fliegenfischer zugeschnitten, so daß die Auswahl mit besonderer Sorgfalt erfolgen sollte. Mit einiger Erfahrung im Paddeln und Outdoor-Leben kann eine solche Tour jedoch auch - zu vergleichsweise geringen Kosten - selbst organisiert werden. Doch Vorsicht ist angebracht. Selbst an den besten Lachsflüssen kann man leicht zum Schneider werden, wenn das Wasser durch Regenfälle wochenlang trüb ist oder die Zeiten der Laichwanderungen nicht berücksichtigt werden. Des Weiteren ist Hilfe nur selten an der nächsten Ecke zu erwarten, so daß man in der Lage sein muß, Notfälle alleine zu meistern. Für die Vorbereitung gibt es eine Vielzahl von Büchern und Fachveröffentlichungen sowohl hinsichtlich der Beschreibung der Paddeltouren als auch bezüglich fischereilicher Aspekte. Besonders hervorheben möchte ich dazu das Buch "Rene Limeres u. Gunnar Pedersen (1995): Alaska Fishing. The Insider´s Guide to the Ultimate Cold Water Angling Destination. Foghorn Press. ISBN 0-935701-27-3". Dieses Buch liefert wertvolle Informationen für eine schier endlose Zahl von Gewässern in ganz Alaska und ermöglicht für jeden Geschmack eine optimale Tourenauswahl.